EBA konsultiert Leitlinien zur Definition von Anbietern von Nebendienstleistungen (EBA/CP/2025/11)
Konkretisierung der Abgrenzungskriterien
Am 7. Juli 2025 hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) das Konsultationspapier EBA/CP/2025/11 veröffentlicht, welches einen Entwurf zu neuen Leitlinien für die Definition sogenannter „Ancillary Services Undertakings (ASU)“ (deutsch: „Anbieter von Nebendienstleistungen“) enthält. Ziel der Leitlinien ist es, einheitliche Kriterien für die Einstufung solcher Unternehmen im Sinne des Artikels 4 Abs. 1 Nr. 18 CRR bereitzustellen. Die Veröffentlichung des Leitlinienentwurfs erfolgt im Rahmen der Umsetzung der geänderten Begriffsbestimmungen nach der CRR3 (Verordnung (EU) 2024/1623).
Einordnung und Hintergrund
Mit der Einführung der CRR3 wurden sowohl die Definition von „Anbietern von Nebendienstleistungen“ (Artikel 4 Abs. 1 Nr. 18 CRR) als auch jene des „Finanzinstituts“ (Artikel 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) überarbeitet. Hintergrund dieser Neuregelung ist der Wunsch nach aufsichtsrechtlicher Kohärenz auf europäischer Ebene. Nach Einschätzung der EBA haben uneinheitliche nationale Auslegungen bislang zu einer inkonsistenten Behandlung vergleichbarer Gruppenstrukturen geführt.
Artikel 4 Abs. 5 CRR verpflichtet die EBA daher, Leitlinien zur Identifikation relevanter Tätigkeiten zu veröffentlichen, um die neue Definition des „Anbieters von Nebendienstleistungen“ zu konkretisieren. Die Leitlinien sollen:
- eine einheitliche Anwendung innerhalb der EU sicherstellen,
- die aufsichtliche Vergleichbarkeit stärken,
- und auch neue Geschäftsmodelle, etwa im digitalen oder infrastrukturellen Bereich, systematisch einbeziehen.
Zentrale Inhalte des Leitlinienentwurfs
Die EBA strukturiert den Begriff anhand von drei voneinander unabhängigen Tätigkeitskategorien. Die Erfüllung einer dieser Kategorien ist ausreichend, um sich als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ zu qualifizieren:
1. Direkte Fortsetzung der Banktätigkeit (Artikel 4 Abs. 1 Nr. 18 a) CRR):
Hierzu zählen Tätigkeiten, die funktional Teil der Bankwertschöpfung sind oder banktypische Risiken beinhalten. Beispiele:
- Kreditvermittlung, Loan Servicing, Sicherheitenbewertung,
- Aktivitäten mit Fristentransformation, Leverage oder Kreditrisikotransfer (insbesondere durch Schattenbanken) oder
- digitale Formen der Kreditvergabe wie Crowdlending oder Peer-to-Peer-Plattformen.
2. Nebentätigkeit zur Banktätigkeit (Artikel 4 Abs. 1 Nr. 18 b) CRR):
Diese Kategorie konzentriert sich auf Aktivitäten mit funktionalem Bezug zur Banktätigkeit, die anhand von drei Schlüsselkriterien bewertet werden:
- Unterstützung („support“): Aktivitäten, die den Bankbetrieb verbessern (z. B. IT-Infrastruktur, Personalwesen, Risikomanagement),
- Ergänzung („complement“): Aktivitäten, die Cross-Selling ermöglichen oder das Bankproduktangebot ergänzen (z.B. spezifische Vertriebs- und Marketingkanäle, die dem Kundenstamm eines Instituts angeboten werden)
- Abhängigkeit („reliance“): Aktivitäten, die in hohem Maße von Finanzmitteln oder Dienstleistungen von Instituten innerhalb der Gruppe abhängig sind (z.B. Verwaltung von Kreditanträgen, Kreditrisikobewertung).
Beispiele hierfür sind die Immobilienverwaltung für Bankfilialen, das operative Leasing oder die interne Datenverarbeitung für Konzerngesellschaften.
3. Ähnliche Tätigkeiten (Artikel 4 Abs. 1 Nr. 18 c) CRR):
Die EBA behält sich das Recht vor, zusätzliche Tätigkeiten auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen Behörden als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ einzustufen. Dies soll Flexibilität bei der Berücksichtigung neu auftretender Risiken und neuer Geschäftsmodelle gewährleisten.
Bestimmung der Haupttätigkeit eines Unternehmens
Ein Unternehmen gilt nur dann als „Anbieter von Nebendienstleistungen“, wenn seine Haupttätigkeit unter eine der oben genannten Kategorien fällt. Der Leitlinienentwurf nennt hierfür folgende Schwellenwerte:
- ≥ 50 % der Erträge,
- oder ≥ 50 % der Bilanzsumme,
- oder ≥ 50 % der Mitarbeitenden sind Tätigkeiten eines „Anbieters von Nebendienstleistungen“ zuzuordnen.
Wird keines der genannten Schwellenwerte erreicht oder überschritten, können Aufsichtsbehörden einzelfallbezogen dennoch eine Einstufung als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ fordern.
