EU-Green Deal & Fit-for-55-Paket: Wie Unternehmen jetzt handeln und Chancen nutzen sollten

Mit dem Green Deal will die Europäische Kommission die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent senken – daraus ergeben sich für Unternehmen nicht nur Verpflichtungen, sondern auch Chancen.

Der EU-Green Deal und das Fit-for-55-Paket prägen die nationale Gesetzgebung und Regulierung. Betroffen sind alle Bereiche eines Unternehmens und nahezu alle Sektoren. Vordergründig entstehen mehr Pflichten für Unternehmen, in dem Paket stecken aber de facto viele Chancen! In unserem Webcast am 25. Januar haben wir das Thema ganzheitlich beleuchtet – mit zahlreichen Expert:innen aus unserem Haus aber auch durch viele Fragen der über 200 Teilnehmer:innen. Dabei wurden unter anderem folgende Fragen geklärt: Wie richte ich das Unternehmen kurz- und mittelfristig vor dem Hintergrund einer vollkommen veränderten, regulatorischen Landschaft aus? Wie passen die Inhalte des Pakets zu meinem Geschäftsmodell und wie kann ich den Green Deal nutzen, um mich zu differenzieren und zukunftssicher aufzustellen?

Der EU Green Deal markiert den übergeordneten Rahmen, wie die Europäische Union das Ziel – der erste klimaneutrale Kontinent zu werden – in den kommenden Dekaden erreichen will. Mit dem Fit-for-55-Paket hat die EU-Kommission nun die ersten, greifbaren Rechtsakte vorgelegt. Wenig überraschend finden sich die zentralen Elemente des Pakets gleichermaßen – oder sogar noch ambitionierter – in der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“, welche kürzlich durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima vorgelegt wurde und welche zugleich das „Sofortprogramm“ der neuen Bundesregierung im Zusammenhang mit klimaschützenden Maßnahmen markiert.

Klimaschutz im nationalen und internationalen Kontext

Was genau ist Fit-for-55?

Fit-for-55 wird auch als Fitnessprogramm für europäische Klima- und Energiepolitik bezeichnet, um das Ziel zu erreichen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Mit dem Paket will die EU ihre Klima- und Energiegesetze an die neuen Klimaziele anpassen – in diesem Zusammenhang sollen bestehende Regelwerke angepasst (z. B. im Bereich Emissionshandel) und auch neue Gesetzesvorschläge (z. B. EU-Waldstrategie, CO2 – Carbon Border Adjustment Mechanism, Climate Social Funds) vorgestellt werden. Angestrebt ist die altbekannte Trias aus:

  • verschärften Klimazielen,
  • marktorientierten Maßnahmen und
  • Ordnungsrecht.

In diesem Zusammenhang bestehen große Erwartungen an die französische Ratspräsidentschaft, das ambitionierte Programm stark voranzutreiben – die EU soll eine Vorreiterrolle im internationalen Kontext bei ESG-Regulatorik einnehmen.

Welche Auswirkungen hat das Paket auf Deutschland?

Die deutsche Klimapolitik ist eng mit der EU-Klimapolitik verbunden. Neben der Reduzierung von Treibhausgasemissionen strebt die EU einen Ausbau der erneuerbaren Energien um 40 Prozent und eine Senkung des Energieverbrauchs um mindestens 9 Prozent an. Die Ziele der Bundesregierung orientieren sich an diesen Vorgaben und gehen teilweise darüber hinaus:

  • Treibhausgasemissionen in Deutschland sollen bis 2030 um 65 Prozent reduziert werden.
  • Klimaneutralität wird bis 2045 angestrebt, also fünf Jahre vor der EU.
  • Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung soll bereits in 2030 ambitionierte 80 Prozent betragen.

Dabei greift das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima auch viele Maßnahmen des Fit-for-55-Pakets auf. Deutschland soll aus Sicht der Bundesregierung eine klare Vorreiterrolle in Europa einnehmen. Daher wird jetzt ein Klimaschutz-Sofortprogramm erarbeitet mit dem Ziel, alle Sektoren (Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft) auf den angestrebten Zielpfad der Klimaneutralität zu bringen und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten. Gerade aus Sicht der Energiewirtschaft aber auch der energieintensiven Industrie sind der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Rahmenbedingungen zur Dekarbonisierung von zentraler Bedeutung:

  • Anhebung der Ausbauziele für erneuerbare Energien, Kohleausstieg bis (optimalerweise) 2030, neues Strommarktdesign (Steuerung Anreize und Belastungen), Solarbeschleunigungspaket (Solarpflicht), Wind an Land Gesetz, Vorrang bei Flächenplanung, Beschleunigung Genehmigungsverfahren
  • Jedes Bundesland soll 2 Prozent seiner Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen; Vorgaben für Abstandsflächen sollen angepasst werden
  • Ambitionierte Ausgestaltung des Emissionshandels, Förderung von klimafreundlichen Technologien durch Carbon Contracts for Difference und Auflage eines Transformationsfonds zur Finanzierung der Investitionen
  • Wasserstoffstrategie: Aufbau Wasserstoffproduktion in Deutschland und internationale Energiepartnerschaften für klimaneutralen Wasserstoff, Verdopplung der Ausbauziele und Einführung neuer Förderprogramme
  • Wärmestrategie: 50 Prozent klimaneutrale Wärmeerzeugung bis 2030

Die Immobilienbranche adressiert das Klimaschutz-Sofortprogramm vor allem mit drei Vorhaben:

  1. Solarstromerzeugung auf gewerblichen (Neu-)Bauten soll zur Pflicht, für Privathaushalte beim Neubau zur Regel werden (Anpassung des Baurechts und Erleichterungen bei Mieterstrommodellen).
  2. Gebäude sollen energieeffizienter gebaut und saniert werden („Wärmestrategie“). Möglich werden soll dies unter anderem mit kommunalen Wärmenetzen und verstärkter Sanierung zur Senkung des Energieverbrauchs.
  3. Zudem soll u.a. das Gebäudeenergiegesetz überarbeitet werden (u.a. soll ab 2025 jede neu eingebaute Heizung mit mind. 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden); die Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) soll flankierend Impulse setzen.

