Neue Herausforderungen an das Produktfreigabeverfahren

Verbraucherschutz zählt zu den Zuständigkeiten der europäischen wie nationalen Aufsichtsbehörden.

Die entsprechende Regulierung für Unternehmen, die Versicherungsprodukte konzipieren, wurde in den letzten Jahren zunehmend präzisiert – in unserer aktuellen Blogreihe vertiefen wir verschiedene Themenbereiche der kürzlichen EIOPA- sowie BaFin-Vorgaben. Lesen Sie im aktuellen Beitrag mehr über allgemeine Aspekte des Produktfreigabeverfahrens.

Gemäß der im Februar 2018 eingeführten §§ 23 Abs. 1a–1d VAG, durch die Art. 25 Abs. 1 und 4 der EU-Vertriebsrichtlinie IDD nahezu wörtlich umgesetzt werden, sind Unternehmen seither dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Geschäftsorganisation ein internes Produktfreigabeverfahren zu unterhalten und zu überprüfen. Das im Mai 2023 veröffentlichte BaFin Merkblatt 01/2023 (VA) zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten knüpft an das Supervisory Statement on assessment of value for money of unit-linked insurance products der EIOPA an und zielt darauf ab, Herstellern und Vertreibern von kapitalbildenden Lebensversicherungen Klarheit über die Bewertung ihres Wohlverhaltens zu schaffen.

Leitplanken des Produktfreigabeverfahrens

Die mit dem Merkblatt verbundenen Anforderungen erstrecken sich von der Definition eines Zielmarktes über die Feststellung des Kundennutzens vertriebener Produkte bis zum fortlaufenden Produktmonitoring:

  • Im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens sind Lebensversicherungsunternehmen (LVUs) dazu verpflichtet, den Zielmarkt von betrachtenden Produkten zu identifizieren und sicherzustellen, dass das Produkt den Bedürfnissen der Kunden dieses Marktes entspricht.
  • Ein zentraler Aspekt dieser Prüfung besteht in der Bestimmung des Kundennutzens und des Preis-Leistungs-Verhältnisses aus der Perspektive des Kunden. Hierbei sind wichtige Produkteigenschaften zu berücksichtigen, wie die Überschussbeteiligung und – bei fondsgebundenen Lebensversicherungen – die Auswahl der Fonds und die Fonds-Rückvergütungen. Dafür müssen alle relevanten Produkteigenschaften im Vorfeld identifiziert und festgehalten werden. Für die Bestimmung des Kundennutzens muss eine zielmarktorientierte Perspektive unter Berücksichtigung externer Einflussfaktoren, worunter auch steuerliche Rahmenbedingungen fallen, eingenommen werden. Zudem sollten für die Bewertung Szenarioanalysen, Renditeziele und eine ausreichende Anzahl von typischen Vertragskonstellationen einbezogen werden.
  • Das Produktfreigabeverfahren sieht dabei eine regelmäßige Überprüfung (Monitoring) vor, die auch nach der erstmaligen Freigabe erfolgt, um zu beurteilen, ob das Produkt dem Bedarf des festgelegten Zielmarkts weiterhin gerecht wird und die Vertriebsstrategie immer noch tauglich erscheint.

Darüber hinaus beschreibt das Merkblatt weitere Anforderungen, so müssen die LVUs vorzeitige Vertragsbeendigungen beim Produktfreigabeverfahren und insbesondere bei den Analysen berücksichtigen und sicherstellen, dass das Produkt auch bei vorzeitiger Beendigung dem Kunden in angemessener Weise nutzt. Präzisierend wird für die Kosten-Leistungsanalyse die Anforderung ausgesprochen auf Effektivkosten einzugehen, um sicherzustellen zu können, dass das Renditeziel unter verschiedenen Szenarien erreicht wird. Die LVUs müssen laut Merkblatt zwecks Vermeidung von Fehlanreizen überdies prüfen, ob Rückvergütungen angemessen sind und diese bei der Produktgestaltung entsprechend ausgleichen.

Unternehmen sollten diese Anforderungen sorgfältig umsetzen, um den Verbrauchern transparente, bedarfsgerechte Lebensversicherungsprodukte anzubieten. Dieser Ansatz soll nicht nur zur Verbesserung der Transparenz beitragen, sondern auch die Vergleichbarkeit der Produkte für den Verbraucher fördern.

Auswirkungen

Die neuen Hinweise werden zahlreiche Auswirkungen auf bestehende Versicherungsprozesse haben. Viele Versicherungsunternehmen werden ihre Produktfreigabeprozesse überarbeiten und erweitern müssen. Dabei wird es unerlässlich sein, grundlegende, jedoch möglicherweise unzureichend spezifizierte Anforderungen zu klären. Dies erfordert eine präzise Analyse und Anpassung bestehender Geschäftspraktiken.

Wir stehen Ihnen gerne zur Seite, um Sie bei den vielfältigen Herausforderungen zu unterstützen. Unser Expert:innennetzwerk bietet nicht nur umfassende Kenntnisse in Bezug auf die regulatorischen Anforderungen, sondern ermöglicht auch eine effiziente Umsetzung entsprechender Änderungen in Ihren Unternehmensprozessen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, und profitieren Sie von unserem weitreichenden Netzwerk an Expertise.

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Julia Unkel

Julia Unkel

Partnerin
Köln

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