Wasserstoff marsch – auf hoher See!

Wieso sich die Nordsee perfekt als Basis für eine regionale Wasserstoffproduktion eignet.

Über Wasserstoff als erneuerbarer Energieträger wurde in den vergangenen Jahren viel gesprochen, aber lange Zeit passierte wenig. Das ändert sich jetzt! An vielen Orten entstehen aktuell Pilotanlagen für grünen Wasserstoff. Besonders vielversprechend sind Projekte zur Umwandlung von Windstrom in Wasserstoff auf hoher See.

An vielen Orten entstehen gerade Pilotanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Die Mehrheit dieser Anlagen produziert noch weitgehend isoliert und bedient regionale Projekte, etwa im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.

Um die Klimaziele zu erreichen, die die Politik unter dem Schlagwort der Zeitenwende aktuell ausruft, müssen diese Pilotanlagen dringend hochskaliert werden. Denn nur so können sie wettbewerbsfähig produzieren. Der Schlüssel dafür heißt Vernetzung: Es braucht eine physische Pipeline-Infrastruktur an Land und in Nord- und Ostsee sowie neue Wasserstoffprojekte, die Produktion, Transport und Nutzung ganzheitlich denken.

Offshore-Elektrolyse als attraktive Alternative

Bisher wird Windenergie in küstennahen Windparks direkt verstromt, um sie dann entweder ins Netz einzuspeisen oder mit Hilfe eines Elektrolyseurs grünen Wasserstoff zu erzeugen. Weil die Küstengebiete jedoch nur begrenzt für Windparks nutzbar sind, werden Windanlagen auch immer weiter auf See errichtet. Für den Abtransport des dort erzeugten Stroms sind immer längere Kabel nötig. Die Folge: Die Investitions- und Wartungskosten steigen.

Um diese Kostenspirale zu umgehen, testen erste Unternehmen eine vielversprechende Alternative: die Offshore-Elektrolyse. Bei diesem Verfahren wird Windstrom direkt auf hoher See in Wasserstoff umgewandelt – und zwar auf Plattformen, Schiffen oder Inseln. Erdgaspipelines, die bereits in großer Zahl auf dem Boden der Nordsee liegen, kommen zum Einsatz, um das Gas abzutransportieren.

Vorhandene Infrastruktur nutzen

Ein anderer Ansatz ist FPSO: Die Abkürzung steht für floating production, storage, and offloading. Das Konzept ist in der Öl- und Gasindustrie längst etabliert. Hierbei werden Produktion, Lagerung und Transport auf Schiffen gebündelt, die mit LNG-Tankern vergleichbar sind. Die Schiffe steuern LNG-Terminals an und fahren dann wieder zu den Hochsee-Windparks zurück.

Dieses Vorgehen bietet eine Reihe von Vorteilen: Die Infrastruktur ist bereits vorhanden und muss nur angepasst werden. Dazu kommt: Schwimmende Lösungen können schnell umgesetzt werden. So soll das Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven im Dezember 2022 in Betrieb gehen.

Das Rad nicht neu erfinden

Diese Beispiele zeigen: In Sachen Technologie müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr lassen sich bereits bestehende Konzepte und Sektoren geschickt miteinander verknüpfen. So erschließen Offshore-Betreiber das Gasgeschäft, während Chemiekonzerne ins Offshore-Windgeschäft einsteigen, um grünen Strom und bald womöglich auch grünen Wasserstoff zu erzeugen.

Ich bin davon überzeugt: Die Nordsee ist perfekt dafür geeignet, die Basis für eine regionale Wasserstoff-Produktion zu bilden. Damit können wir der Energiewende zusätzlichen Schwung verleihen und kommen dem Ziel der Energieunabhängigkeit ein Stück näher. Das stärkt die wirtschaftliche und politische Resilienz Deutschlands.

Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag im Handelsblatt vom 02.11.2022, S. 22 (Onlinequelle).

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Prof. Dr. Jürgen Peterseim

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