Kapital mobilisieren: Was die Savings and Investments Union für Asset Manager bedeutet
Die Savings and Investments Union will Europas Sparkapital in Investitionen lenken. Was das für Asset Manager bedeutet und welche Chancen sich daraus ergeben.
- 1. Citizens and Savings: Kapital von Bürger:innen aktivieren
- 2. Investments and Financing – Kapital für Innovationen mobilisieren
- 3. Integration and Scale – Skalierbarkeit ermöglichen
- 4. Efficient Supervision – Einheitliche Aufsicht stärken
- Chancen und Verantwortung für Asset Manager: Was bedeutet die Savings and Investments Union für die Branche?
- Ausblick
Im ersten Teil unserer Blogserie „Wachstum neu gedacht: Was der Competitiveness Compass für Asset Manager bedeutet“ ging es um Europas strategische Antwort auf geopolitische Risiken und globalen Wettbewerbsdruck. Im Zentrum stehen Innovationen, Dekarbonisierung und strategische Souveränität.
All diese Initiativen eint eines: Sie brauchen Kapital. Laut Draghi-Report sind es jährlich rund 750 bis 800 Milliarden Euro bis 20301. Gleichzeitig liegen ca. 10 Billionen Euro an privaten EU-Ersparnissen auf niedrig verzinsten Bankkonten2. Würden EU-Haushalte ihr Anlageverhalten dem der USA angleichen, könnten jährlich etwa 350 Mrd. Euro in den Kapitalmarkt fließen3.
Auch Anleger würden davon profitieren: Zwischen 2014 und 2023 lag die durchschnittliche Aktienfonds-Rendite laut ESMA bei 6,7 % pro Jahr. Festgeld brachte im Vergleich weniger als 1%4.
Genau hier setzt die Savings and Investments Union-SIU (s. hierzu auch der Blogbeitrag unseres Legal Teams) und konkretisiert den Enabler „Finanzierung“, mit dem Ziel, aus Sparern echte Investoren zu machen. Asset Manager werden hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Die SIU fokussiert sich dabei auf vier Handlungsfelder:
1. Citizens and Savings: Kapital von Bürger:innen aktivieren
Im ersten Handlungsfeld geht es darum, privates Vermögen breiter und effizienter in den Kapitalmarkt zu lenken. Geplant sind unter anderem
- die Förderung einfacher, verständlicher und kostengünstiger Anlageprodukte,
- der erleichterte Zugang zum Kapitalmarkt
- Sowie der Ausbau privater Altersvorsorge und betrieblicher Zusatzrenten.
Ein zentraler Vorschlag ist das "European Savings and Investment Account". Das Konto soll langfristiges Sparen einfach, digital und steuerlich attraktiv machen. Vorbild sind erfolgreiche nationale Modelle, beispielsweise aus Schweden oder Großbritannien. Der Anbieter steht hierbei im Mittelpunkt und wird zum Tor zum Kapitalmarkt: mit großer Produktauswahl, günstigen Konditionen und der Möglichkeit, den Anbieter unkompliziert zu wechseln. Die EU-Kommission sammelt dazu seit dem 10. Juli 2025 Feedback aus der Branche5.
Ergänzend dazu sollen neue EU-Labels wie „Finance Europe“ oder „European Growth Investments“ Vertrauen stärken. Anleger:innen erkennen so leichter Produkte mit EU-Standards und echtem Mehrwert. Außerdem soll die finanzielle Bildung verbessert werden, beispielsweise mit Schulprogrammen, Kampagnen und mehr Informationen für Verbraucher:innen. Gleichzeitig werden auch die Entwicklungen rund um die Retail Investment Strategy aufmerksam beobachtet.
