Destatis veröffentlicht neue Sterbetafel – Lebenserwartung in Deutschland gesunken
Zwar hat sich in Deutschland die Lebenserwartung seit Ende des 19. Jahrhunderts mehr als verdoppelt, dieser Wachstumstrend hat jedoch einen Dämpfer erhalten.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat am 25. Juli die Sterbetafel 2020/2022 veröffentlicht. Zwar hat sich in Deutschland die Lebenserwartung seit Ende des 19. Jahrhunderts mehr als verdoppelt, dieser Wachstumstrend hat jedoch einen Dämpfer erhalten. Die aktuelle Auswertung steht unter dem Eindruck der Corona-Pandemie der letzten Jahre: geschlechtsunabhängig hat sich die Lebenserwartung bei Geburt im Vergleich zum letzten Vorpandemiejahr 2019 um 0,6 Jahre deutlich verringert. Neugeborene Mädchen können laut der neuen Sterbetafel 2020/2022 statistisch gesehen damit rechnen, 82,9 Jahre alt zu werden, während neugeborene Jungen mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78,2 Jahren rechnen können. Bei den weiblichen Neugeborenen war somit ein Rückgang von fast 0,3 Jahren und bei den männlichen von 0,04 Jahren zu beobachten.
Zwischen 2020 und 2022 wurden insgesamt etwa 140 000 bis 200 000 zusätzliche Sterbefälle im Vergleich zur vorherigen durchschnittlichen Entwicklung in Deutschland erfasst, beim Robert Koch-Institut wurden in diesem Zeitraum insgesamt etwa 164 000 COVID-19-Todesfälle registriert. Gleichzeitig wurden 2020 und 2021 weniger Sterbefälle durch andere Infektionskrankheiten wie beispielsweise die Grippe erfasst, im Jahr 2022 wirkten sich der außergewöhnlich warme Sommer mit vermehrten Hitzetoten sowie eine starke Grippewelle zum Jahresende auf die Sterbefallzahlen aus.
Aus den Zahlen von Destatis geht zudem ein deutlicher regionaler Unterschied hervor. Baden-Württemberg verzeichnet als Spitzenreiter für neugeborene Mädchen mit 84,1 Jahren eine um knapp zwei Jahre höhere Lebenserwartung als das Saarland (82,1 Jahre), bei Jungen liegt ebenfalls Baden-Württemberg mit 79,7 Jahren mit fast doppelt so hohem Abstand deutlich vor Schlusslicht Sachsen-Anhalt (75,8 Jahre). Insgesamt ist die Lebenserwartung in Ost- niedriger als in Westdeutschland, das Niveau gleicht sich jedoch an.
Bei der regelmäßig von Destatis als amtliche Statistik veröffentlichten Sterbetafel handelt es sich um eine Periodensterbetafel, d.h eine Momentaufnahme der Verhältnisse der gesamten Bevölkerung für den Beobachtungszeitraum. Nach Angaben von Destatis basiert die Auswertung auf den Daten über die Gestorbenen und die Durchschnitts-Bevölkerung der letzten drei Jahre. Hieraus können keine Annahmen hinsichtlich der Entwicklung der Sterblichkeitsannahmen für die Zukunft abgeleitet werden.
Zudem ist diese Erhebung nicht für die Tarifkalkulation und Reservierung von Versicherungsunternehmen maßgeblich. Lebensversicherer und Pensionseinrichtungen sind vom Gesetzgeber verpflichtet, ihre Versicherungstarife vorsichtig zu kalkulieren, da sie bei Renten- oder Lebensversicherungsverträgen langfristige Garantien aussprechen. Hierzu greifen sie auf eigene Statistiken bzw. die Ausscheideordnungen der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zurück. Diese Tafeln berücksichtigen insbesondere Sicherheitszuschläge, so dass die Daten der DAV zur Sterblichkeit der Versicherten von den der Destatis-Auswertung zugrundeliegenden Zahlen der Gesamtbevölkerung abweichen. Vor dem Hintergrund des Langlebigkeitstrends hatte die DAV erst im Mai ihre jährliche Empfehlung zum Trendansatz in der Bewertungstafel DAV2004R-Bestand veröffentlicht.
Insgesamt zeigt sich, wie stark die Lebenserwartung von sozioökonomischen und medizinischen Faktoren abhängt, aber auch die Entwicklung der Hitzetoten lässt den potentiellen Einfluss des Klimawandels erkennen. Aktuare aus verschiedenen Bereichen innerhalb der Unternehmen werden daher hier verstärkt ein Augenmerk auf die zukünftige Entwicklung insbesondere für Produktentwicklung, Bewertung und Risikomanagement legen müssen. Dabei gilt es im Sinne einer angemessenen Governance dem jeweiligen Betrachtungszweck entsprechend, Verfahren zur angemessenen Berücksichtigung langfristiger Trends und den damit einhergehenden Unsicherheiten anzuwenden.
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