Die Relevanz der Kreislaufwirtschaft für den Finanzsektor

Nachhaltigkeit als Schlüssel zum Erfolg: Zirkuläre Wirtschaft bietet neue Chancen für den Finanzsektor

In einer Welt, die zunehmend mit den Herausforderungen des Klimawandels und der Knappheit von Ressourcen konfrontiert ist, gewinnt die Thematik der Kreislaufwirtschaft stetig an Bedeutung. Angesichts des wachsenden Bedarfs an der zirkulären Transformation von Unternehmen muss der Finanzsektor neue Finanzierungs- und Versicherungslösungen entwickeln und entsprechende Risiken im Risikomanagement berücksichtigen.  Darüber hinaus gibt es für Finanzinstitute über die CSRD und die Taxonomieverordnung Reportingpflichten zum Thema Kreislaufwirtschaft.

Was ist eine Kreislaufwirtschaft?

Die Kreislaufwirtschaft ist ein wirtschaftliches Modell, das darauf abzielt, den Verbrauch von Ressourcen und die Menge an Abfall zu reduzieren. Dies wird durch die Optimierung der Effizienz bei der Nutzung von Produkten, Materialien und Ressourcen erreicht. Im Gegensatz zur herkömmlichen linearen Wirtschaft, die auf dem Konzept "Nehmen, Herstellen, Verwenden und Wegwerfen" basiert, setzt die Kreislaufwirtschaft auf Prinzipien wie Wiederverwendung, Wiederaufbereitung und Recycling. Das übergeordnete Ziel besteht darin, einen geschlossenen Kreislauf zu etablieren, in dem Produkte und Materialien am Ende ihres Lebenszyklus in den Produktionsprozess zurückgeführt werden können.

PwC Circular Infinity Loop

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Welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft im Finanzsektor?

Der Finanzsektor spielt eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der Risiken des linearen Wirtschaftsmodells und der Förderung des Übergangs zu einer kreislauforientierten Wirtschaft. Dies ergibt sich sowohl aus der Notwendigkeit, innovative Finanzierungs- und Versicherungslösungen für die zirkuläre Transformation von Unternehmen zu entwickeln, als auch aus der Anpassung des Risikomanagements. Der Grad der Zirkularität eines Unternehmens beeinflusst das Risikoprofil, z.B. durch die Reduktion von Lieferkettenrisiken oder durch Auswirkungen auf andere Umweltrisiken wie Biodiversitätsverlust und Klimawandel. 

Chancen für den Finanzsektor 

Im Kontext der zirkulären Transformation von Unternehmen stehen Realwirtschaft und Finanzsektor vor bedeutenden Herausforderungen wie beispielsweise fehlenden Standards und unsicherer langfristiger Bewertung der Rendite von Kreislauflösungen. Ebenso besteht noch immer eine fehlende Datenverfügbarkeit, sowie eine fehlende Infrastruktur und eingeschränkte Recyclingtechnologie. Durch die aktuell geringen Volumina entsprechender Finanzierungen gibt es noch keine Skaleneffekte. Doch wo Herausforderungen existieren, gibt es auch immer Potenzial für Wachstum und Chancen. 

In Bezug auf die Chancen für den Finanzsektor spricht man auch von den drei Rs: Risk, Revenue und Reputation. Eine Reduzierung von Risiken geschieht bspw. durch die Reduktion der Abhängigkeit von Primärrohstoffen. Bezüglich Revenue lassen sich durch Finanzierung der Kreislaufwirtschaft neue Kundengruppen erschließen. Außerdem haben entsprechende Finanzierungen positive Auswirkungen auf die Reputation.

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Regulatorische Anforderungen 

Im Rahmen der Taxonomieverordnung und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen Unternehmen auch in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft in Zukunft Reportinganforderungen erfüllen. So legt die Taxonomieverordnung Reportingkriterien in  Bereichen wie Abfallwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Schuhherstellung für die Kreislaufwirtschaft fest. Finanzunternehmen müssen ab 2024 erstmals Angaben zur Taxonomiekonformität des Portfolios für die ersten beiden Umweltziele machen. Die Berichterstattung zur Taxonomiefähigkeit für Umweltziele 3-6 wird ab 2024 und zur Taxonomiekonformität ab 2026 verpflichtend.

Auch vor dem Hintergrund der CSRD, die ab 2025 schrittweise in Kraft treten wird, rückt das Thema Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund. Wenn die Materialitätsanalyse ergibt, dass das Thema Kreislaufwirtschaft für das Geschäftsmodell des Finanzinstituts wesentlich ist, muss nach Reportingstandard ESRS E5 “Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft” berichtet werden. Dieser umfasst Offenlegungspflichten zu Strategien und Maßnahmen sowie erwarteten finanziellen Auswirkungen bezüglich Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft. Weiterführend umfasst der Standard die Anforderung zur Beschreibung der Verfahren zur Ermittlung und Bewertung wesentlicher Auswirkungen, Risiken und Chancen vor dem Hintergrund der Angabepflicht des ESRS 2 “Allgemeine Offenlegung”. Außerdem beinhaltet er sechs weitere Offenlegungspflichten, beispielsweise die Ressourcenzuflüsse (ESRS E5-4) und -abflüsse (ESRS E5-5)

Versicherungs- und Finanzierungslösungen für die Kreislaufwirtschaft

Der Finanzsektor ist maßgeblich an der Entwicklung von Versicherungslösungen für die zirkuläre Transformation der Realwirtschaft beteiligt. Der Gebäudesektor ist für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich und bietet viel Potenzial für zirkuläre Lösungen. Im Folgenden soll hierzu ein genauerer Blick auf die Versicherungsbranche und den Gebäudesektor geworfen werden.   

