Risikoqualifizierung für Immobilienportfolios: Ein aktuarieller Blick auf Klimawandel, Risikomanagement und Versicherungsschutz
Immobilienportfolios sind heute mehr denn je den wachsenden Risiken von Naturgefahren ausgesetzt.
Die Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse wie Hochwasser, Starkregen, Sturm und Hagel nehmen durch den fortschreitenden Klimawandel stetig zu. Diese Entwicklungen führen zu beträchtlichen finanziellen Risiken für Eigentümer, Investoren und Versicherer gleichermaßen. Für die Verantwortlichen im Immobilienbereich ist es daher entscheidend, systematische und belastbare Methoden zur Risikoqualifizierung einzusetzen.
Im Jahr 2021 erreichten Naturkatastrophenschäden in Deutschland historische Rekordwerte. Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 verursachte versicherte Schäden in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro und unterstreicht damit den zunehmenden Trend wachsender Schäden durch Naturgefahren. Zwischen 2012 und 2022 stiegen die Schadenaufwendungen in der Wohngebäudeversicherung um insgesamt 87.8 %. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Dringlichkeit für Unternehmen, ihre Risikoanalysen zu überarbeiten und an sich verändernde Bedingungen anzupassen.
Bewertung von Elementarrisiken im Detail
Die wichtigsten Risiken für Immobilien lassen sich in einige Kernbereiche unterteilen:
- Hochwasser und Starkregen: Klimaforscher prognostizieren eine deutliche Zunahme extremer Niederschläge. Diese Entwicklungen stellen gerade urbane Räume mit hoher Versiegelung vor große Herausforderungen, da Regenwasser nicht ausreichend abfließen kann und es zu Überflutungen kommt. Versicherer sehen bereits jetzt erhöhte Risiken durch Kanalrückstau oder Grundhochwasser in Regionen, die traditionell als weniger gefährdet galten.
- Sturm und Hagel: Stürme gehören seit Langem zu den kostspieligsten Naturgefahren für Immobilien. Beispiele wie die Orkane Kyrill (2007) oder Friederike (2018) zeigen das immense Schadenpotential solcher Ereignisse. Hagelschäden, wie die durch den Münchner Hagelsturm 1984 verursachten Schäden von rund drei Milliarden Euro, verdeutlichen die regional konzentrierte, aber wirtschaftlich erhebliche Gefährdung.
- Erdbeben: Auch wenn Erdbeben selten auftreten, stellen diese aufgrund ihres hohen Zerstörungspotenzials ein signifikantes Risiko dar. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist zwar niedrig, doch die Schäden im Ereignisfall können enorm sein, was Versicherer vor Herausforderungen bei der Modellierung und Tarifierung stellt.
Aktuarielle Methoden zur Risikobewertung
Eine fundierte Risikoqualifizierung nutzt typischerweise eine Cluster-Methode, bei der Gebäude nach Risikomerkmalen gruppiert werden, um effiziente und dennoch detaillierte Risikoanalysen durchzuführen:
- Clusterbildung: Gebäude mit ähnlichem Risikoprofil, Bauart, Nutzung oder geografischer Lage werden gruppiert. Innerhalb dieser Gruppen werden repräsentative Objekte gewählt und detailliert analysiert.
- Hochrechnung: Basierend auf diesen Repräsentanten werden mittels statistischer Hochrechnungen und Modelle Erwartungswerte für jährliche Schäden und extreme Schadensereignisse ermittelt.
- Modellierung von Extremereignissen: Naturgefahrenmodelle (NatCat Models) erzeugen zahlreiche synthetische Schadenszenarien, um realistische Risikoverteilungen zu erstellen.
Zukunftsperspektiven für Schadenentwicklung
Die Prognosen wissenschaftlicher Klimamodelle weisen deutlich darauf hin, dass die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden stark zunehmen werden. Studien gehen von einer Verdopplung bis Verdreifachung der Schäden bis Mitte dieses Jahrhunderts aus. Das bedeutet, dass bestehende Versicherungssummen bald unzureichend sein könnten und eine Anpassung der Versicherungsdeckung erforderlich sein wird.
Strategische Anpassung der Versicherungssummen und Prämien
Die Versicherungswirtschaft steht daher vor der Herausforderung, ihre Produkte und Preise an die neuen Realitäten anzupassen. Aktuelle Versicherungen decken oft nicht die tatsächlichen Schadenpotenziale ab, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Schäden. Risikobasierte Prämien, höhere Selbstbehalte und in manchen Fällen Deckungseinschränkungen könnten notwendig sein, um langfristig tragfähig zu bleiben.
Innovative Versicherungsansätze
In diesem Kontext gewinnen innovative Versicherungsansätze zunehmend an Bedeutung:
- Parametrische Versicherungen: Diese Policen zahlen automatisch aus, sobald ein vorab definiertes Ereignis (z.B. Starkregen mit bestimmter Intensität) eintritt. Der Vorteil liegt in der schnellen Liquiditätsbereitstellung und der Reduzierung des administrativen Aufwands.
- ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance): Gebäude, die nachhaltig und resilient gebaut sind, könnten zukünftig geringere Versicherungsprämien erhalten. Versicherer integrieren zunehmend ESG-Kriterien in ihre Tarifierung, um Anreize für nachhaltigere Bauweisen zu schaffen.
Maßnahmen zur Prävention und Risikominderung
Um Schäden zu minimieren und Versicherbarkeit langfristig zu sichern, sind präventive bauliche Maßnahmen unerlässlich:
- Hochwasserschutzsysteme, klimaangepasste Baustoffe und nachhaltige städtische Planung können das Risiko aktiv verringern.
- Immobilienunternehmen und Städte sollten verstärkt in resiliente Infrastrukturen und klimafreundliche Gebäude investieren, um Versicherungsrisiken nachhaltig zu reduzieren.
Schlussfolgerung und Handlungsfelder für die Immobilienwirtschaft
Die dynamische Risikoentwicklung durch den Klimawandel fordert ein proaktives und integriertes Risikomanagement. Versicherer, Immobilieninvestoren und Asset Manager müssen intensiver zusammenarbeiten, um robuste Risikomodelle und innovative Versicherungsansätze zu etablieren. Zudem sollten präventive Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, um langfristige Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten.
PwC Actuarial Risk Modelling Services unterstützt Immobilienunternehmen bei der Implementierung solcher komplexer Risikoanalysen und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen, die den spezifischen Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden. Durch den Einsatz moderner Modellierungstechniken, umfassender Datenanalyse mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen und fortschrittlicher Versicherungskonzepte können Immobilienportfolios auch in Zukunft sicher und wirtschaftlich tragfähig bleiben.
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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