Greenwashing-Risiken im Asset Management – Lösungsansätze und Risikomanagement

Teil 4 unserer Serie „ESG-Produkte im Fokus: aktuelle Marktdynamik, SFDR und Greenwashing-Risiken“

Im vorherigen Blogbeitrag dieser Serie sind wir auf das Thema Greenwashing im Asset Management eingegangen und haben Grundlagen und Ursachen beleuchtet. Essenziell ist in diesem Kontext, was Asset Manager unternehmen können, um das Risiko von Greenwashing-Gefahren zu minimieren. Unsere Expert:innen stellen in diesem vierten und letzten Teil unserer Serie „ESG-Finanzprodukte im Fokus: aktuelle Marktdynamik, SFDR und Greenwashing-Risiken“ einige Möglichkeiten dar, mit welchen Asset Managern ihre Governance stärken und so Greenwashing-Risiken reduzieren können.

Einleitung:

In unseren bisherigen Beiträgen dieser Blogserie berichteten wir von der aktuellen Marktentwicklung, Trends hinsichtlich verstärkter Anleger:innen-Präferenzen für nachhaltige Produkte sowie die in diesem Kontext essenziellen, aber noch zu Teilen unklaren Offenlegungsvorschriften in der EU. In Kombination mit der derzeit noch intransparenten Datenlage hinsichtlich relevanter nicht-finanzieller Kennzahlen stellt dies sowohl Asset Manager als auch Anleger:innen vor immense Herausforderungen. So gilt es für Asset Manager, sämtliche gesetzlichen Vorgaben zur Berichterstattung nicht-finanzieller Informationen in einer von hoher Dynamik geprägten regulatorischen Umgebung einzuhalten, was einen großen organisatorischen und operationellen Aufwand erfordert. Gleichzeitig steigen die Anforderungen von Anleger:innen an die Quantität und Qualität der offengelegten Daten mit immer höher werdendem Interesse an nachhaltigen Themen deutlich an. Asset Manager sehen sich also gleichermaßen unter regulatorischen als auch operativen Druck gesetzt, was durch die derweil noch vorherrschende Informationsasymmetrie zwischen Asset Manager und Anleger:innen hinsichtlich relevanter Daten zu Anreizen für unternehmerisches Fehlverhalten führen kann. Die öffentliche Wahrnehmung von Greenwashing spielt eine immer größere Rolle, die Brisanz des Themas wird von der Presse laufend aufgegriffen und einzelne Unternehmen sind hier mehr oder minder häufig den Schlagzeilen ausgesetzt. Eine Orientierung oder Hilfestellung von Seiten der Regulatorik fehlt für die Branche bislang völlig in diesem Kontext. Aus Greenwashing oder Verdachtsfällen können u.a. signifikante finanzielle, operationelle Risiken sowie Reputationsrisiken für die Asset Manager resultieren. Das Gefahrenpotenzial ist nicht zu unterschätzen. Wie bereits im vorherigen Beitrag dargestellt, gibt es bislang keine klare Begriffsdefinition zu Greenwashing. Die ESMA hat am 31. Mai 2023 ihren ersten Zwischenbericht zum Thema Greenwashing herausgegeben, den die BaFin ebenfalls unterstützt. Der umfangreiche Bericht zeigt die Vielschichtigkeit, die unterschiedlichen Dimensionen, Ursachen sowie die Komplexität des Themas Greenwashing auf. Erstmals wird ein erstes gemeinsames Begriffsverständnis von den drei Europäischen Aufsichtsbehörden entwickelt und es enthält eine Kategorisierung von Greenwashing-Fallgruppen. Darüber hinaus erfolgt eine Auswertung einer Umfrage zu Greenwashing-Risiken. Abschließend werden mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen oder Überarbeitungen des regulatorischen Rahmenwerkes aufgezeigt. Der finale Bericht wird allerdings erst im Mai 2024 erwartet, der Zwischenbericht gibt somit aktuell lediglich einen Orientierungsrahmen. Die Regulatorik bleibt damit weiterhin lückenhaft und mit welchen Änderungen die Branche rechnen darf, ist noch offen.