Die Integration der Kreislaufwirtschaft in die Versicherungsbranche eröffnet nicht nur Möglichkeiten zur Förderung der Nachhaltigkeit, sondern birgt auch neue Chancen und Herausforderungen. Durch das Umstrukturieren der Lieferketten können Versicherungsunternehmen ihre Kunden dazu anregen, ihren Ressourcenverbrauch und Abfall zu reduzieren sowie Ressourceneffizienz zu fördern. 

Der "Reparieren statt Ersetzen"-Ansatz betont die Schlüsselrolle der Lieferkette. Die Förderung von recycelten Materialien als Ersatzteile ist entscheidend für die Wiederverwendung von Gütern. Dies senkt nicht nur Kosten für Kunden, sondern unterstützt auch Versicherer bei der Erreichung ihrer Klimaziele (Financed oder Insured Emissions). Ein Beispiel ist die Initiative "Autotag Allianz", die sich für kosteneffiziente und umweltfreundliche Autoreparaturen einsetzt. 

Die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft erfordert eine Neubewertung der Risikolandschaft. Bspw. stehen Recyclingunternehmen vor der Herausforderung, dass Versicherer aufgrund der hohen Brandgefahr zögern, Recyclinganlagen zu versichern. Potenzielle  Schäden verursachen aber nicht nur Reparaturkosten, sondern auch Betriebsunterbrechungen und Umweltauswirkungen. Durch ein umfassendes Risikomanagement können die spezifischen Risiken identifiziert und bewertet werden, was zu günstigeren Versicherungsprämien führen kann. Bereits existierende Kooperationen veranschaulichen das Engagement für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit zwischen ALBA Recycling und AXA in Deutschland.

Versicherungen fördern die Kreislaufwirtschaft auch durch die Unterstützung innovativer Produkte wie Sharing-Plattformen, Product-as-a-Service und Start-Ups, die neue Einnahmequellen und Kundengruppen bieten. Zusätzlich bevorzugen Investoren zunehmend Unternehmen mit zirkulären Geschäftsmodellen. Dies ermöglicht Kunden, über Nachhaltigkeitsfonds in ihre Lebensversicherung zu investieren und eröffnet Versicherungsunternehmen neue Perspektiven in Bezug auf Marktanteil, Markenaufbau und Kundenbindung.

Weiterführend bietet die Kreislaufwirtschaft auch Chancen und Herausforderungen für Investitionen in den Gebäudesektor. Obwohl der Sektor einen erheblichen Anteil am Gesamtabfall, CO2-Emissionen, Energieverbrauch und Ressourcenbedarf hat, bieten sich Einsparungspotenziale von bis zu -50% THG-Emissionen und -57% Materialreduktion. Der Bau- und Immobiliensektor reagiert auf Umweltanforderungen und verstärkten Wettbewerb, indem er zirkuläre Innovation als Schlüssel für Wettbewerbsvorteile betrachtet. Regulatorische Vorgaben, wie die EU-Taxonomieverordnung, setzen ambitionierte Ziele, darunter die Wiederverwendung oder Recycling von 90% der nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette gibt es zahlreiche zirkuläre Lösungsansätze im Sektor, von der Planung bis zum Rückbau. Digitale Technologien, Kollaboration und integrierte Ansätze spielen dabei eine entscheidende Rolle. Neue Marktteilnehmer und technologische Lösungen, wie das Cradle-to-Cradle-Prinzip der Stadtverwaltung Venlo in den Niederlanden, zeigen den Fortschritt im Circular Real Estate auf.

Fazit 

Der  Finanzsektor spielt eine entscheidende Rolle im Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Seine aktive Beteiligung an der Förderung nachhaltiger Investitionen und der Entwicklung innovativer Finanzinstrumente bietet Unternehmen wichtige Impulse für die Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodelle. Gleichzeitig stehen Finanzinstitute vor wachsenden regulatorischen Anforderungen und der Notwendigkeit einer Anpassung ihres Risikomanagements. Daher liegt der Fokus für Finanzunternehmen nun vor allem auf dem Aufbau des erforderlichen Fachwissens und der Gestaltung neuer Finanzprodukte, um die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft in der Realwirtschaft effektiv zu finanzieren. Durch eine proaktive Rolle des Finanzsektors können nicht nur ökologische, sondern auch langfristige wirtschaftliche Vorteile erzielt werden.  

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Angela McClellan

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