Innovation fördern: Was die Startup and Scaleup Strategy für Asset Manager bedeutet
Europa will zum Startup-Powerhouse werden und das aus gutem Grund: Innovation, Produktivität und strategische Souveränität entscheiden über unsere Zukunft.
Innovation fördern: Was die Startup and Scaleup Strategy für Asset Manager bedeutet
Europa will zum Startup-Powerhouse werden und das aus gutem Grund: Innovation, Produktivität und strategische Souveränität entscheiden über unsere Zukunft. Mit der im Mai 2025 vorgestellten EU Startup and Scaleup Strategy setzt die Kommission gezielt dort an, wo Europas Innovationspotenzial bislang ins Stocken gerät. Dadurch eröffnen sich auch für die Asset Management-Branche neue strategische Chancen.
Woher kommt diese Strategie?
Die Startup and Scaleup Strategy basiert auf dem im September 2024 veröffentlichten Draghi-Report. Dieser zeigt: Europa steht unter großem Wettbewerbsdruck und geopolitischen Herausforderungen. Die EU reagierte darauf im Januar 2025 mit dem Competitiveness Compass (s. unser Blogbeitrag „Wachstum neu gedacht: Was der Competitiveness Compass für Asset Manager bedeutet“ ). Ziel des Competitiveness Compass ist es, Innovationen zu beschleunigen, die Dekarbonisierung voranzutreiben und Souveränität und Resilienz zu stärken.
Die Startup and Scaleup Strategy ist eine weitere Konkretisierung der Maßnahmen des Competitiveness Compass und ergänzt die Savings and Investments Union (SIU, s. unseren Blogbeitrag „Kapital mobilisieren: Was die Savings and Investments Union für Asset Manager bedeutet“, die vor allem das Kapitalangebot stärkt. Während die SIU Kapital mobilisiert, fokussiert sich die Startup and Scaleup Strategy auf die Förderung der Kapitalnachfrage. So wirken beide Initiativen als zwei Seiten derselben Medaille und ergänzen sich gegenseitig.
“What got you here won’t get you there” - Warum eine Startup and Scaleup Strategy notwendig ist
Europas Zukunft formt sich nicht durch alte Routinen, sondern durch den Mut zum Neuanfang. Innovation entsteht vor allem in dynamischen Startups und Forschungseinrichtungen, die bestehende Strukturen herausfordern. Trotz exzellenter Forschung und Talente gelingt es Europa bislang jedoch nicht ausreichend, Innovationen wirtschaftlich zu skalieren. Viele Startups scheitern an fragmentierten Märkten, fehlendem Kapital und regulatorischen Hürden oder wandern ins Ausland ab.
Besonders kritisch sind die sogenannten „Two Valleys of Death“: Zum einen der Übergang von der Innovation zur Marktreife und zum anderen die Skalierungsphase. In beiden Phasen scheitern viele Unternehmen trotz vorhandenem Erfolg an Kapitalmangel und fragmentierten Märkten. Dies führt oft zur Abwanderung vielversprechender Firmen, z.B. in die USA. Startups, die außerhalb Europas skalieren oder verkauft werden, zahlen dort Steuern, schaffen dort Arbeitsplätze und errichten dort Innovationszentren, nicht in Europa: Wertschöpfung und Jobs verlagern sich ins Ausland. Außerdem geraten ursprünglich europäische Zukunftstechnologien unter ausländische Kontrolle. Europa wird abhängig von ausländischem Kapital und bleibt hinter seinem Innovationspotenzial zurück. Vom Erfolg dieser Unternehmen profitieren vor allem internationale Investoren, während europäische Investoren außen vor bleiben. Langfristig wird so der Gründungsstandort Europa unattraktiv, denn die ständige Abwanderung vielversprechender Unternehmen sendet ein klares Signal: Europa ist nicht der Ort, an dem Visionen groß werden.
Kurz gesagt: Ohne ein starkes Startup-Ökosystem riskiert Europa, den Anschluss bei Schlüsseltechnologien zu verlieren.
Die neue Startup and Scaleup Strategy setzt genau hier an und will diese Hürden überwinden. Das Ziel: Europa soll ein führender Standort für technologiegetriebene Startups und Scaleups werden. Für mehr Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität.