In diesem Blogbeitrag möchten wir exemplarisch darauf eingehen, welche Möglichkeiten Asset Manager jetzt schon haben, um etwaige Greenwashing-Risiken bestmöglich zu reduzieren und potenzielle Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Insbesondere verlässliche Daten, IT-Systeme und die Erläuterung der Methoden sowie die Transparenz von ESG-Strategien spielen für alle Beteiligten am Markt eine große Rolle. Wie Asset Manager ihre Compliance-Prozesse optimieren und so die Gefahr von Greenwashing minimieren können, erläutern wir in den folgenden Abschnitten. Dabei steht die Adressierung der beiden vorab genannten Kernprobleme, Umgang mit unklarer Regulatorik und Interpretationsspielraum sowie die Datenverfügbarkeit, im Vordergrund. Da Greenwashing im gesamten ESG-Spektrum vorkommt und somit Umwelt- und soziale Aspekte sowie die Unternehmensführung gleichermaßen betrifft, sind die Lösungsansätze in diesem Zusammenhang übergreifend zu sehen.

Datenqualität:

Ein zentraler Aspekt zur Minimierung von Greenwashing-Risiken ist die Sicherstellung der Datenqualität. Im Gegensatz zu klassischen finanziellen KPIs, welche meist aus offiziellen, standardisierten und durch Wirtschaftsprüfungstestate verifizierten Unternehmensberichten stammen, existiert bis dato keine ähnliche Datenquelle für nicht-finanzielle Indikatoren mit vergleichbarer Güte. Daher müssen derzeit diverse Datenquellen aggregiert werden, wobei die enthaltenen Daten meist von externen Dienstleistern stammen und die zugrundeliegende Berechnung und Erhebung ebendieser Kennzahlen nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist. Der dadurch resultierende Black-Box-Charakter entsprechender Daten erschwert hier sowohl die Kontrolle als auch die Transparenz der vorhandenen Informationen.

Asset Manager sollten daher ihre Datensicherungsprozesse hinsichtlich dieser bestehenden Herausforderung anpassen und eine hinreichende Sorgfalt gewährleisten. Durch die meist schwierige Durchschau der von externen Anbietern bereitgestellten Daten ist es dabei zunächst essenziell, die Auswahl der Datenprovider sorgfältig zu prüfen. Beispielsweise sollten Asset Manager bei der Entscheidung, von welchen Anbietern sie die entsprechenden Kennzahlen beziehen möchten, auf hohe Kredibilität und Vertrauenswürdigkeit des Dataproviders achten. Ferner empfiehlt sich eine anschließende Due Diligence aller eingehenden Rohdaten, wobei Daten nach bestem Ermessen mittels aller erhältlicher Informationen verifiziert und zusätzlich auf Plausibilität geprüft werden sollten. Entsprechend sollten vorhandene Prozesse der Datenqualitätssicherung (Data Quality Management, DQM) auf relevante nicht-finanzielle Indikatoren ausgeweitet werden. Nicht zuletzt sollten sowohl automatisierte als auch individuelle Prüfroutinen berücksichtigt werden, die auch die Interpretation und Kausalzusammenhänge zwischen einer ESG-Kennzahl und dem Investitionsportfolio in Zusammenhang sehen und damit potenzielle Fehlerquellen in der Kennzahlendarstellung vermeiden.

Kalkulationslogik:

Ein weiterer mit der vorherigen Thematik verbundener Aspekt zur Abwendung von Greenwashing-Risiken ist die Wahl der genutzten Kalkulationslogik zur Berechnung von Indikatoren basierend auf den zuvor erhobenen Rohdaten. Die gängige europäische Regulatorik (insbes. die Offenlegungsverordnung/SFDR) gibt dabei zwar grobe Richtlinien vor, welche jedoch derweil noch diverse Unklarheiten aufweisen, was Asset Managern unter Umständen einen gewissen Spielraum in der Kalkulation bietet. Daher sollten Asset Manager einheitliche Berechnungsstandards etablieren und genau protokollieren, sodass die zugrunde liegende Berechnung nachvollziehbar ist. Neben der offensichtlichen Notwendigkeit des Einhaltens gesetzlicher Anforderungen sollte auf diverses „Schönrechnen“ zu eigenen Gunsten vermieden werden; sofern die Regulatorik einen Interpretationsspielraum zulässt, können Greenwashing-Vorwürfe abgewendet werden, indem im Zweifel sicherheitshalber eher schlechtere Werte ausgegeben werden. Ein Beispiel aus zuvor genannter SFDR ist die Angabe von sogenannten Principal Adverse Impact (PAI)-Indikatoren, also nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen: Seitens der Regulatorik ist nicht final definiert, auf welchen Bezugswert sich die Indikatoren im Falle von anzugebenden relativen Werten beziehen sollen. Demnach ist es derzeit sowohl möglich, die Werte der nachteiligen Auswirkungen durch den gesamten Portfoliowert zu teilen, als auch nur durch den Wert der Summe aller Instrumente, für welche Daten vorhanden sind. Dabei ist tendenziell zur Vermeidung von Reputationsrisiken durch Greenwashing-Anschuldigungen letztere Methode zu bevorzugen, da diese potenziell höhere (also: schlechtere) Werte aufweist, während erstgenannter Ansatz ggf. zu optimistische Angaben liefert. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass eben diese Thematik aktuell noch einen offenen Diskussionspunkt im Rahmen eines Konsultationspapieres der ESAs (European Supervision Authorities) darstellt, da verglichen zur zuletzt genannten Vorgehensweise die mögliche Nutzung der Summe aller Investitionen im Nenner entsprechender Indikatoren deren Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Produkten und Marktteilnehmern erhöhen könnte. Hierzu sind folglich mittelfristig weitere Informationen und Entscheidungen des Gesetzgebers zu erwarten.

