EZB- und EIOPA-Diskussionspapier zu “Policy options to reduce the climate insurance protection gap” – aktuarielle Anknüpfpunkte

Im April 2023 haben EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) und EZB (Europäische Zentralbank) ein gemeinsames Diskussionspapier unter dem Titel „Policy options to reduce the climate insurance protection gap“ veröffentlicht, in dem es um mögliche Ansätze zur Schließung der Schutzlücke bei der Klimaversicherung handelt. Darin lassen sich Anknüpfpunkte für die aktuarielle Arbeit erkennen.

Es wird erwartet, dass extreme Wetter- und Klimaereignisse häufiger und heftiger auftreten werden, was erhebliche makroökonomische Auswirkungen haben wird. Derzeit ist nur etwa ein Viertel aller klimabedingten Katastrophenschäden in der Europäischen Union versichert, in einigen Ländern liegt die Zahl sogar unter 5% - Deutschland gehört dabei zu den Ländern, die mit über einem Drittel den europaweiten Schnitt anheben. Diese Lücke im Versicherungsschutz könnte sich mittel- bis langfristig infolge des Klimawandels vergrößern, unter anderem weil die Preisgestaltung von Versicherungsverträgen als Reaktion auf immer häufigere und intensivere Ereignisse dazu führen kann, dass der Versicherungsschutz unbezahlbar wird. Daher sehen die Autoren des gemeinsamen Diskussionspapiers in der Beseitigung dieser Versicherungsschutzlücke erhebliche wirtschaftliche Vorteile.

Das Diskussionspapier erörtert den sog. "Ladder Approach", bei dem der Anteil der Verluste aus Naturkatastrophen angegeben wird, der von verschiedenen Parteien auf verschiedenen Schadenebenen getragen wird, um die Schutzlücke bei der Klimaversicherung zu verringern.

Privatwirtschaftliche Versicherungslösungen sollten gemäß dem Paper die erste Verteidigungslinie sein, um Verluste aus klimabedingten Naturkatastrophen zu decken, und können durch finanzmarktorientierte Lösungen wie Katastrophenanleihen als eine Art von versicherungsgebundenen Wertpapieren (ILS), die das Versicherungsrisiko auf Kapitalmarktinvestoren übertragen und damit die Lücke im Versicherungsschutz für Klimarisiken verringern. Die Berücksichtigung solcher Kombinationen aus klassischer Versicherung und dem Kapitalmarkt erfordert die Umsetzung im Pricing durch Wissen von Expert:innen, um den Versicherungsnehmer dran teilhaben zu lassen.

Das Papier weist auch darauf hin, dass Anreize zur Risikominderung und -anpassung angeboten werden sollten, z.B. durch die Förderung des Risikobewusstseins und das Angebot risikobasierter Anreize in Verbindung mit Prämien. Neue Denkansätze für die Berücksichtigung solcher Anreize bei der Produktentwicklung und Preisgestaltung sind erforderlich und stellen die Versicherungsmathematiker vor besondere Herausforderungen. Weiterhin müssen Underwriting Guidelines angepasst und die zu benutzenden IT-Systeme angepasst werden, um die damit einhergehenden erweiterten Funktionalitäten für Pricing, Underwriting und Risikomanagement zur Verfügung stellen zu können.

Gegenwärtig wird die öffentliche Unterstützung (dritte und vierte Ebene im Ladder-Approach) im Falle von Naturkatastrophen häufig in Form von Soforthilfen geleistet, die nach dem Eintritt einer Katastrophe vereinbart werden. Das Papier enthält daher auch die klare Botschaft, dass der öffentliche Sektor (dazu gehören auch öffentlich-private Partnerschaften sowie die EU-weite Komponente) sich auf entsprechende Eventualverbindlichkeiten vorbereiten sollte, indem er seine Ex-ante-Katastrophenrisikomanagementstrategie verbessert. Dies erfordert eine enge und proaktive Zusammenarbeit zwischen Versicherern und dem öffentlichen Sektor, um die Lücke im Klimaversicherungsschutz zu verringern. Die Expertise der Aktuare in Bezug auf vorausschauende Klimaszenarien und die daraus resultierenden Schäden zur ausreichenden Bestimmung des Bedarfes wird dabei hier zukünftig eine wachsende Rolle spielen.

Insgesamt zeigen sich damit Anknüpfpunkte für die aktuarielle Arbeit im Themenspektrum von Produktgestaltung bis Risikomanagement. Dies bettet sich damit auch implizit in die aktuellen Aktivitäten EIOPAs zur Produkt-Oversight ein (vgl. exemplarisch unseren kürzlichen Blogbeiträge zur differenzierten Preisgestaltung bzw. Impact Underwriting). Gleichzeitig wird die Bedeutung von Klimaszenarien unterstrichen, die auch im Zusammenhang mit ORSA aktuell diskutiert werden (vgl. unseren Blogbeitrag zur GDV-Publikation vom März diesen Jahres zu ORSA-Klimaszenarien).

Wenn Sie mehr über unsere integrierten aktuariellen Dienstleistungen zu den erhöhten Anforderungen an den Klimawandel im Versicherungsbereich und darüber hinaus sowie zur Entwicklung von Versicherungsprodukten und der diesbezüglichen Oversight und Governance erfahren möchten, wenden Sie sich an unsere Expert:innen von Actuarial Risk Modelling Services.

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Dr. Alexander Dotterweich

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