“Nature” als strategisches Thema in Banken? – Unsere Analyse deutscher Finanzinstitute zeigt: Die Entwicklung nimmt Fahrt auf

Das Thema „Nature" rückt – getrieben durch Marktdynamiken und regulatorische Anforderungen – in Finanzinstitutionen derzeit zunehmend auf die Agenda.

Unsere Analyse einer Auswahl deutscher Marktteilnehmer zeigt, dass viele Finanzunternehmen hierbei noch am Beginn der Entwicklung stehen, das Thema aber zunehmend strategisch behandeln.

Der Themenkomplex Natur rückt zunehmend in den Fokus der Wirtschaft  

Die Natur stellt der Gesellschaft und Wirtschaft essenzielle Ressourcen zur Verfügung. Während Luft und Wasser für den Menschen überlebenswichtig sind, werden auch viele Produktionsprozesse der Wirtschaft durch die Natur erst möglich. Der wirtschaftliche Wert von Bestäubern liegt beispielsweise im dreistelligen Milliardenbereich; ein Atomkraftwerk liegt still aufgrund des stark sinkenden Pegels des Flusses, der das Kühlwasser führt.  

Von solchen Risiken ist auch der Finanzsektor betroffen. Erst vor kurzem verlautete die Europäische Zentralbank beispielsweise, dass in der Eurozone 75% der Kredite an Unternehmen mit hohen Abhängigkeiten von mindestens einer Ökosystemdienstleistung vergeben werden.  

Neue Regularien (u.a. CSRD, SFDR, Entwaldungsrichtlinie) treiben Themen am Schnittpunkt zwischen Wirtschaft und Natur weiter in den Fokus und bewegen Unternehmen sowie Finanzinstitute dazu, sich mit Themen wie Biodiversität oder Wasserressourcen intensiver auseinanderzusetzen. Zusätzlich bieten freiwillige Frameworks wie die Task Force on Nature-Related Disclosures (TNFD) zahlreiche Offenlegungsempfehlungen zu Nature, die bereits von internationalen Finanzinstituten anvisiert und berichtet werden.   

Auch das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework hat Transformationskraft mit seinen 2022 gesteckten ambitionierten Ziele: Neben dem Schutz von mindestens 30% der weltweiten Land- und Wasserflächen bis 2030 sind auch Finanzierungsziele gesetzt. So sollen jährlich mindestens 500 Milliarden USD an schädlichen Subventionen gestrichen und 200 Billionen USD für den Schutz von Natur und Biodiversität mobilisiert werden. Diese Mittel sollen unter anderem durch private Finanzierungen erhoben werden. Letzteres könnte zu beachtlichen Wertminderungsrisiken für Wirtschaftsaktivitäten mit negativen Auswirkungen auf die Natur oder naturbezogenen Risiken führen. Es bieten sich jedoch auch Chancen, an einem wachsenden Markt im Bereich von Naturschutz und neuen Technologien zu partizipieren. 

Wie auch im Rahmen der COP28 im Dezember 2023 festgestellt wurde, rücken die Interdependenzen zwischen Klimaschutz und Naturschutz gleichzeitig mehr in den Fokus. Intakte natürliche Lebensräume sind beispielsweise als Kohlenstoffsenken essenziell für die Bindung von CO2 in der Atmosphäre. Mit dem voranschreitenden Klimawandel und dessen mittlerweile intensiven Einbindung in strategische Entscheidungen, zeigt sich deshalb zunehmend auch die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Nature. 

Die PwC Analyse betrachtet den aktuellen Status der Behandlung von Nature Themen im deutschen Bankensektor  

In Anbetracht dieser sich entwickelnden Dynamik und einem sich verstärkenden Bewusstsein für die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Natur stellt sich die Frage, wie Banken dieses Thema derzeit behandeln. PwC hat deshalb eine Analyse auf Basis ausgewählter, öffentlich zugänglicher Informationen durchgeführt. Diese beleuchtet die aktuelle Herangehensweise der deutschen Kreditinstitute an den Themenkomplex Nature. In unserer Analyse werden die vier Dimensionen von Nature analog CSRD (ESRS Standards E2-E5) zur Betrachtung herangezogen. Dazu gehören neben dem Thema Biodiversität und Ökosysteme die Bereiche Verschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen sowie Kreislaufwirtschaft und Ressourcennutzung.  

