Kreditrisiken, ESG-Regulierung, Metaverse – Was kommt 2022/23 auf die deutsche Finanzbranche zu?

Rekordinflation, geopolitische Krisen, rasant steigende Energie- und Rohstoffpreise, Klimakatastrohen, neue Pandemie-Wellen – die Herausforderungen und Unsicherheiten für die deutsche Finanzbranche haben sich seit Jahresbeginn deutlich verschärft. Welche strategischen Hebel sollten Banken und Sparkassen nun stellen?

1. Neue Kreditrisiken berücksichtigen

Angesichts der Rekordinflation im Euroraum beendete die Europäische Zentralbank (EZB) 2022 ihre jahrelange Nullzinspolitik und erhöhte im Juli und September die Leitzinsen. Dies lässt auf neue Erträge im Zinsgeschäft und eine steigende Profitabilität der Branche hoffen. Allerdings können steigende Leitzinsen auch zu schwächeren Kursnotierungen bei Aktien in den Depots der Banken und damit zu kurzfristigen negativen Ertragseffekten führen.

Außerdem stellt die Zinswende insbesondere für kleinere Institute ein zweischneidiges Schwert dar. Großbanken dürften schneller von der Zinswende profitieren als Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die während der Niedrigzinsphase zahlreiche Hypothekendarlehen mit längerfristigen Zinsbindungen von bis zu 20 Jahren vergeben haben. Für diese Häuser wird es länger dauern, bis der Zinsanstieg zu Buche schlägt.

Darüber hinaus kann es infolge der hohen Energie- und Rohstoffpreise und unterbrochener Lieferketten verstärkt zu Kreditausfällen kommen, sobald die staatlichen Finanzhilfen zur Bewältigung der Pandemie auslaufen. Zwar steht die Finanzbranche in puncto Risikovorsorge und Eigenkapital derzeit besser da als vor der Finanzkrise von 2008/09. Ein Ausfall größerer Engagements und entsprechende Dominoeffekte könnten für einzelne Häuser allerdings ernsthafte Probleme bringen.

2. Nachhaltige Neuausrichtung vorantreiben

In den nächsten Monaten werden weitere komplexe Regulierungen auf die Branche zukommen, die zügig umgesetzt werden müssen. Unter anderem tritt Anfang 2023 das Lieferkettengesetz in Kraft, das auch Banken betrifft.

Beim Mega-Thema Sustainable Finance stehen den Banken und Sparkassen eine Reihe von ESG-Offenlegungsvorschriften wie die SFDR, die CSRD und die Umsetzung der EU-Taxonomie ins Haus. Nach den jüngsten Vorwürfen zu „Greenwashing“ bieten diese Regulierungen und einheitliche Klassifizierungen die Chance, mehr Transparenz und Vertrauen an den Kapitalmärkten herzustellen. Durch verantwortungsvolles Lenken der Finanzströme, neue grüne Anlageprodukte und eine verstärkte Governance können die Häuser nicht nur neue Erträge generieren, sondern eine tragende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels übernehmen.

3. Konsequente digitale Transformation

    Die Banken und Sparkassen haben während der Pandemie ihre Frontend- Digitalisierung vorangetrieben. Da eine wachsende Zahl von Kund:innen in Deutschland ihre Bankgeschäfte zunehmend online statt in der Filiale erledigen, wurden Prozesse, Produkte und Services modernisiert.

    Allerdings existieren in vielen Kreditinstituten nach wie vor veraltete und komplexe IT-Architekturen, die einen enormen Kostenblock darstellen und dringend modernisiert werden sollten. Dies ist zwar mit Investitionen verbunden, doch lassen sich beispielsweise cloudbasierte IT-Systeme künftig leichter skalieren. Sie sorgen für effizientere Prozesse, mehr Datensicherheit und ermöglichen langfristig Einsparungen. Auch für die Öffnung gegenüber Dritten zur Entwicklung industrieübergreifender Anwendungsfälle für die Endkund:innen wäre dies ein essentieller Schritt.

    4. Weichen für das Web 3.0 stellen

      Der Blick über den Tellerrand zeigt: Die Evolution des Internets zum Web 3.0 oder Metaversum läuft bereits auf Hochtouren. Katalysatoren dafür sind innovative Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI), Virtual und Augmented Reality (VR/AR) sowie die Blockchain. Am Markt wird bereits mit virtuellen Vermögenswerten wie Non-Fungible Token (NFT) experimentiert.

      IT-Architekturen, die Nutzung von Daten und die Interaktion mit den Kund:innen rücken im virtuellen Metaverse in völlig neue Dimensionen vor. Auch mit Blick darauf wird es für die deutschen Banken und Sparkassen von wesentlicher Bedeutung sein, ihre digitale Transformation zügig end-to-end voranzutreiben, um weiterhin agil, innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben.

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      Dr. Holger Kern

      Dr. Holger Kern

      Partner, Leader Financial Services Consulting
      München

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