Live aus Frankfurt mit über 200 Unternehmen im Webcast

Wie und wo sind Unternehmen betroffen?

Die Befassung mit Klimaschutz im Unternehmen wird durch drei zentrale Stakeholder ausgelöst: die Kunden, die Kapitalgeber und eben die öffentliche Hand durch neue Gesetze und Regulierung. Dabei bedingen sich diese Einflüsse teilweise gegenseitig: so führt eine stärkere Klima-Regulierung der Finanzbranche zu veränderten Kreditentscheidungen und -konditionen. Gerade in der Stakeholdergruppe „Kunden“ führt die Klimadebatte aber auch zu Chancen. Die Werte der Konsument:innen verändern sich drastisch und wie ein Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht wird mittelfristig über Erfolg oder Misserfolg einer Marke entscheiden. Eine systematische Befassung mit dem Sinn und Zweck einer Regulierung kann insofern auch zu zukünftigen Wettbewerbsvorteilen führen.

Gerade diese systematische Befassung bedingt aber auch, das Thema im Unternehmen ganzheitlich zu denken. Nachhaltigkeit – ESG – betrifft dann alle Bereiche eines Unternehmens, von der Beschaffung über eigene Operations, die grundsätzlichen Geschäftsmodelle und die „customer experience“ bis hin zur Belieferung der Kunden. Da gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität erhalten werden müssen, ist es entscheidend, dass Unternehmen ihre gesamte Strategie darauf ausrichten, die notwendigen Transformationsprozesse hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu planen und dann auch operativ umzusetzen. Dann und nur dann können Unternehmen aktiv gestalten und Innovationspotenziale frühzeitig erkennen, statt reaktiv regulatorische Vorgaben umzusetzen.

Was können Unternehmen tun?

Einerseits steht die Frage im Raum, wie Unternehmen ihren Einfluss auf die Welt verändern können. Hierzu gehören die Reduzierung der eigenen Emissionen, aber auch die der Lieferanten und Kunden. Erste Unternehmen gehen bereits soweit, dass sie sich verpflichten, ihre gesamten (auch historischen) Lebenszeit-Emissionen zu kompensieren und somit insgesamt „carbon neutral“ zu sein. Andererseits stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich aus dem Klimawandel auf Unternehmen ergeben. Exemplarisch kann dies die Chance der Logistikbranche sein, die Nachfrage nach klimaneutralem Transport zu bedienen, aber auch das Risiko für Produktionsstandorte durch Naturkatastrophen.

Im Klimakontext existieren diverse Rahmenwerke als Orientierung, wie, bspw. das “GHG-Protocol” oder die “Science-Based-Targets-Initiative”, an denen Unternehmen sich bei der Aufstellung und Erreichung ihrer Klimaziele orientieren können. Ein erster Schritt sollte in der Regel das sogenannte „Baselining“ sein, also eine exakte Erhebung des Greenhouse-Gas-Footprints. Dies kann als Grundlage genutzt werden, um Ziele zu definieren, die zur Senkung der THG-Emissionen und darauffolgenden Transformationsmaßnahmen beitragen. Diese sind nämlich notwendig, um diese Ziele auch zu erreichen. Sie sollten dann so konkret wie möglich ausgestaltet werden und dann messbar umgesetzt werden.

Wie gehen Banken und Investoren mit dem Thema um?

Banken und Investoren sind grundsätzlich bereit, Finanzmittel für die Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem bereitzustellen. Derzeit und den regulatorischen Anforderungen aus der EU-Taxonomie folgend, werden Strukturen und Prozesse etabliert, um die entsprechenden Finanzierungen klassifizieren zu können. Zudem werden zunehmend Beratungsangebote für die Realwirtschaft etabliert mit der Zielsetzung, insbesondere Firmenkunden bei der Ableitung ihres nachhaltigen Finanzierungsbedarfs zu beraten. Nicht zuletzt werden auch Strukturen für die Emission von Green Bonds für Kunden als auch für die eigene Refinanzierung aufgebaut.

Zudem ist aktuell die Nachfrage nach “nachhaltigen” Investitionsmöglichkeiten sehr hoch – das Angebot aber verhältnismäßig noch gering.

Zusammenfassend kann man sagen: Durch das Fit-for-55-Paket entstehen Pflichten für Unternehmen, weshalb eine Befassung mit dem Thema Klimaschutz im engeren und Nachhaltigkeit im weiteren Sinne ohnehin unabdingbar ist. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, das Paket zu nutzen, um das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich und chancenorientiert zu denken. Indem man beispielsweise seine Marke dadurch differenziert, neue Märkte erschließt oder die eigene Wettbewerbsfähigkeit verbessert. All dies ist möglich, wird in Teilen durch die öffentliche Hand gefördert und ermöglicht exzellenten Zugang zu Finanzmitteln!

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Folker Trepte

Folker Trepte

Partner, Leiter Energiewirtschaft
München

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