Dabei wurden zahlreiche öffentliche Publikationen deutscher Kreditinstitute zu Nachhaltigkeit durchleuchtet (Veröffentlichungen bis 31.03.2024) und hingehend ihrer Offenlegungen, Analysen, Strategien und Ambitionen sowie Verwendung von Tools zu Naturthemen geprüft.  

Unsere Untersuchung zeigt, dass Kreditinstitute zunehmend die Relevanz von Nature erkennen, jedoch die Entwicklungen strategischer Ambitionen und Maßnahmen auf dem deutschen Markt insbesondere im europäischen Vergleich noch nicht weit vorangeschritten sind, während der Handlungsbedarf aufgrund der oben genannten Faktoren steigt.   

Deutsche Kreditinstitute berücksichtigen Nature in Strategie, Risikomanagement oder Offenlegungen unterschiedlich stark 

Nature und seine Facetten spielten für Finanzinstitute bislang kaum eine Rolle in der strategischen Ausrichtung. Während vor einigen Jahren noch philanthropische Herangehensweisen wie die hauseigenen Bienenkolonien den Diskurs bestimmten, gewinnt heutzutage die finanzielle Materialität von Nature immer mehr an Relevanz und Aufmerksamkeit.  

Ein wesentliches Ergebnis unserer Analyse ist, dass die Mehrheit der Banken im Kontext Nature zunächst den Bereich Biodiversität und Ökosysteme betrachtet. An zweiter Stelle steht häufig das Thema Wasser und der Umgang mit Wasserressourcen. Verschmutzung findet bislang, wenn überhaupt, als Einflussfaktor oder Verursacher von Biodiversitätsverlust Beachtung. Das Thema Kreislaufwirtschaft wird in dem naturbezogenen Diskurs von Finanzinstitutionen eher ausgeklammert.  

Strategie / Ambition: Die PwC Marktanalyse zeigt, dass viele Banken damit begonnen haben, strategische Ansätze zu erarbeiten. Bislang haben nur einige Kreditinstitute jedoch umfängliche strategische Ambitionen veröffentlicht oder eine Steuerung nach Nature-Kriterien aufgesetzt. Die Mehrheit der Kreditinstitute (unabhängig der Unternehmensgröße) sind in der strategischen Ausarbeitung demnach noch nicht weit vorangeschritten. Einige Kreditinstitute beobachten die Entwicklung von Themen wie Biodiversität und Entwaldung und sehen durchaus eine entsprechende gesellschaftliche und realwirtschaftliche Verantwortung. Teilweise erfolgt allerdings noch keine Steuerung dieser Themen oder entsprechend zu definierender Ziele und KPIs. Zunehmend wird jedoch in Nachhaltigkeitsberichten eine Entwicklung entsprechender Strategien oder Ambitionen für die nahe Zukunft avisiert. Auch getrieben durch die entsprechenden regulatorischen Anforderungen wird erwartet, dass sich dieses Bild in den nächsten Jahren deutlich verschieben wird. 

Risiken und Chancen: Die Risiko-Perspektive des Themas Nature reflektieren deutsche Banken bereits zum Teil. So werden naturbezogene Auswirkungen und Abhängigkeiten der Finanzierungen und Anlagen von vielen Kreditinstituten bewertet. Dabei stufen einige wenige auch bereits den Einfluss von Nature-Kriterien auf finanzielle Risikotypen wie Kreditrisiken als materiell ein und beachten diese in ihrem Risiko-Assessment. Andere Institute gehen noch weiter und geben sich das Ziel, naturbezogene Kriterien etwa in das Kredit- und Anlagengeschäft zu integrieren und besonders starke Auswirkungen auszuschließen. Chancen durch Nature werden bis dato nur von einigen Vorreitern identifiziert. Diese Institute planen bestehende naturbezogene Finanzierungen zu skalieren und innovative Finanzlösungen mitzuentwickeln, um das wachsende Marktpotential auszunutzen.    

