Chefsache „Moderne, bürgernahe Verwaltung“
Der Kern des Deutschland-Pakts von Bundeskanzler Olaf Scholz ist eine schnellere öffentliche Verwaltung. Und schneller geht nur digital. Das ist im Sinne der Öffentlichkeit – und der Verwaltung selbst.
Die zweite Hälfte der bis Herbst 2025 laufenden 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags hat begonnen. Wegweisend dafür war unter anderem der Pakt für Planungs-, Genehmigungsund Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern im vergangenen November – damit der Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Dem Pakt einige Wochen voraus ging die Deutschland-Pakt-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz, in der er sagte: „Ziel des Deutschlandpakts ist eine moderne, digitale und bürgernahe Verwaltung.“ Deutschland habe die Möglichkeit, die große Transformation hinzukriegen, die immerhin so groß ist wie die industrielle Modernisierung am Ende des 19. Jahrhunderts. Damit die Transformation gelingt, müsse der Staat jetzt überall den Schritt in das Digitalzeitalter machen.
Klarer Wunsch der Bürger:innen an die staatliche Verwaltung
Jetzt eine schnellere, digitale und bürgernahe Verwaltung schaffen – dazu gehören mehr digitale Verwaltungsservices. Solche möchte auch die Bevölkerung in Deutschland. Bereits im Jahr 2017, als PwC seine erste Studie Die vernetzte Verwaltung. Digitalisierung aus der Bürgerperspektive veröffentlicht hat, war klar: 91 Prozent der Menschen hierzulande möchten digitale Verwaltungsservices! Sie wollten auch ein digitales Bürgerkonto, in welchem sie Daten und Dokumente speichern, die gespeicherten Daten und Dokumente diversen Verwaltungsinstitutionen zur Verfügung stellen und Verwaltungsangelegenheiten am privaten Computer erledigen können – unabhängig davon, an welchem Ort dieser gerade steht.
Nun, sechs Jahre später, hat PwC die zweite repräsentative Studie dazu veröffentlicht. Titel: Die vernetzte Verwaltung 2023. Dafür wurden bundesweit mehr als 4.000 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Personen im Alter ab 16 Jahren befragt. Eines der Kernergebnisse: Weiterhin möchten fast alle Bürger:innen, dass ihnen die öffentliche Verwaltung Onlinedienste offeriert. Denn die Vorteile – Zeitersparnis, Ressourcenschonung, bessere Zugänglichkeit zu Verwaltungsdiensten und bessere Übersichtlichkeit persönlicher Verwaltungsangelegenheiten etwa – waren und bleiben überzeugend.
Die Verwaltung kann auch etliche ihrer internen Herausforderungen mit digitalen Anwendungen viel besser bewältigen. Zu den Herausforderungen, die PwC-Berater:innen in Projekten mit dem öffentlichen Sektor tagtäglich anpacken, gehören der Fachkräftebzw. Ressourcenmangel, Prozessineffizienzen und nach wie vor im Schnitt zu langsame Verwaltungsabläufe.
Die Digitalisierungsverantwortlichen der öffentlichen Verwaltung kennen den Nutzen von Onlinediensten. Einer von ihnen ist Christian Pfromm. Er leitet seit 2018 das mehr als 120 Mitarbeiter:innen starke Amt für IT und Digitalisierung (ITD) in Hamburg. Die Senatskanzlei der Freien Hansestadt hat die Verwaltungsdigitalisierung ebenso wie der Bundeskanzler zur Chefsache erklärt. Christan Pfromms offizieller Titel lautet denn auch „Chief Digital Officer“.
Dass Christian Pfromm, der Hamburg auch im IT-Planungsrat des Bundes und der Länder vertritt, ebenfalls Tempo macht, vermittelt er im Interview. Dort versichert er zum Beispiel mit Blick auf den Planungsrat: „Wir arbeiten motiviert und zielstrebig, um das Digitalisierungstempo in der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen und die Nachfrage nach unseren digitalen Angeboten zu steigern.“ Allerdings, drängt er, solle die Verwaltung ihre digitalen Angebote mehr als bisher bewerben und sie der Bevölkerung besser erklären.
Der Verwaltungsmodernisierung „einen großen Schub geben“ wird nach Ansicht von Christian Pfromm die Registermodernisierung. Das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) ist die Basis dafür, Verwaltungsdienste nach dem Once-Only-Prinzip anzubieten und Prozesse effizienter zu gestalten. Die föderalen staatlichen Strukturen in Deutschland sind ursächlich dafür, dass die Datenhaltung überwiegend dezentral organisiert und Datenregister vieler Verwaltungssegmente (noch) nicht miteinander vernetzt sind. Dies wiederum bedeutet einen hohen Mehraufwand für die Verwaltung, entsprechend hohe Kosten und unzufriedene Bürger:innen. Das RegMoG ergänzt das Onlinezugangsgesetz (OZG) zur Verwaltungsmodernisierung. Das OZG wurde im Sommer 2023 nachgebessert, um seine Wirksamkeit zu steigern. Der Kritik an der Wirksamkeit widerspricht Christian Pfromm im Interview. Der „Druck auf dem Kessel“ sei hoch genug.
Mit Sicherheit wäre es ebenfalls wirksam, digitale Verwaltungsservices mehr zu bewerben und besser zu erklären – vor allem mit Blick auf Ältere und weniger Gebildete. So zeigt die PwC-Studie Die vernetzte Verwaltung 2023 auch, dass es derzeit noch stark vom Alter und Bildungsgrad abhängt, wer digitale Verwaltungsangebote (nicht) nutzt. Auffällig ist beispielsweise, dass die Nutzer:innenrate bei den 20- bis 29-Jährigen am höchsten ist und mit zunehmendem Alter abnimmt.
Bezüglich der Bildungsgrade zeigt sich, dass die Affinität zu digitalen Verwaltungsservices bei Menschen mit relativ niedrigen Bildungsgraden und nicht berufstätigen Befragten hinter jener der Berufstätigen mit (Fach-)Hochschulreife und abgeschlossenem Studium zurückbleibt. Dies ist ein Signal dafür, die Zugänglichkeit zu OnlineVerwaltungsservices noch mehr als bisher zu vereinfachen. Christian Pfromm und sein Hamburger Amt für IT und Digitalisierung haben sich vorgenommen, „die Nutzer:innenfreundlichkeit bestehender und neuer Angebote zu verbessern.“ Der bundesweit beliebteste digitale Verwaltungsdienst ist der aktuellen PwC-Studie zufolge die Terminbuchung in Ämtern und Behörden. Dieser rangierte in der 2017-er Studie noch „unter ferner liefen“, weil es ihn damals kaum gab. Der Erfolg zeigt, dass die Bürger:innen digitale Verwaltungsdienste annehmen, wenn diese bekannt und einfach nutzbar sind. In den Top 3 der Onlinedienste folgen „Abstimmungen und Befragungen“ und „Formulare für Behördengänge“.
Ansprechpartner:
Borries Hauke-Thiemian