Wachstum neu gedacht: Was der Competitiveness Compass für Asset Manager bedeutet

Der Draghi-Report macht deutlich: Europa steht an einem Wendepunkt. Neue Technologien, geopolitische Spannungen und der Klimawandel stellen uns vor große Herausforderungen – und eröffnen zugleich neue Chancen.

Die EU will diese Chancen aktiv nutzen – mit dem Competitiveness Compass, einem strategischen Fahrplan für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Und der Asset Management Branche kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Doch was bedeutet der Competitiveness Compass für Asset Manager konkret? Genau darum geht es in diesem Beitrag.

In unserer mehrteiligen Beitragsreihe stellen wir Ihnen dieses zentrale Zukunftsthema der EU-Kommission vor:

  • In Teil 1 geben wir einen Überblick über den Competitiveness Compass der Europäischen Kommission.
  • In Teil 2 analysieren wir die Savings and Investments Union und ihre Bedeutung für Asset Manager.
  • Teil 3 widmet sich der Startup and Scaleup Strategy: Dem Innovationsmotor Europas.
  • Weitere Beiträge zu ausgewählten Themenschwerpunkten folgen.

Warum der Competitiveness Compass jetzt kommt und warum er für die Zukunft Europas entscheidend ist

Der Competitiveness Compass ist die strategische Antwort Europas auf geopolitische Unsicherheiten und wachsenden Wettbewerbsdruck.
Den Ausgangspunkt markierte der Draghi-Report zur wirtschaftlichen Zukunft Europas, veröffentlicht im September 2024. Der Report warnt eindringlich: Europa verliert zentrale Wachstumstreiber wie den offenen Welthandel, günstige fossile Energie und geopolitische Stabilität. Gleichzeitig steht die EU vor enormen Investitionsbedarfen: für Modernisierung, Klima- und Digitalwende sowie mehr Sicherheit. 

Vor diesem Hintergrund haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu einem Kurswechsel verpflichtet. 
Das Ziel: „To safeguard the EU‘s future as an economic powerhouse, an investment destination and a manufacturing centre […].“

Das Ergebnis: der Competitiveness Compass, der am 29. Januar 2025 von der Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen vorgestellt wurde.
Doch was genau ist der Competitiveness Compass? Er ist Europas neues Navigationssystem mit einem klaren Ziel: die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und neue Wachstumswege zu erschließen. Als strategisches Dach bündelt er zahlreiche Initiativen, von der Kapitalmarktintegration bis zur Innovationsförderung.

Die EU-Kommission definiert drei zentrale Prioritäten, die für das übergeordnete Ziel, die wirtschaftliche Zukunft Europas zu sichern, entscheidend sind. Jede dieser Prioritäten ist mit zahlreichen umfangreichen Maßnahmen verbunden. Ergänzend dazu wirken fünf horizontale „Enabler“. Maßnahmen, die alle drei Prioritäten unterstützen und fördern. Auch diese umfassen eine Vielzahl konkreter Einzelinitiativen:

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Abb.: Der Competitiveness Compass im Überblick

Innovationen: Europas Ideen schneller zur Marktreife bringen (Priorität 1)

Von besonderer Bedeutung für die Asset Management-Industrie ist die erste Priorität: Innovationen sind der Schlüssel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas sowie zur Sicherung von Wohlstand und Wachstum. Doch viele europäische Patente bleiben bislang ungenutzt und das volle Innovationspotenzial wird nicht ausgeschöpft. Mit einer umfassenden Offensive, von gezielten Investitionen in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Halbleiter- und Quantentechnologie bis hin zu verbesserten Finanzierungen und weniger Bürokratie, will die EU Forschungsergebnisse schneller in marktfähige Produkte verwandeln und Europas technologische Souveränität nachhaltig sichern. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die im Mai 2025 vorgestellte Startup and Scaleup Strategy der Europäischen Kommission, über die wir im dritten Beitrag dieser Reihe berichten.