Weiterhin empfiehlt es sich, aus Compliance-Gründen regelmäßig die entsprechende Portfoliozusammensetzung zu prüfen und kontinuierlich intern zu verifizieren. Beispielsweise sollten so auch signifikante Investitionen in besonders nachhaltige oder Desinvestitionen von „schädlichen“ Produkten kurz vor Stichtag der Veröffentlichung der jeweils relevanten periodischen ESG-Berichte vermieden werden. Wie gerade dargestellt, kommt dem Prozess der Datenerhebung, -kontrolle und -verwendung in den einzelnen Berichterstattungen eine zentrale Bedeutung zu, zum Beispiel der Aufsatz eines Data Warehouse für die Kalkulation von ESG KPIs. Asset Manager sind gut beraten, wenn sie organisatorische Vorkehrungen treffen, um diesen Prozess aktiv zu managen und entsprechende Data-Quality-Gremien sowie Data-Quality-Gates aufbauen und diese eng mit der Rechtsabteilung abstimmen.

Art der Offenlegung:

Einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Greenwashing können Asset Manager durch Art und Umfang der offengelegten Berichte und Informationen leisten. Dabei ist es wichtig, dass Anleger:innen eine möglichst hohe Transparenz hinsichtlich der eigentlichen ESG-bezogenen Kennzahlen geboten wird. Demzufolge sollten relevante Informationen nicht nur über gewissen Personengruppen vorenthaltene (offizielle) Berichte zur Verfügung gestellt werden, sondern auch eine Bereitstellung über öffentliche und für alle Anleger:innen zugängliche Kommunikationswege sichergestellt werden. Ferner kann die Transparenz durch die Präsentation weiterer, nicht von der Regulatorik zwangsläufig geforderter Informationen erhöht werden. Zum Beispiel werden einige Asset Manager u.a. zusätzliche Informationen über die Berechnungsmethodik ihrer PAI-Kennziffern auf der Website veröffentlichen.

Zudem sollte neben dem Umfang der Offenlegung auch die Qualität und Verständlichkeit beachtet werden. Die Nutzung von schwer nachvollziehbaren und interpretierbaren Kennzahlen, unpräzisen Ausdrücken mit Auslegungsspielraum oder unverständlichen (Fach-)Termini gilt es zu vermeiden. Die Wortwahl und Formulierungen sollten hierbei stets der jeweils primär adressierten Zielgruppe eines Kommunikationskanals bzw. der Art der Offenlegung angepasst werden. Vorsicht ist auch hinsichtlich der Kommunikation der Auswirkung der Kennzahlen geboten, wenn diese zu realwirtschaftlichen Themen in Beziehung gesetzt werden. Hier können Missverständnisse und irreführende Kommunikationen für Anleger entstehen, wenn beispielsweise eine einzelne Kennziffer so interpretiert wird, dass aus einer einzelnen Investition in einen Fonds fälschlicherweise die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen abgeleitet wird.

Namensgebung:

Weiterhin unklar ist die Namensgebung von Produkten im ESG-Kontext. Wie in vorherigen Blogbeiträgen erwähnt existieren aktuell keine festen Regelungen zur Benennung von Fonds mit einem gewissen Fokus auf nachhaltige Aktivitäten. Zur Vermeidung von Greenwashing-Vorwürfen sollten Asset Manager demnach vorsichtig in der Benennung der angebotenen Produkte sein. Irreführende Namen, welche eine signifikant stärkere Berücksichtigung von nachhaltigen Faktoren oder ESG-Risiken vermuten lassen, können Anleger:innen täuschen, ohne zwangsläufig gegen die gängige Gesetzgebung zu verstoßen. Dennoch kann ein solches Vorgehen gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen, weswegen Vorsicht bei der Entscheidung über die Benennung von Fonds geboten ist. Grundsätzlich empfiehlt sich, Namen gemäß des jeweiligen Ambitionsniveaus des Fonds anzupassen.