Fünf zentrale Handlungsfelder der EU-Strategie
Die EU hat fünf zentrale Handlungsfelder definiert, um Innovation und Wachstum gezielt voranzutreiben:
- Innovation-friendly regulation
- Better finance
- Fast market uptake and expansion
- Support for the best talent
- Access to infrastructure, networks and services
Hinter diesen Handlungsfeldern steckt ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Verbesserung der unternehmerischen Rahmenbedingungen in Europa.
Da die Strategie sehr breit angelegt ist, werfen wir im Folgenden einen gezielten Blick auf die für die Asset Management-Branche besonders relevanten Initiativen aus diesem Maßnahmenpaket:
Die erste Reform hat es in sich: ein einheitliches europäisches Unternehmensrecht.
Um regulatorische Barrieren für innovative Unternehmen zu senken, schlägt die EU-Kommission die Einführung eines sogenannten „28th Regime“ vor, eines optionalen, EU-weit geltenden Unternehmensrechts. Es soll Gründung, Skalierung und Geschäftsbetrieb über Ländergrenzen hinweg deutlich vereinfachen.
Anstatt die bestehenden 27 nationalen Regelwerke mühsam weiter zu harmonisieren, soll ein einheitliches und vollständig digitales Regelwerk („digital by default“) die Gründung von Unternehmen innerhalb von 48 Stunden ermöglichen. Bereiche wie Insolvenz-, Arbeits- und Steuerrecht sollen vereinfacht, das Wachstum erleichtert und das Scheitern weniger riskant werden.
Politisch ist der Vorschlag sensibel, weil einige Mitgliedstaaten Souveränitätsbedenken haben werden. Dennoch wäre das „28th Regime“ ein mutiger Schritt zur Entbürokratisierung Europas.
Digital, sicher, grenzüberschreitend: der European Business Wallet.
Der geplante European Business Wallet schafft eine einheitliche und verifizierte, digitale Identität für EU-weit tätige Unternehmen. Ziel ist es, verifizierte Unternehmensdaten, wie Handelsregistereinträge, Steuer-IDs oder Gründungsdokumente, sicher und standardisiert innerhalb der EU zu teilen. Dadurch sollen digitale Interaktionen zwischen Unternehmen und Behörden wesentlich einfacher, schneller und grenzüberschreitend reibungslos funktionieren. Aufwändige Übersetzungen oder notarielle Bestätigungen können damit künftig entfallen. Der European Business Wallet ist damit ein Schlüsselbaustein für einen echten digitalen Binnenmarkt.
Regulatory Sandboxes: Mut zur (kontrollierten) Freiheit
Der geplante European Innovation Act fördert einen echten Paradigmenwechsel. Weg von „erst regulieren, dann probieren“, hin zu „gemeinsam testen, gezielt lernen, dann regulieren“. Herzstück dieser neuen Denkweise sind sogenannte Regulatory Sandboxes, also Testumgebungen, in denen Unternehmen neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle unter Aufsicht ausprobieren können, bevor sie vollständig reguliert in den Markt eintreten. Die Aufsicht bleibt dabei eng angebunden, um Risiken frühzeitig zu erkennen und Innovationen gezielt zu begleiten.
Besonders spannend sind grenzüberschreitende Sandboxes, in denen nationale Behörden zusammenarbeiten. So kann Europa zum regulatorischen Vorreiter machen, der Innovation strukturell erleichtert, ohne Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz aus dem Blick zu verlieren.
Innovationsfinanzierung: Kapital für mutige Ideen
Innovation braucht Risikokapital. Die EU will den Zugang zu Kapital für Startups verbessern: Der European Innovation Council (EIC) wird agiler und einfacher zugänglich, mit einem wettbewerbsorientierten Förderansatz, der von US-ARPA-Modellen inspiriert ist. Parallel soll ein neuer Scaleup Europe Fund entstehen, der zusammen mit privaten Investoren in wachstumsstarke Deep-Tech-Unternehmen investiert. Für institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen sind neue Anreize geplant, gezielt in Innovationsfonds und nicht börsennotierte Wachstumsunternehmen zu investieren (European Innovation Investment Pact). Das Ziel: Ein resilientes, konkurrenzfähiges und technologisch souveränes Innovationsökosystem in Europa.
