Autohandel im Umbruch: Wie der Handel auf die Cooling-Off-Phase bei Restschuldversicherungen reagiert

Neue Spielregeln für den Versicherungsvertrieb im Autohaus

Mit der Einführung der siebentägigen Cooling-Off-Phase zum 1. Januar 2025 im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes geraten nicht nur Banken und Versicherer unter Zugzwang. Auch Autohäuser, die traditionell eine wichtige Rolle im Vertrieb von Finanzierungs- und Leasingprodukten inklusive Restschuldversicherungen (RSV) spielen, müssen ihre Vertriebsstrategien grundlegend überdenken. Denn der Direktverkauf von RSV am Point of Sale – bislang ein lukratives Zusatzgeschäft – wird durch die neue Wartefrist erheblich erschwert. Dies betrifft insbesondere Finanzierungen mit klassischer RSV, aber auch Leasingverträge mit optionaler Absicherung. Wie kann der Handel, insbesondere im Autohaus, darauf reagieren? Und welche strukturellen und prozessualen Anpassungen müssen dafür im RSV-Vertriebsprozess vorgesehen werden? Dies und mehr erläutern wir im dritten Teil unseres RSV-Blogs.

Warum ist der Fahrzeughandel besonders betroffen?

Laut einer repräsentativen BaFin-Umfrage erfolgt rund jede zehnte Verbraucherfinanzierung direkt im Autohaus – etwa beim Kauf eines Fahrzeugs über Händlerfinanzierung oder Leasing. Hierbei wurde die RSV häufig direkt im Verkaufsgespräch vermittelt – ein nahtloser Prozess mit hohem Convenience-Faktor für Kaufende und hoher Abschlussquote für Beschäftigte im Handel. Die Cooling-Off-Phase unterbricht diese situative Abfolge: Zwischen Finanzierungs- und Versicherungsabschluss muss nun eine Woche verstreichen – eine kritische Zeitspanne, in der die Kundschaft oft emotional und finanziell Abstand genommen hat.

Was sind mögliche, strategische Antworten des Autohandels auf die neue Regulierung und Cooling-Off-Phase?

Um Umsatzverluste abzufedern und die Kundenzufriedenheit zu sichern, kann der Autohandel mit folgenden Maßnahmen reagieren:

  • Vertrieb digitalisieren und Fristen intelligent überbrücken
    Digitale Kanäle eröffnen neue Wege zur Nachvermarktung. Automatisierte E-Mail-Kampagnen, Kundenportale und Erinnerungsfunktionen helfen, Kunden nach Ablauf der Cooling-Off-Phase gezielt und datenschutzkonform erneut anzusprechen und auch während der Cooling-Off-Phase mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben. Basierend auf unseren Erfahrungen, helfen aus Sicht des Handels insbesondere eingebettete Lösungen, wie Vertrags-Dashboards und individuelle Workflows je Kundengruppe, zur Erinnerung an gezielte Ansprache für die RSV nach der Cooling-Off-Phase. Zudem können Kunden und Kundinnen innerhalb der digitalen Antragsstrecke zum Vertragsabschluss bereits transparent zur RSV und den Möglichkeiten zum Abschluss informiert werden sowie die Mehrwerte des Produktes aufgezeigt bekommen. Die Implementierung eigener digitaler Vertriebslösungen können diese Aufgaben effizient übernehmen und dem Handel neue Cross-Selling-Potenziale eröffnen.
  • Verkaufspersonal rechtssicher und strategisch schulen
    Verkäuferinnen und Verkäufer müssen in der Lage sein, die neuen Regelungen korrekt zu erklären und gleichzeitig alternative Produkte überzeugend zu kommunizieren und positionieren. Ein klarer Nutzenfokus und eine differenzierte Kundenansprache sind entscheidend. Die RSV wird zukünftig nicht verkauft, sondern „vorbereitet“ – mit gezielter Information und dokumentierter Option im Kreditvertrag.
  • Kundenbindung über den Verkaufsabschluss hinaus stärken
    Weniger direkte Abschlüsse am Point of Sale erhöhen die Bedeutung für langfristige Kundenbeziehungen, da sich die Vertriebsaktivität nicht mehr nur auf einen Zeitpunkt, sondern auf einen Zeitraum – getrieben durch die Cooling-Off-Phase – beziehen muss. Autohäuser sollten verstärkt auf Services wie Wartungsverträge, Inspektionspakete, Treueprogramme oder App-basierte Betreuung setzen. Unsere Projekterfahrungen und Marktbeobachtungen zeigen, dass ein strukturierter After-Sales-Prozess, der Vertrauen schafft und regelmäßig den Kontakt zur Kundschaft wiederherstellt, zum neuen Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb wird.
  • Kooperation mit Spezialisten: Versicherungsvertrieb als Service
    Einige Autohäuser entscheiden sich bewusst dafür, sich aus dem zunehmend komplexen Versicherungsgeschäft zurückzuziehen und den Vertrieb an Spezialisten, wie Maklerpools oder Banken mit digitalen Vertriebsmodellen, zu übergeben. Diese Strategie ermöglicht es ihnen, den Vertrieb im Einklang mit Compliance-Vorschriften durchzuführen ohne eigene Ressourcen zu binden und gleichzeitig Zugang zu neuen Technologien und Dienstleistungen zu erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass die Auslagerung wesentlicher Teile des After-Sales-Vertriebs auf einer sorgfältigen Auswahl von Dienstleistungsunternehmen beruht, um sicherzustellen, dass alle technischen und fachlichen Anforderungen erfüllt werden und die Auslagerung die Effizienz und den Digitalisierungsgrad des After-Sales-Vertriebs tatsächlich verbessert.
  • Fokus auf alternative Zusatzprodukte mit Sofortnutzen
    Produkte wie Garantieverlängerung, Pannenschutz, Mobilitätsversicherung oder eigenständige Einkommensschutz-Module (nicht an den Kredit gekoppelt) gewinnen an Bedeutung. Diese lassen sich weiterhin direkt im Verkaufsprozess integrieren und bieten der Zielgruppe einen klaren Mehrwert – insbesondere in einem Markt, der zunehmend Wert auf Sicherheit und planbare Kosten legt.

Zusammenfassung: Vom Produktverkauf zur Kundenbeziehung

Die Einführung der Cooling-Off-Phase verändert den Verkaufsprozess im Autohaus grundlegend. Statt kurzfristiger Abschlüsse rücken nachhaltige Kundenbeziehungen, digitale Prozesse und individuelle Lösungen in den Vordergrund. Wer diese Entwicklung frühzeitig strategisch aufgreift, kann die regulatorischen Veränderungen nicht nur abfedern, sondern durch eine stärkere Kundenzentrierung, Prozessoptimierungen und innovative Services profitieren. Gerne unterstützen wir Sie mit unserer umfassenden, interdisziplinären Erfahrung und praktischen Beispielen bei der Optimierung Ihrer After-Sales-Strategie und Ihrer Vertriebsprozesse. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. 

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Teil 2: Restschuldversicherungen neu denken: Die Cooling-Off-Phase nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz als Chance für digitale Abschlussprozesse und Kundenorientierung

Teil1: Warum Banken und Versicherer jetzt handeln müssen: Die Cooling-Off-Phase für Restschuldversicherungen nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz im Überblick

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