Strategische Softwareauswahl: Wie Finanzdienstleister passende IT-Anwendungen selektieren

Zusammenstellung 5 üblicher Fragestellungen inkl. Empfehlung

Softwareauswahlprozesse, auch bekannt als „Request for Proposal“ (RfP), gehören zum Projektgeschäft von IT- und Fachabteilungen der Finanzdienstleister. Häufig werden zentrale Komponenten der Applikationslandschaft ausgetauscht und damit weitreichende wie kostenintensive Entscheidungen getroffen. Selten ist der „eins-zu-eins-Austausch“ durch veränderte Rahmen-bedingungen oder Anforderungen möglich oder sinnvoll. Für eine funktionale IT-Landschaft ist bereits im formalen Auswahlprozess ein (partielles) Zielbilddesign und Anpassungen der IT-Architektur rund um die auszutauschenden Bereiche notwendig.   

Augenscheinlich ist der Prozess selbst trivial. Im Verlauf treten häufig Komplikationen auf, die zu Verzögerungen oder sogar zum Abbruch führen. Wir haben hierzu 5 übliche Fragestellungen und unsere Empfehlung zusammengestellt: 

Wie kommt man zu einer initialen Liste der Anbieter/ Hersteller?

Ausgangspunkt sind üblicherweise verfügbare Markübersichten z.B. von Gartner (oder vergleichbare, frei zugängliche Studien). Wird der Prozess durch ein externes Beratungsengagement unterstützt, sollte die Expertise und der Marktüberblick des Partners ebenfalls genutzt werden.

Hier im Prozess ist es sinnvoll, die initiale Liste von Anbietern auf Ausschlusskriterien zu prüfen. Ein gängiges Beispiel dafür ist die Unternehmensgröße oder deren Hauptfirmensitz.

Wie findet man die „richtigen“ Adressaten in der Ausschreibung und nach was wird eigentlich gesucht? 

Nicht immer ist sofort klar, wer im Auswahlprozess zu „dem richtigen Adressatenkreis“ gehört. Die erste Indikation ergibt sich durch die Beschaffenheit der auszuschreibenden Applikation selbst: Je umfangreicher und heterogener die angefragten Funktionen sind und je vager das Gesamtkonzept ist, desto mehr spricht dafür eine Konzeptidee und damit einen Systemintegrator oder Beratungsengagement auszuschreiben.

Entgegengesetzt: je konkreter und fokussierter der Gesamtumfang ist, desto eher kann direkt ein konkretes Softwaresystem bzw. dessen Hersteller ausgewählt werden. 

Wird eine Vorphase benötigt? 

Eine Ausschreibungsbekundung oder „Request for Information“ (RfI) ist nicht immer notwendig. Auch hier gilt: je konkreter der auszuwählende Gegenstand definiert werden kann, desto eher kann auf diesen Schritt weitgehend oder komplett verzichtet werden.

Mit einem RfI kann die Ausschreibungsidee sehr breit im Markt platziert werden und die Thesen bzgl. Adressatenkreis, Verständlichkeit und Beschreibung des Gegenstands getestet werden. Das bietet die Chance, bereits früh im Prozess Feedback der Marktteilnehmer einzusammeln und zu berücksichtigen.

Auch gibt die Marktresonanz Aufschluss auf die Frage, ob der „richtige“ Teilnehmerkreis angesprochen worden ist oder ob Justierungen sinnvoll wären.

Das ist alles inhaltlich gar nicht strikt definierbar und der Anbieter soll Gestaltungsspielräume haben– wie geht das?

Die Mehrzahl aller (IT-) Transformationsvorhaben, gerade im Finanzdienstleistungsbereich, bergen immer das Risiko der Unsicherheit. Dies ist kein Zeichen von schlechter Arbeit oder Schwäche, sondern Alltag. 

Wichtig ist, dass vorhandene Freiheitsgrade auch den Anbietern klar kommuniziert werden und eine lineare Anforderungsliste mit „Kann ich/ kann ich nicht“ keine ausreichende Entscheidungsgrundlage zurückliefern wird. Bessere Ergebnisse werden durch einen Mischansatz erzielt. Beispielsweise können teiloffene Aufgabenstellungen („Wie ist Usecase X in Ihrem System abgebildet“) und strikt strukturierte Erfassungsbögen (unterstützte Vertragsarten oder Geschäftsvorfälle) miteinander kombiniert werden. Die große Herausforderung liegt im Design der Abfrageformate oder Formularen, sodass die Anbieter zwar die Informationen liefern, aber in einer effizient auswertbaren Form. 

Wie viel Zeit muss für solch einen Prozess eingerechnet werden und wie sinnvoll ist externe Unterstützung?

Im Finanzdienstleistungsbereich ist der Prozess in 3 – 4 Monaten durchführbar (für eine IT-Komponente mit mittlerer Bedeutung in der Gesamtlandschaft). In der Praxis zeigt sich, dass üblicherweise 9 – 12 Monate oder mehr benötigt werden. Die Gründe sind mannigfaltig und reichen von vermeintlichen „Banalitäten“, wie voller Kalender der Schlüsselpersonen, bis hin zur Beantwortung komplexer fachlicher Fragestellungen.

Zu starke Beschleunigung des Prozesses birgt die Gefahr, dass wichtige Punkte zu kurz behandelt werden. Das verschiebt die Auseinandersetzung mit dem designierten Anbieter auf einen späteren Zeitpunkt und schwächt die eigene Verhandlungsposition. Wird der Prozess zu lange ausgedehnt, besteht das Potential, dass „der Zug zum Tor“ verloren geht und das Gesamtvorhaben schlussendlich im Sand verläuft. 

Externe Unterstützung ist aus verschiedenen Aspekten sinnvoll: Einerseits erhalt man Prozess-Know-How und Marktexpertise. Gerade im Finanzdienstleistungsbereich ist der Markt oft kleinteilig und fragmentiert, was den initialen Rechercheprozess potenziell aufwändig macht. Andererseits ist die Rolle als „Trusted Advisor“ zur frühzeitigen Warnung bei Erkennen von Herausforderungen sehr wertvoll. Zuletzt kann der externe Dienstleister auch der „Beschleuniger“ sein, die gewünschte Prozessgeschwindigkeit zu erreichen.

Abschließend gilt: Das Design von Auswahlprozessen ist nicht trivial und fallspezifisch. Wie so häufig bei Veränderungen ist das Commitment der relevanten Managementebene mit entscheidend für den Erfolg.

Gerne unterstützen wir Sie mit unseren umfangreichen, interdisziplinären Erfahrungen und Praxisbeispielen und stehen bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung.

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Frank Waggershauser

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