Relevanz für Asset Manager:
Bereits an den im ersten Handlungsfeld (Citizens & Savings) geplanten Maßnahmen lässt sich erkennen, dass die SIU das Potenzial hat, die Asset Management-Branche in der EU grundlegend zu verändern. Asset Manager könnten künftig als Dienstleister über ein European Savings and Investment Account vereinfachten Zugang zu Retail-Kunden bekommen und ihre Produkte platzieren. Auch der Mittelzufluss institutioneller Anleger könnte steigen, etwa durch den Ausbau der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Die Sichtbarkeit europäischer Produkte steigt dank EU-weiter Labels wie „Finance Europe“. Gleichzeitig wächst jedoch der Druck, Produkte einfach, transparent, kostengünstig und in Übereinstimmung mit den neuen Anforderungen zu gestalten. Insgesamt entstehen neue Wachstumschancen, verbunden mit steigendem Wettbewerb.
2. Investments and Financing – Kapital für Innovationen mobilisieren
Ein zentrales Ziel des Competitiveness Compass ist die Förderung von innovativen Unternehmen, insbesondere von Startups und Scaleups. (Details dazu folgen im dritten Teil dieser Serie.) Die SIU ergänzt diesen Fokus um die Perspektive der Investor:innen und wirft folgende Fragen auf:
- Wie lässt sich der Zugang zu Venture- und Growth-Kapital erleichtern? Die EU setzt hier auf stärkere Beteiligung institutioneller Investoren. Dafür sollen u. a. die Solvency II-Vorgaben und die Kapitalregeln für Banken überarbeitet werden. Auch die Verordnung über europäische Risikokapitalfonds (EuVECA) steht vor einer grundlegenden Reform, insbesondere soll der Kreis zulässiger Anlagen erweitert werden.
- Wie lässt sich die Verbindung zwischen öffentlicher und privater Finanzierung stärken? Programme wie InvestEU sowie neue und auszubauende Initiativen, etwa im kommenden EU-Haushalt, sollen dazu beitragen, Projekte durch Darlehen, Garantien oder Beteiligungen abzusichern. Der Staat übernimmt dabei gezielt einen Teil des Risikos („de-risking“), um private Investitionen anzuregen.
- Wo stehen regulatorische oder faktische Hürden im Weg? Ein zentrales Hindernis sind fehlende Exit-Optionen. Sie erschweren den Kapitalrückfluss und schrecken viele Investor:innen ab. Mit dem Listing Act wurde ein erster Schritt gemacht. Weitere Maßnahmen sollen folgen, um Börsengänge und Exits zu erleichtern und die Investitionsbereitschaft zu erhöhen.
Relevanz für Asset Manager:
Asset Manager nehmen eine Schlüsselrolle ein, wenn es darum geht, privates Kapital in wirtschaftlich tragfähige und gesellschaftlich relevante Innovationen zu lenken, denn sie fungieren als Brückenbauer zwischen Kapitalgebern und Kapitahlnehmern. Sie verbinden institutionelle Investoren mit wachstumsstarken Unternehmen und entwickeln gezielte Finanzierungsinstrumente, etwa durch spezialisierte Fonds, Beteiligungsmodelle oder Kooperationen mit Förderbanken. So schließen sie Finanzierungslücken und fördern nachhaltiges Wachstum.
3. Integration and Scale – Skalierbarkeit ermöglichen
Das dritte Handlungsfeld befasst sich mit der Modernisierung der europäischen Marktinfrastruktur und dem Abbau von Fragmentierungen im Asset Management.
Hierzu hat die EU-Kommission bereits im April 2025 eine Konsultation6 gestartet. Zentrale Themen:
- Vereinfachung und Bürokratieabbau
- Handel und Nachhandel
- Aufsicht und regulatorisches Rahmenwerk
- Asset Management und Fondsvertrieb
Gerade im Bereich „Asset Management und Fondsvertrieb“ identifiziert die Konsultation eine Reihe struktureller Hürden, beispielsweise komplexe Genehmigungsverfahren, grenzüberschreitende Vertriebsbarrieren oder ineffiziente Konzern- bzw. Gruppenstrukturen. Auch der grenzüberschreitende Fondsvertrieb bleibt stark fragmentiert. Deswegen wirft die Konsultation zentrale Fragen auf: zur Harmonisierung der Aufsicht, der Beaufsichtigung von Gruppenstrukturen, einem verbesserten EU-Passsystem oder einem einheitlichen Regime für Verwahrstellen.
