6 Fehler in der Digitalisierung von Bank-Kernprozessen
Zu Digitalisierung von Bankprozessen scheint alles gesagt, nur noch nicht von jedem.
Und trotzdem begegnen uns in den Transformationsprojekten immer wieder strukturelle Fehlsteuerungen, die die oft hervorragenden Initiativen am Ende mit geringem Impact oder sogar als Investitionsruine zurücklassen. Hier die sechs wichtigsten:
1. Kein radikaler Umbau der Prozesse: Trotz allen Anstrengungen im Customer Journey Design sind die digitalisierten Prozesse zu oft komplex und wenig nutzerfreundlich. Grund ist die fehlende Radikalität beim Abschneiden alter Zöpfe. Sei es in den (vermeintlichen) regulatorischen Vorgaben, den komplexen Entscheidungslogiken oder dem Abbilden auch noch der letzten Produktvariante.
2. Falsche Allokation von Budgets: Immer wieder kommt als Argument für halbherzige Investitionen das fehlende Budget. Aber wenn schon mittelgroße Banken im Jahr 100 Millionen und mehr für IT Invest ausgeben, ist Geld nicht das Problem. Es ist die Allokation. Zu geringes Hinterfragen der bestehenden Budgets und zu viel Invest in den Change in „alten“ Strukturen behindern die Investition in die Zukunft.
3. Agil in name only: Ein IT-Projekt zu finden, dass nicht agil aufgesetzt ist, ist heutzutage fast nicht mehr möglich. Nur leider versteckt sich unter den Bezeichnungen oft keine echte agile Struktur. Die kulturellen Barrieren, wenn agil auf eine unvorbereitete Organisation gestülpt wird, sind nur das offensichtlichste Phänomen. Auch in der Umsetzung ist die Praxis dann doch viel zu oft durch kleinliche Fachkonzeptdiskussionen statt agiles Teamwork geprägt. Was zu oft auch durch den Kardinalfehler Nr. 1 verstärkt wird: Agil bedarf nicht weniger sondern mehr Planung und Steuerung als der klassische Wasserfall.
4. Make statt buy: Die traditionell hohe eigene Wertschöpfung in der IT von Banken trifft aktuell auf eine neue Welt: Für viel, auch fachlich hoch komplexe Funktionen gibt es fertige Angebote am Markt. Wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, um Module in Form von Microservices anzuschließen, dann stehen völlig neue Optionen an Flexibilität, Kostenreduktion und Geschwindigkeit zur Verfügung – wenn alle Beteiligten sich auf die neue Welt einlassen.
5. Kein gesamthaftes Zielbild: Immer wieder sind Digitalisierungsinitiativen zwar individuell gut aufgesetzt, aber es fehlt der Kontext des Gesamtzielbildes für die Bank oder zumindest den relevanten Bereich (z.B. Kredit). Damit entstehen oft Ansätze, die lokal sinnvoll aber gesamthaft widersprüchlich oder inkonsistent sind. Ob abgestimmte Customer Journeys, Kanalintegration, gemeinsam genutzte Microservices oder Partnerschaften mit Dritten – ohne ein gesamthaftes Zielbild sind diese und andere Nutzen in Gefahr.
6. Das neue Technologie-Paradigma nicht nutzen: Kaum ein technologischer Wandel wird so tiefgreifende Folgen haben wie der Trend zu Open Banking Architekturen. Hinter Schlagworten wie API-Layer und Microservices versteckt sich nicht weniger als die Revolution von statischen, monolithischen IT-Strukturen hin zu flexiblen, offenen und sehr viel kostengünstigeren Plattformen. Man muss den Weg aber auch gehen. Und viel zu oft wird der kurzsichtige Business Case eines Einzelprojektes über die notwendige Transformation priorisiert.
Nun ist sicher keiner dieser Punkte professionellen Entscheidern in Banken völlig neu. Aber die Tragweite dieser Fehler ist größer, als so mancher realisiert. In Zeiten niedriger Zinsen und gefährdeter Geschäftsmodelle wird der Krieg zunehmend auf dem Schlachtfeld der Prozess-Digitalisierung gewonnen – oder eben verloren.
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Tomas Rederer
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Frankfurt am Main