Klimaschutz neu gedacht: Dekarbonisierung trifft Industrie (Priorität 2)

In Priorität 2 verbindet die EU Dekarbonisierung mit Industriepolitik durch den „Clean Industrial Deal“, der bezahlbare Energie, gezielte Investitionen und branchenspezifische Transformationspläne fördert, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Europa will klimafreundliche Produktion einfacher und attraktiver machen und so Industrie und Nachhaltigkeit gemeinsam voranbringen.

Unabhängigkeit und Resilienz: Europas wirtschaftliches Sicherheitsnetz (Priorität 3)

Die EU will ihre Souveränität und Widerstandsfähigkeit stärken, indem sie Handelsabhängigkeiten reduziert, faire Wettbewerbsbedingungen schafft und durch strategische Partnerschaften sowie Kooperationen mit der Verteidigungsindustrie ihre wirtschaftliche und sicherheitspolitische Resilienz gegenüber geopolitischen Risiken ausbaut. So soll die Wettbewerbsfähigkeit gesichert und effektiver Schutz vor Bedrohungen und unfairen Wettbewerbspraktiken gewährleistet werden.

Enabler zur erfolgreichen Umsetzung der Prioritäten

Vereinfachung: Weniger Bürokratie, mehr Bewegung
Unter dem Motto „simpler, lighter, faster“ plant die EU-Kommission umfassende Vereinfachungen, Digitalisierung und gezielten Bürokratieabbau, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und Investitionen zu fördern. Im Fokus stehen schnellere Genehmigungsverfahren sowie eine bessere und einheitlichere Umsetzung von EU-Recht. Ein konkretes Beispiel ist das kürzlich vorgestellte „Simplification Omnibus“-Paket, das unter anderem Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung verschlankt.

Binnenmarkt: Warum der Binnenmarkt einen Neustart braucht
Um bestehende Herausforderungen und Hürden im europäischen Binnenmarkt zu überwinden, plant die EU-Kommission eine neue horizontale Binnenmarktstrategie. Diese soll unter anderem rechtliche Fragmentierung abbauen, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten stärken und durch gezielte Maßnahmen wie eine schnellere Standardsetzung auch KMU und Startups besser einbinden.

Finanzierung: Wie Sparer zu Investoren werden
Speziell für die Finanzindustrie steht vor allem der Enabler „Finanzierungen“ im Fokus, der als Katalysator für alle anderen Maßnahmen im Competitiveness Compass wirkt. Der Draghi-Bericht schätzt, dass Europa bis 2030 jährlich zusätzlich 750 bis 800 Milliarden Euro investieren muss. Die gute Nachricht: Das Kapital ist vorhanden, allerdings meist auf Sparkonten gebunden, also totes Kapital. Daher plant die EU eine umfassende Reform zur besseren Mobilisierung privaten und öffentlichen Kapitals: die Savings and Investments Union, die im März 2025 vorgestellt wurde. Ziel ist es, Sparer zu Investoren zu machen. Dabei stehen standardisierte Investmentprodukte, die Harmonisierung von Handels- und Nachhandelsprozessen sowie die Erleichterung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs von Asset Managern im Fokus. Seien Sie gespannt auf den zweiten Beitrag unserer Blogreihe, in dem wir diese spannende Initiative im Detail vorstellen.

Kompetenzen: Der Mensch im Mittelpunkt
Im Bereich „Kompetenzen“ setzt die EU vor allem auf die Förderung von Qualifikationen und fairen Arbeitsbedingungen sowie auf die Integration von Fachkräften aus Drittstaaten. Ziel ist es, den Fachkräftemangel zu beheben und die Arbeitsmarktteilnahme zu erhöhen.

Koordination: Stärkung strategischer Initiativen
Unter dem Stichwort „Koordination“ plant die EU ein Competitiveness Coordination Tool, mit dem Maßnahmen und Investitionen in wichtige Wettbewerbsprojekte besser zwischen EU und Mitgliedstaaten abgestimmt und strategisch ausgerichtet werden sollen.

