Aktuarielle Aspekte zu Zinskurven in der IFRS-17-Bewertung

Verschiedene Aktuarvereinigungen geben ihren Mitgliedern aktuell Hilfestellungen bei der Herleitung von Zinskurven für die versicherungstechnische Bewertung gemäß IFRS 17

Im Rahmen der IFRS-Bilanzierung legt IFRS 17 die Grundsätze für den Ansatz, die Bewertung, die Darstellung und den Ausweis von Versicherungsverträgen fest. Dabei spielt die Diskontierung insbesondere bei der Bewertung langfristiger Verpflichtungen eine wesentliche Rolle. Wie hier Aktuare vorgehen können, ist Gegenstand aktuell veröffentlichter Hilfestellungen der deutschen respektive kanadischen Aktuarvereinigungen.

Allgemeine Anforderungen an IFRS-17-Zinstrukturkurven 

Der IFRS-Standard legt die Prinzipien als Rahmenwerk für die Ermittlung der Diskontsätze fest. Dabei hat die zugrunde liegende Zinsstrukturkurve gemäß IFRS17.36 

  1. den Zeitwert des Geldes, die Merkmale der Zahlungsströme und die Liquiditätsmerkmale der Versicherungsverträge widerzuspiegeln;
  2. in Einklang zu stehen mit beobachtbaren aktuellen Marktpreisen (soweit vorhanden) für Finanzinstrumente mit Zahlungsströmen, deren Eigenschaften sich mit denen der Versicherungsverträge decken (z. B. hinsichtlich des zeitlichen Anfalls, der Währung und der Liquidität); und
  3. die Auswirkungen solcher Faktoren auszuschließen, die zwar die beobachtbaren Marktpreise beeinflussen, sich aber nicht auf die zukünftigen Zahlungsströme der Versicherungsverträge auswirken.

Als Konkretisierung sind dabei noch Erläuterungen zu spezifischen Merkmalen der Versicherungsprodukte zu berücksichtigen. Im Falle des sogenannten Variable-Fee-Approaches (VFA), bei dem die vertraglichen Zahlungsströme von den Renditen zugrunde liegender finanzieller Referenzwerte abhängen, enthält IFRS 17.B74 (b) zum Beispiel weitere Vorgaben: Demgemäß sollen die entsprechenden Zahlungsströme entweder “i) unter Verwendung von Zinssätzen ab[gezinst werden], die diese Schwankungen widerspiegeln; oder ii) um die Auswirkungen dieser Schwankungen an[gepasst] und mit einem Zinssatz ab[gezinst werden], der die vorgenommene Anpassung widerspiegelt.”

Weitere ergänzende Ausführung enthalten IFRS 17.B72-B85, dabei werden insbesondere zwei mögliche Ansätze zur Ermittlung der Diskontkurven beschrieben. 

Der sogenannte Bottom-up-Ansatz basiert auf einer liquiden risikolosen Zinskurve, die angepasst wird, um den Unterschieden zwischen den Liquiditätsmerkmalen der Finanzinstrumente, die den auf dem Markt beobachteten Zinssätzen zugrunde liegen, und den Liquiditätsmerkmalen der Versicherungsverträge Rechnung zu tragen. 

Der sog. Top-Down-Ansatz basiert auf einer Renditekurve, die die aktuellen Marktrenditen widerspiegelt, die in einer Fair-Value-Bewertung eines Referenzportfolios von Vermögenswerten implizit enthalten sind und um alle Faktoren bereinigt werden, die für die Versicherungsverträge nicht relevant sind (bezüglich der Fair-Value-Bewertung verweist IFRS 17.B82 explizit auf die Vorgaben gemäß IFRS 13). 

Eine illustrative Gegenüberstellung der beiden Ansätze zeigt die folgende Abbildung:

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In der Praxis können u.a. aufgrund von Schätzunsicherheiten der einzelnen Komponenten sowie dem unterschiedlichen Vorgehen bei den Anpassungen im Top-down-Ansatz bzw. Bottom-Up-Ansatz unterschiedlichen Zinskurven resultieren. In Kenntnis dieser möglichen Diskrepanz hat der Standardsetter in IFRS17.B84 klargestellt, dass kein zusätzlicher Vergleich zwischen den jeweiligen Abzinsungsätzen notwendig ist.