Geistiges Eigentum: Intelligenz als Sicherheit
Viele Start-ups verfügen über wertvolles geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP), das jedoch bisher kaum als Sicherheit bei Finanzierungen genutzt werden kann.
Die Ursachen sind vielfältig: fehlende Bewertungsstandards, Zurückhaltung von Banken, geringe Marktakzeptanz – und ein generelles Misstrauen gegenüber IP-basierten Finanzierungen. Deswegen arbeitet die EU-Kommission gemeinsam mit dem EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) an einem europaweit anerkannten Bewertungsrahmen für IP, um dessen Nutzung als finanziellen Vermögenswert zu ermöglichen. Bis 2027 soll dieser Rahmen etabliert sein, so dass Wissen und geistige Leistungen künftig genauso als Assets gelten wie Maschinen oder Immobilien.
Was sonst noch?
Neben diesen gezielten Maßnahmen geht die EU aber noch einen Schritt weiter und denkt Innovation ganzheitlich.
Zu den flankierenden Reformen zählen etwa:
- Innovationsfreundlichere Gesetzgebung, z. B. durch freiwillige „Innovation Stress Tests“
- Bürokratieabbau in zentralen Branchen
- Beschleunigte Standardisierungsprozesse, um neue Technologien schneller in den Markt zu bringen
Gleichzeitig adressiert die EU tieferliegende Hürden, die Startups oft ausbremsen: fehlende Zugänge zu öffentlicher Beschaffung, komplexe Restrukturierungen oder die mangelnde Vernetzung mit etablierten Großunternehmen.
Auch das Thema Talente rückt in den Fokus: Neue Visa-Regelungen, attraktivere Bedingungen für grenzüberschreitende Arbeit und gezielte Förderung von Diversität und Technologietransfer sollen Europas Innovationskraft langfristig sichern.
Warum ist das für Asset Manager relevant?
Die Startup- und Scaleup-Strategie bietet der Asset-Management-Branche viele strategische Chancen:
- Ein optionales, digitalbasiertes EU-Unternehmensrecht („28th Regime“) sowie das European Business Wallet könnten nicht nur die Gründung und Verwaltung regulierter Investmentvehikel vereinfachen, sondern auch grenzüberschreitende Fondsstrukturen und unternehmerische Aktivitäten, etwa in Holding- oder Gruppenstrukturen, effizienter gestalten. Investitionen in Start-ups und Scale-ups würden dadurch attraktiver, da Unternehmensgründungen schneller und unkomplizierter möglich wären und junge Unternehmen zügiger operativ tätig werden könnten.
- Regulatory Sandboxes werden einen zentralen Beitrag zur Erschließung komplexer regulatorischer Innovationen leisten, indem sie die Chance eröffnen, innovative Produkte in einem geschützten Umfeld zu testen.
- Die gezielte Stärkung der Innovationsfinanzierung, etwa durch den Scaleup Europe Fund oder neue Anreize für institutionelle Investoren, schafft zudem neue Anknüpfungspunkte für Asset Manager, insbesondere im Bereich Private Markets und Venture Capital.
- Ein geplanter EU-Bewertungsrahmen für geistiges Eigentum ermöglicht schließlich eine bessere Bepreisung, Verbriefung und Nutzung immaterieller Vermögenswerte, mit Potenzial für innovative Anlageklassen und Bewertungsmodelle.
Fazit
Die Startup-Strategie ist nicht nur ein Innovationsimpuls für Europa, sondern auch eine Einladung an etablierte Branchen wie das Asset Management, aktiv den Wandel mitzugestalten. Wer nicht nur verwalten, sondern gestalten will, sollte jetzt genau hinschauen.
Dieser Blogbeitrag ist Teil einer spannenden Reihe rund um Europas Zukunft. Der Competitiveness Compass und ergänzende Initiativen halten noch viele weitere interessante Themen bereit, die wir in den kommenden Wochen vertiefen und hier mit Ihnen teilen werden.
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Weiterführende Links:
- Risk & Regulation im Asset & Wealth Management
- Asset Management Regulation Blog
- Aktuell und informativ – die PwC Blogs. Profitieren Sie vom Wissen unserer Fachleute: https://blogs.pwc.de/
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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