Sie sehen: Der Competitiveness Compass ist keine isolierte Maßnahme, sondern ein strategischer Ordnungsrahmen, aus dem zahlreiche Initiativen hervorgehen oder bereits hervorgegangen sind. Gemeinsam bilden diese Strategien eine neue wirtschaftspolitische Architektur, die auf Wachstumsfinanzierung, Kapitalmarktintegration und technologischer Wettbewerbsfähigkeit beruht.

Was bedeutet das konkret für Sie als Asset Manager?

Der Competitiveness Compass bietet Asset Managern zahlreiche Anknüpfungspunkte, sowohl strategisch als auch operativ. Vier zentrale Wirkungsbereiche stechen besonders hervor:

Zukunftsbereiche frühzeitig identifizieren: Von Climate Tech bis Deep Tech
Der Fokus auf technologische Souveränität, Innovation und Dekarbonisierung bedeutet: Die EU wird erhebliche Mittel in Zukunftstechnologien investieren. Daraus entstehen neue Asset-Klassen und thematische Investmentstrategien, von Climate Tech über Deep Tech bis zu Defense Tech. Für Asset Manager ergeben sich hier Chancen, sich frühzeitig als Partner institutioneller Investoren oder öffentlicher Förderprogramme zu positionieren, etwa über thematische Fonds oder Impact Vehicles.

Mehr Wachstumskapital: Impulse für Private Markets
Die geplante Savings and Investments Union zielt auf eine massive Mobilisierung von privatem Kapital. Neben standardisierten Investmentprodukten und effizienteren Handelsprozessen steht dabei auch der Ausbau von Risikokapitalmärkten im Fokus. Das eröffnet insbesondere im Bereich Venture Capital und Private Equity neue Möglichkeiten: Asset Manager können künftig breiter in Wachstumsunternehmen investieren, über Fondsvehikel, Co-Investments oder spezialisierte Mandate. Auch für institutionelle Investoren wie Versicherungen wird die Investition in diese Segmente attraktiver.

Grenzen überwinden: Einfacher grenzüberschreitend tätig werden
Die EU will regulatorische Fragmentierung abbauen und den Binnenmarkt vertiefen. Asset Manager profitieren von erleichterten Vertriebsregeln, effizienteren Genehmigungsverfahren und der Vereinheitlichung von Nachhandelsprozessen. Damit wird grenzüberschreitendes Geschäft in Europa nicht nur einfacher, sondern auch wirtschaftlicher.

Weniger Berichtspflichten: Mehr Fokus auf Performance
Mit dem „Simplification Omnibus“ und weiteren Deregulierungsmaßnahmen strebt die EU einen spürbaren Abbau bürokratischer Lasten an. Für Asset Manager bedeutet das: weniger administrative Belastung, schnellere Prozesse und mehr Raum für strategisches Handeln. 

Kurzum: Der Competitiveness Compass bietet politischen Rückenwind für Asset Manager, die ihre Rolle als Wachstumspartner, Innovationsfinanzierer und Impulsgeber in Europa aktiv ausbauen möchten.

Fazit: Der Anfang einer neuen Wachstumslogik

Der Competitiveness Compass ist mehr als ein politischer Kompass – er markiert einen Paradigmenwechsel: Von Stabilität zu Dynamik, von Bürokratie hin zu einer aktiven Wettbewerbsagenda, von Beständigkeit und Sicherheit hin zu Innovation und Unternehmertum. Für Asset Manager öffnet sich damit ein neues, spannendes Handlungsfeld.

In den nächsten Beiträgen dieser Reihe zeigen wir Ihnen, wie sich dieser neue Rahmen in konkrete Chancen übersetzen lässt, zum einen durch die Savings and Investments Union, zum anderen durch die Startup and Scaleup Strategy.

👉 Interessiert, wie Sie als Asset Manager von der Savings and Investments Union profitieren? Lesen Sie bald Teil 2 unserer Reihe:
„Kapital mobilisieren: Was die Savings and Investments Union für Asset Manager bedeutet“

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Judith Caroline Schmalzl

Judith Caroline Schmalzl

Partner
Düsseldorf

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