Aktuelle Veröffentlichungen der deutschen und kanadischen Aktuarvereinigungen

Zur „Übersetzung“ dieser theoretischen Vorgaben des internationalen Berichtserstattungsstandards in die praktische Anwendung haben sich sowohl die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) als auch ihr kanadisches Pendant (das Canadian Institute of Actuaries, CIA) in jeweils im September veröffentlichenden Papieren geäußert.

Im Mittelpunkt des in englischer Sprache verfassten DAV-Ergebnisberichts „Yield curves in IFRS17“ vom 27. September stehen dabei Aspekte zur Ermittlung einer risikolosen Zinskurve unter Berücksichtigung der Anforderungen an einen aktiven Markt gemäß IFRS 13.69. Zudem wird die Illiquiditätsanpassung inklusive eines konkreten Ansatzes zur Ermittlung diskutiert. Während für die Ermittlung der Zahlungsströme die zu einem Bewertungsstichtag ermittelte Zinskurve relevant ist, muss für andere Elemente die Zinskurve zum Zeitpunkt des Erstansatzes festgehalten werden. Da hierbei eine tägliche Ermittlung unpraktikabel sein kann, wird im DAV-Papier auch auf die Möglichkeit von Vereinfachungen eingegangen. Zur Abgrenzung enthält der Appendix eine Darstellung der Vorgehensweise für die regulatorische Solvency-II-Bewertung.

In ihren Veröffentlichungen vom 3. September unterscheidet die CIA in ihren „Educational notes“ zwischen Zinskurven für Lebens- und Krankenversicherungsverträge einerseits und Sach- und Haftpflichtversicherungsverträge andererseits. Während die Dokumente grundsätzlich unterschiedlich aufgebaut sind, werden jeweils zu Beginn die allgemeinen Anforderungen skizziert und teilweise gegenseitig aufeinander verwiesen. Dabei werden auch einige Spezifika des kanadischen Marktes berücksichtigt. Die CIA stellt in beiden Dokumenten ebenso wie die DAV allgemeine Aspekte zur Ermittlung einer risikolosen Zinskurve inklusive verschiedener Interpolationsmethoden, Illiquiditätsaspekte gemäß verschiedener Produktarten und die Ermittlung von Illiquiditätsprämien in den Mittelpunkt. Zudem werden bezüglich Leben- und Krankenversicherung Besonderheiten für den VFA ebenso wie der für diese Sparte erforderliche „Appointed Actuary’s Report“ diskutiert. Bei der Sach- und Haftpflichtversicherung werden darüberhinausgehend insbesondere noch Fragestellungen zur Ergebnisrechnung erörtert, hier finden sich u.a. Darstellungen zu versicherungstechnischen Finanzaufwendungen und der Aufzinsung der Rückstellungen (dem “unwinding of discount”).

Schlussfolgerung

Die Dokumente geben jeweils einen umfangreichen Überblick über die Anforderungen und praktische Hinweise zur Umsetzung der prinzipienorientierten Vorgaben. Sie können damit sowohl als Lernmaterial für den Einstieg in die Thematik als auch als Orientierungspunkte für die praktische Umsetzung dienen. Zudem spannen sie für Analysten und weitere Leser der Finanzberichterstattung den Raum möglicher verschiedener Ansätze für ein besseres Verständnis der Vorgehensweisen in verschiedenen lokalen Rechtsräumen auf, auch um die diesbezügliche Beschreibung in den Notes einordnen zu können.

Bei weiteren Fragen zur aktuariellen Bilanzierung von Versicherungsverträgen gemäß IFRS 17 und der diesbezüglichen Diskontierung und Berücksichtigung weiterer ökonomischer Annahmen und Szenarien, aber auch allgemeinen Themen rund um die Daten-, Annahme- und Modellgovernance kommen Sie gerne auf mich und meine Kolleg:innen von Actuarial Risk Modelling Services aus GRC Insurance zu! Wir stehen Ihnen für einen Austausch zur Verfügung.

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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