Relevanz für Asset Manager:
Ein stärker integrierter EU-Markt bietet Skalierungspotenzial. Fonds können über digitale Plattformen in mehreren Ländern gleichzeitig angeboten werden und grenzüberschreitende Gruppenstrukturen können vereinfacht werden. Gleichzeitig werden sich Asset Manager auf umfangreiche Änderungen der AIFMD und der UCITS Directive vorbereiten müssen.
4. Efficient Supervision – Einheitliche Aufsicht stärken
Das vierte Handlungsfeld zielt auf eine stärkere Koordination und Harmonisierung der Finanzaufsicht ab, insbesondere bei grenzüberschreitender Tätigkeit oder in neuen Marktsegmenten wie Kryptoassets. Langfristig ist sogar eine direkte EU-Aufsicht denkbar.
Relevanz für Asset Manager:
Mehr Aufsichtsharmonisierung bedeutet höhere Anforderungen an Governance, Transparenz und Compliance, gleichzeitig aber auch mehr Planungssicherheit und geringere Fragmentierung im Produkt- und Vertriebsdesign.
Chancen und Verantwortung für Asset Manager: Was bedeutet die Savings and Investments Union für die Branche?
Die SIU macht Asset Manager zu Schlüsselfiguren bei der Mobilisierung von Kapital in Europa. Wer sich strategisch ausrichtet, profitiert:
- Mehr Nachfrage nach einfachen, digitalen Anlageprodukten.
- Aufstieg neuer Anlageklassen wie Venture Capital und Impact Investing.
- Vereinfachte Regeln für den Fondsvertrieb und Gruppenstrukturen.
- Zunehmende Rolle bei der Umsetzung öffentlicher Förderstrategien.
Gleichzeitig wirft die Initiative auch gesellschaftspolitische Fragen auf. Die stärkere Einbindung privater Ersparnisse in die Kapitalmärkte, etwa durch geförderte Altersvorsorgemodelle, verändert das Zusammenspiel zwischen individueller Verantwortung und staatlicher Absicherung.
Zudem zeichnet sich auch ein Wandel im regulatorischen Denken ab: Während der Gesetzgeber in der Vergangenheit vor allem auf Anlegerschutz und Risikovermeidung setzte (mit ausführlichen Warnhinweisen und komplexen Offenlegungspflichten), rückt nun die Erkenntnis in den Vordergrund, dass Renditechancen ohne ein gewisses Maß an Risiko nicht realisierbar sind. Diese neue Haltung eröffnet Chancen, erfordert aber auch eine sorgfältige Balance: Die Branche ist nun gefordert, ihre Rolle aktiv auszugestalten – mit einfachen Produkten, klarer Kommunikation und strategischer Offenheit für neue Anlageformen.
Ausblick
Im nächsten Teil geht es um die Startup and Scaleup Strategy. Sie fokussiert auf die Rahmenbedingungen für Wachstumsunternehmen in Europa – und ihre Verbindung zum Kapitalmarkt. Neugierig? Bald lesen Sie Teil 3 unserer Serie: „Innovation fördern: Was die Startup and Scaleup Strategy für Asset Manager bedeutet“.
1 Mario Draghi, ‘The Future of European Competitiveness,’ 2025
2 Eurostat, ‘https://doi.org/10.2908/NASA_10_F_BS - Financial balance sheets - annual data,’ 10 March 2025
3 European Central Bank, ‘Follow the money: channelling savings into investment and innovation in Europe,’ speech by Christine Lagarde, President of the European Central Bank, 22 November 2024
4 ESMA, Costs and Performance of EU Retail Investment Products 2024,
5 EU Kommission, Call for Evidence „European Blueprint for savings and investmens accounts”, Juni 2025
6 EU Kommission, Targeted Consultation on Integration of EU Capital Markets, April 2025
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
---|
Kontakt