Ausschlusskriterien
Unternehmen, die bereits aus anderen Gründen als „Institut“ oder „Finanzinstitut“ gemäß CRR3 gelten oder als reine Holding- bzw. Versicherungs-Holdinggesellschaften im Sinne der Solvency-II-Richtlinie (2009/138/EG) eingestuft werden, fallen nicht unter den Begriff eines „Anbieters von Nebendienstleistungen“. Ebenso sollen Verbriefungszweckgesellschaften nicht in den Anwendungsbereich einbezogen werden.
Handlungsempfehlung für Institute
Es handelt sich zwar um einen Leitlinienentwurf, je nach Größe und Komplexität der Konzernstruktur sollten Institute jedoch bereits jetzt aktiv werden, um die ggf. weitreichenden Auswirkungen absehen und Maßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können. Dabei stehen im Wesentlichen folgende Tätigkeiten im Fokus:
- Bestehende Auslegungen überprüfen: Institute sollten frühzeitig sicherstellen, dass die bestehenden internen Definitionen und Vorgaben mit den EBA-Kriterien konform sind. Unternehmen, die als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ eingestuft werden und somit seit Inkrafttreten der CRR3 als Finanzinstitute gelten, unterliegen den Konsolidierungsanforderungen nach Artikel 18 Abs. 2 CRR, was dazu führen könnte, dass eine erstmalige aufsichtsrechtliche Konsolidierung des betrachteten Unternehmensvorzunehmen ist oder für das betreffende Institut sogar erstmalig aufsichtsrechtliche Anforderungen auf Gruppenebene zu erfüllen sind.
- Dokumentationsstandards vereinheitlichen: Mit den EBA-Leitlinien ist ein erhöhter Anspruch an formalisierte und nachvollziehbare Dokumentationen zur Tätigkeitsanalyse verbunden. Frühere „implizite“ Zuordnungen sollten mit belastbaren Daten (z.B. Ertragsstruktur, Personalverteilung) untermauert werden.
- Konsistenz zwischen Tochtergesellschaften prüfen: Unterschiede bei der Einstufung von Tochtergesellschaften mit vergleichbarem Profil sollten vermieden oder begründet werden können.
- Aufsichtsdialog: Frühzeitige Einbindung der zuständigen Aufsicht zur Klärung von Auslegungsfragen – bspw. bei der Verwaltung von gemischt genutzten Immobilien oder bei der Berücksichtigung von Aktivitäten, die ein Unternehmen als Schattenbankunternehmen qualifizieren würden.
Fazit
Der Leitlinienentwurf zur Definition von „Anbietern von Nebendienstleistungen“ ist ein notwendiger Schritt zur Vervollständigung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben der CRR3. Im Zentrum steht dabei weniger eine inhaltliche Neudefinition als vielmehr eine verbindliche Systematisierung und ein erhöhter Anspruch an Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit.
Der Leitlinienentwurf stellt daher keinen grundlegend neuen Ansatz, aber eine deutliche Präzisierung bisheriger Bewertungsmaßstäbe zur Einstufung eines Unternehmens als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ dar. Einzelne der in der EBA-Konsultation enthaltenen Kriterien finden sich bereits in einem früheren, veröffentlichten Orientierungspapier der Deutschen Bundesbank wieder. Insbesondere bestimmte Vermittlungstätigkeiten oder Tätigkeiten in Bezug auf die Verwaltung von Immobilien sowie die Schwellenwertbetrachtung zur Bestimmung der Haupttätigkeit waren dort bereits skizziert.
Seitens der EBA wird ausdrücklich klargestellt, dass auch bestimmte Aktivitäten, die ein Unternehmen als Schattenbankunternehmen qualifizieren würden, – etwa Liquiditäts- oder Fristentransformation sowie strukturierte Risikotransfers – unter den Begriff der „direkten Fortsetzung der Banktätigkeit“ fallen können und damit eine Einstufung als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ erforderlich ist.
Darüber hinaus konkretisiert die EBA den funktionalen Bezug zur Banktätigkeit anhand der Kriterien „Unterstützung“, „Ergänzung“ und „Abhängigkeit“, was eine differenziertere Prüfung komplexerer Geschäftsmodelle ermöglichen soll. Zudem wird die Möglichkeit einer aufsichtlichen Einzelfallentscheidung bei Unterschreiten der Schwellenwerte klar hervorgehoben.
Wie geht es weiter?
Die Konsultation läuft bis zum 7. Oktober 2025. Institute sind gut beraten, sich frühzeitig mit dem Leitlinienentwurf auseinanderzusetzen, um ihre internen Vorgaben und Dokumentationsstands auf EBA-Konformität zu analysieren und die Einstufung gruppenangehöriger Unternehmen zu überprüfen.
Wenn Sie Unterstützung bei der Bewertung der Auswirkungen der spezifischen Kriterien, die ein Unternehmen als „Anbieter von Nebendienstleistungen“ qualifizieren können, oder bei der Bewertung Ihres aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreises gemäß CRR3 benötigen, wenden Sie sich gerne an unsere Regulierungsexperten.
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