Versicherungsvertrieb im Schatten der Kleinanlegerstrategie

Angemessen, geeignet, im besten Kundeninteresse und höchst herausfordernd

Das adäquate Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen sowie die Zielmarktorientierung des Versicherungsanlageprodukts stellen notwendige, jedoch keine hinreichenden Bedingungen für einen regulierungskonformen Versicherungsvertrieb dar. Darüber hinaus muss die Vertriebsorganisation gewährleisten, dass das ihrerseits angebotene oder empfohlene Produkt den Anforderungen des Kunden entspricht. Die Kleinanlegerstrategie erlegt vertrieblich tätigen Versicherungsgesellschaften und Versicherungsvermittlern diesbezüglich neue Pflichten auf.

Neue Pflichten für Versicherungsvermittlung und –beratung   

Monetäre und nicht-monetäre Anreize für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten, die Versicherungsunternehmen oder Versicherungsvermittler erhalten oder gewähren, dürfen weder die Qualität noch die Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität der Versicherungsvertriebstätigkeit beeinträchtigen. Zur Erfüllung dieses Versprechens planen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament derzeit die diesbezüglichen Überprüfungsmechanismen zu verschärfen:

  • Bei der Versicherungsvermittlung soll künftig nicht nur die Tragfähigkeit des Kunden für vollständige Verluste, sondern auch für teilweise Verluste zu prüfen sein, um angemessene von unangemessenen Versicherungsanlageprodukten differenzieren zu können. Aus der Palette angemessener Produkte ist wiederum zumindest eines anzubieten, das keine für den Kunden entbehrliche und zugleich kostenpflichtige Komponenten enthält und somit in dessen besten Interesse liegt.
  • Bei der Versicherungsberatung sollen künftig überdies neben den finanziellen Verhältnissen des Kunden auch die Zusammensetzung dessen Anlageportefeuilles zu prüfen sein, um geeignete von ungeeigneten Versicherungsanlageprodukten unterscheiden zu können. Aus der Palette geeigneter Produkte ist wiederum stets jenes zu empfehlen, das den Kundenbedürfnissen nach beispielsweise Kosteneffizienz, aber auch Wertentwicklungspotential oder Diversifikation, entspricht und somit in dessen besten Interesse liegt.

Derart ausgestaltete Beurteilungen der Angemessenheit und Eignung von Versicherungsanlageprodukten, die im besten Interesse des Kunden zu vertreiben sind, flankiert die Europäische Kommission mit einer Ausdehnung der für den Versicherungsvertrieb verpflichtenden Vorkenntnisse. Demnach müssen diejenigen, die Versicherungsprodukte vertreiben, unter anderem die Kosten und Gebühren für das Versicherungsprodukt und die diesbezügliche Beratung sowie die Funktionsweise des Versicherungsprodukts, einschließlich garantierter und nicht garantierter Leistungen und der steuerlichen Auswirkungen für den Versicherungsnehmer, kennen. Darüber hinaus muss der Vertreiber von Versicherungsanlageprodukten   

  • die Preisbildung der Finanzinstrumente, samt der diesbezüglichen Anfälligkeit für makroökonomische Entwicklungen als Folge regionaler, nationaler oder globaler Ereignisse,
  • die Marktstrukturen und Bewertungsansätze der Finanzinstrumente, samt der Unterschiede zwischen unterschiedlicher Wertentwicklungsszenarien und Grenzen von Prognosen und 
  • die Nachhaltigkeit der Finanzinstrumente, samt der Möglichkeiten zur Berücksichtigung von kundenseitigen Nachhaltigkeitsfaktoren und -präferenzen im Beratungsprozess,

begreifen.

Weitreichende Auswirkungen auf die Vertriebsorganisation

Um sicherzustellen, dass die auferlegten Pflichten erfüllt werden, müssen Versicherungsgesellschaften und Versicherungsvermittler die ausreichende Qualifikation ihrer vertrieblich tätigen Beschäftigten gegenüber ihren Kunden und der Aufsicht fortlaufend nachweisen. Hierfür sind Weiterbildungsmaßnahmen über die Funktionsweise von Versicherungen und Finanzmärkte im Umfang von mindestens fünfzehn Stunden jährlich zu absolvieren und zu bescheinigen, die auf die Art des vertriebenen Versicherungsprodukts und die Aufgaben des Versicherungsvertreibers zugeschnitten sind.

Angesichts der Vielzahl der zu schulenden natürlichen Personen und der aufsichtlichen Kontrolle des Schulungsniveaus, kann die Nutzung einer virtuellen und zugleich qualitätsgesicherten Lernumgebung empfehlenswert sein. Gesteuertes wie selbstgesteuertes E-Learning ist laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bereits heute ein mögliches Werkzeug zur Erfüllung der Weiterbildungsverpflichtungen für Versicherungsvermittler und -berater. Mit dem Learning & Education Center bietet PwC eine bedarfsgerechte Infrastruktur zur didaktisch hochwertigen Vermittlung von notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten an, die fortlaufend an neue regulatorische und unternehmensspezifische Erfordernisse angepasst werden kann. Dadurch eignet sie sich insbesondere zur Schulung der gesamten Vertriebsorganisation, deren Angebot und Empfehlung auf einer Vielzahl verschiedener Versicherungsprodukte fußt. Schließlich müssen vertrieblich tätige Beschäftigte dem Kunden und dem Aufseher erklären und plausibilisieren können, weshalb das ihrerseits angebotene bzw. empfohlene Versicherungsanlageprodukt angemessen bzw. geeignet erscheint und zu den Wünschen und Bedürfnissen des Versicherungsnehmers passt.

Zur Ertüchtigung und Unterstützung einer regulierungskonformen Versicherungsvermittlung und -beratung kann sich zudem die Einführung eines modernen Bestandsführungssystems eignen. Zur Klärung datenschutzrechtlicher Fragenstellungen bei der Erhebung der Kundendaten kann der Data Protection Manager unterstützend eingesetzt werden, um Datenflüsse zu visualisieren und Folgen für den Datenschutz abzuschätzen. Mit Statice lassen sich die gewonnenen Daten zudem anonymisieren, um sie datenschutzkonform verarbeiten und beispielsweise für die Produktentwicklung und -überwachung nutzbar machen zu können. Eine solche systemgestützte Begleitung zählt somit nicht nur kurz- und mittelfristig auf die Effizienz und Kundenorientierung vertrieblicher Tätigkeiten ein, sondern bietet zugleich das Fundament für eine sorgfältige und zukunftsgerichtete Compliance.

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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