Emissionsfreie Lkw-Antriebe werden auch wirtschaftlich attraktiver
Der Druck auf Lkw-Hersteller und Flottenbetreiber wächst, in Elektroantriebe zu investieren. In der Praxis hakt es vor allem an der Infrastruktur.
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, müssen die Emissionen im Straßengüterverkehr drastisch sinken. Mittel- und langfristig wird dies nur mit Fahrzeugen funktionieren, die batterieelektrisch oder mit Wasserstoff betrieben werden. Der Druck auf Hersteller und Flottenbetreiber, in emissionsfreie Lkw zu investieren, steigt. Dabei werden Elektrofahrzeuge auch wirtschaftlich attraktiver und die Reichweite wächst. Engpässe gibt es jedoch noch bei der Lade-Infrastruktur. Lesen Sie im aktuellen Beitrag meines Kollegen, Daniel Haag, was das für Unternehmen bedeutet.
Der Straßenverkehr ist für ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Um die Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen und bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden, müssen die Emissionen im Straßengüterverkehr bis 2030 um 26 Prozent sinken. Das zeigen Szenarien des Umweltbundesamtes und des Thinktanks Agora Energiewende.
Auch aus geopolitischer Perspektive ist eine Dekarbonisierung dringend nötig: Der Straßenverkehr ist durch den Dieselbedarf einer der größten Abnehmer für russische Erdölexporte. Mit einer Dekarbonisierung lassen sich also zwei Ziele gleichzeitig erreichen: Klimaschutz und Reduktion der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.
Wie lässt sich der Straßengüterverkehr dekarbonisieren?
Gemeinsam mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) haben wir in unserem Projekt „Pathways to Paris“ analysiert, wie sich der Straßengüterverkehr dekarbonisieren lässt – mit folgenden Ergebnissen: Als Brückentechnologien kommen bis 2030 vor allem Hybridisierung, Bio-CNG und Bio-LNG in Frage. Mittel- und langfristig lässt sich eine weitgehende Dekarbonisierung des Güterverkehrs nur erreichen, wenn die Fahrzeuge batterieelektrisch oder mit Wasserstoff betrieben werden.
Lkw-Hersteller treiben emissionsfreie Flotten (langsam) voran
Die Lkw-Hersteller treiben das Projekt emissionsfreier Flotten voran. Bis 2025 sollen rund sieben Prozent der verkauften Lkw emissionsfrei fahren, bis 2030 sogar 43 Prozent, so die Berechnungen des Thinktanks Transport & Environment. Das reicht jedoch nicht aus! Um die Netto-Null zu erreichen, müsste der Anteil emissionsfreier Lkw bei den Neuzulassungen 2030 bereits bei über 60 Prozent liegen, so das Szenario von Agora Energiewende.
Flottenbetreiber sind noch skeptisch
Dazu kommt: Bei den Flottenbetreibern herrschen zudem noch Unsicherheiten und Skepsis, was die Nutzung emissionsfreier Transportfahrzeuge anbelangt. Das zeigt eine Studie unserer Strategieberatung Strategy&: Demnach gehen nur 13 Prozent der Betreiber davon aus, dass die Anzahl elektrifizierter Fahrzeuge in ihrer Flotte bis 2030 stark zunimmt. Mit Blick auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge rechnen sogar nur drei Prozent der Flottenbetreiber mit einem starken Zuwachs.
Batteriebetriebene Lkw auch wirtschaftlich attraktiv
Hinter dieser Skepsis stecken auch die vermeintlich hohen Kosten. Batteriebetriebene Lkw werden 2030 zwar tatsächlich teurer in der Anschaffung sein als Diesel-Lkw, weil die Antriebskosten höher ausfallen. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn: Betrachtet man die gesamten Kosten – also die Total Cost of Ownership (TCO) – für schwere batteriebetriebene Lkw, dann fallen die Kosten um rund ein Viertel niedriger aus als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Der Grund: Die Energie-, Instandhaltungs- und CO2-Kosten sowie Mautgebühren fallen niedriger aus und machen den höheren Anschaffungspreis dadurch mehr als wett. Wenn die Fahrzeuge entsprechend ausgelastet sind, wird also auch der batteriebetriebene Lkw wirtschaftlich attraktiv.
Fortschritte bei der Reichweite
Fortschritte vermelden die Hersteller auch in puncto Reichweite: Sie tüfteln seit einiger Zeit an truckspezifischen Batteriekonzepten und verbessern insbesondere die Batteriechemie und das Zelldesign. Mit Erfolg: Der batteriebetriebene Truck von Futuricum schaffte bei einem Test kürzlich eine Strecke von 1.000 Kilometern.
Engpässe bei den Ladepunkten
Insbesondere auf Langstrecken gibt es jedoch noch Engpässe bei den Ladestationen: Die Kapazitäten der einzelnen Ladepunkte sind zu niedrig, die Kosten für den Bau von Megawatt-Schnelladern zu hoch.
Auch beim Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur für die Versorgung von Brennstoffzellen-Lkw gibt es noch einiges zu tun: Um den Lkw-Fernverkehr abzudecken, würden Berechnungen zufolge rund 100 bis 140 Wasserstofftankstellen in Deutschland ausreichen; europaweit müssten es zwischen 800 und 1.000 sein.
Hohe Investitionen in die Infrastruktur nötig
Um die Infrastruktur für einen klimaneutralen Transportbetrieb in Europa auszubauen, werden also hohe Investitionssummen fällig. Berechnungen gehen von einer Investitionssumme von insgesamt 30 bis 40 Milliarden Euro aus.
Fazit: Was OEMs und Flottenbetreiber jetzt tun sollten
Die Anforderungen an einen klimaneutralen Gütertransport auf der Straße sind hoch – aber alternativlos. Jetzt sind sowohl die OEMs als auch die Flottenbetreiber gefragt, den Prozess der Dekarbonisierung voranzutreiben, indem sie Strategien entwerfen, Konzepte erstellen und diese in Leuchtturmprojekten testen und in der Breite umsetzen.
Bei diesem Prozess kommt es auf drei Punkte besonders an:
- die Reichweite im Echtbetrieb realistisch einschätzen,
- Betriebskonzepte für verschiedene Einsatzbereiche entwickeln und
- die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur voranzutreiben.
Dieser Beitrag basiert auf dem DVZ Artikel “Lkw-Antriebe: Der Druck auf die Logistik wächst” vom 04.04.2022.
Weiterführende Links:
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