Einen Ansatz zur Verminderung dieser Problematik stellen die Leitlinien für Fondsnamen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen der European Securities Markets Authority (ESMA) dar. Diese Leitlinien beinhalten unter anderem den Vorschlag, dass Fonds mit ESG-bezogenen Ausdrücken im Titel mindestens 80% ihrer Anlagen in ökologischen oder sozialen Merkmalen tätigen sollen. Fonds mit dem Ausdruck „nachhaltig“ im Titel müssen zusätzlich mindestens 50% ihres gesamten Portfoliowertes in nachhaltige Anlagen investieren.

Prozess zur Reduzierung von Greenwashing-Risiken:

Um Greenwashing-Risiken bestmöglich zu reduzieren, sollten Asset Manager bereits erwähnte Best-Practice-Beispiele in Erwägung ziehen und einen gesamtheitlichen Prozess zur Sicherstellung der Qualität von sämtlichen Offenlegungen etablieren. Zunächst gilt es dabei, Ziele für die Etablierung nicht-finanzieller Determinanten in die eigene Strategie zu integrieren und ein entsprechendes Ambitionsniveau festzulegen. Dies sollte nach Möglichkeit in die Unternehmenskultur einfließen, beispielsweise via Mission und/oder Value Statements oder der Einbettung im Code of Conduct. Erst nach Festsetzung dieser Ziele können eine umfängliche Sichtung der relevanten Regulatorik und eine benötigte Gap-Analyse erfolgen. Letztere ist unumgänglich, um Handlungsbedarf hinsichtlich der Transparenz und Berichterstattung entsprechender Indikatoren und Informationen zu ermitteln. Anschließend müssen Quellen, Anbieter sowie Ableitungs- und Berechnungslogiken für alle benötigten Daten definiert werden. Hierbei ist die Qualitätssicherung der Daten ein zentraler Aspekt; durch Prüfung der Kredibilität der Datenprovider sowie Sichtung und Kontrolle der Rohdaten auf Plausibilität können weitreichende Fehler verhindert werden. Dennoch ist eine weitere Plausibilitätsprüfung nach Berechnung und vor Offenlegung zu empfehlen. Gemäß Vier-Augen-Prinzip können Asset Manager das Risiko von falschen Berechnungen weiter reduzieren. Ferner kann eine effektive Governance-Struktur dabei helfen, Fehlverhalten zu vermeiden. So können Asser Manager beispielsweise weitere Kontrollmechanismen und -gremien wie ein Governance-Board integrieren, welche als Grundpfeiler der Daten- und Qualitätssicherung dienen und als zentrales Compliance-Instrument fungieren. Nicht zuletzt sind bei der Produktneuauflegung die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen und sollten daher in den formalen Genehmigungsprozess mit aufgenommen werden.

Fazit:

Mit steigenden Präferenzen von Anleger:innen für nachhaltige Produkte wachsen auch die Gefahren von Greenwashing. Umso wichtiger ist es, dass Asset Manager diese Problematik erkennen und dieser durch entsprechende Prozesse und Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette entgegenwirken, sowohl bei bestehenden Fonds aber auch im Neuproduktprozess. Wir haben gezeigt, dass insbesondere die Prüfung und Sicherung der Datenqualität, das Plausibilisieren von Kennzahlen und die verständliche und transparente Berichterstattung in diesem Kontext entscheidend sind. Empfehlenswert ist hier primär ein ganzheitlicher Ansatz, welcher vorsieht, die Offenlegung dem Ambitionsniveau des Asset Managers unter Einhaltung der gültigen Regulatorik anzupassen, eine mehrstufige Qualitätssicherung der Daten einzuführen und weiteres Monitoring durch Kontrollgremien, wie bspw. einem dedizierten Governance-Board, zu gewährleisten. Während die Offenlegung von nicht-finanziellen Kennzahlen also weiterhin noch offenen Herausforderungen wie beispielsweise noch zu klärender regulatorischer Vorgaben sowie mangelnder Datenverfügbarkeit unterliegt, können Asset Manager dennoch durch die Berücksichtigung der aufgeführten Implementierungsmaßnahmen bereits heute potentielle Greenwashing-Risiken minimieren.

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Angela McClellan

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