Offenlegungen und Analysetiefe: Verglichen mit ihren europäischen Peers publizieren die deutschen Kreditinstitute meist eher limitierte Inhalte zu den verschiedenen Aspekten von Nature. Einige Kreditinstitute geben an, eine sektorbasierte Bewertung von Abhängigkeiten und Auswirkungen durchgeführt zu haben und bereiten somit eine strategische Ausrichtung vor. Nur ein Kreditinstitut gibt an, eine weiter fortgeschrittene Analyse unter Betrachtung von ortsbezogenen Daten und Nutzung verschiedener Tools durchgeführt zu haben. Ein Kreditinstitut hat sich bereits stärker dazu verpflichtet, das Thema mit strategischen Zielsetzungen anzugehen, jedoch bleiben bei den deutschen Kreditinstituten klare strategische Zielsetzungen und tiefergehende Risiko- und Chancenanalysen zumeist noch aus.  

Metriken, Daten und Tools: Bislang haben deutsche Kreditinstitute kaum Ziele oder Leistungsindikatoren (KPIs) in Bezug auf Nature sowie entsprechende Daten und Tools veröffentlicht. Zur initialen Bewertung der Themen wird meistens das Tool ENCORE herangezogen, um eine erste sektorbasierte Einschätzung der Risiken vorzunehmen.  

Für den Aufbau eines tiefen Verständnisses der Nature-Facetten ist eine Kombination von verschiedenen Tools nötig, die sich eng an den Anforderungen (Abhängigkeiten und Auswirkungen) des spezifischen Portfolios orientiert. Orientierungshilfe für das Durchführen von Analysen bietet insbesondere TNFD mit dem LEAP-Approach. Häufig werden dabei insbesondere die Methodik des SBTN und die Datensätze von ENCORE verwendet. Zusätzlich werden weitere Datenanbieter oder Methodiken wie Aqueduct, IBAT, oder die Global Impact Database herangezogen. Die Komplexität der durchgeführten sektorbezogenen Analysen unterscheidet sich derweil stark und bislang hat sich kein einheitliches Vorgehen im Markt durchgesetzt. 

Die Ansätze zur Messung, Analyse und strategischen Bearbeitung der Themenfacetten von Nature entwickeln sich momentan fortlaufend weiter, wodurch es Finanzunternehmen zunehmend möglich wird, die Biodiversität, Wasser oder Verschmutzung fundiert aufzugreifen und in den eigenen Modellen zu berücksichtigen. 

Fazit und Ausblick: Die Relevanz von Nature nimmt zu -– deren strategische Behandlung in deutschen Banken steht derzeit noch am Anfang 

Unsere Analyse zeigt, dass das Thema Nature mit seinen verschiedenen Facetten bislang noch zögerlich, aber zunehmend strategisch, in größerer Tiefe und produktbezogen behandelt wird. 

Als Treiber dieser Entwicklung sind nicht nur die steigende wirtschaftliche Relevanz des Themas, und der regulatorische Offenlegungsdruck, sondern auch das steigende Interesse verschiedener Stakeholder am Themenkomplex Nature auch im internationalen Umfeld zu sehen.  

PwCs Einblicke in Prüfungs- und Beratungsmandate bei zahlreichen Kreditinstituten bestätigen das Bild, dass insbesondere durch Offenlegungsanforderungen bei entsprechender Wesentlichkeit die Institute nicht nur Nature Themen planen offenzulegen, sondern deshalb auch bereits Maßnahmen und Strategien entwickeln. Durch die kommenden ersten Veröffentlichungen der CSRD wird außerdem eine steigende Verfügbarkeit an Informationen im Themenbereich Nature im gesamten Mark erwartet, sodass Steuerung nach diesem Themen besser ermöglicht wird. Es ist außerdem zu erwarten, dass in den nächsten Monaten und Jahren andere große Finanzinstitute zu den TNFD Early Adoptern stoßen werden. Gleichzeitig werden Tools oder Rahmenwerke zur Messung von biodiversitätsbezogenen Risiken weiterentwickelt und Standards zur Berichterstattung wie von der GRI veröffentlicht. 

Somit ergibt sich ein zunehmend dynamisches Gesamtbild mit einem klaren Trend: Das Thema Nature wird in der strategischen Behandlung und als Steuerungselement immer wichtiger. 

Zum Fokusthema Biodiversität wurde in den letzten Monaten eine umfangreiche Umfrage mit verschiedenen deutschen Finanzdienstleistern von PwC gemeinsam mit dem WWF durchgeführt, deren Ergebnisse im Mai 2024 veröffentlicht werden. 

Weiterführende Links: 

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Angela McClellan

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