Naturschutz im Fokus der Finanzinstitute: Verbesserte Analysemöglichkeiten

Was hält das aktuelle Update von ENCORE für die naturbezogene Portfolioanalyse von Finanzunternehmen bereit?

Die Bewertung von naturbezogenen Interdependenzen gewinnt in der Finanzbranche – angetrieben durch Marktdynamiken und regulatorische Anforderungen – zunehmend an Bedeutung. Viele Finanzdienstleister stehen noch am Anfang dieser Entwicklung, doch die strategische Relevanz wächst stetig. Das jüngste Update von ENCORE bringt grundlegende Neuerungen mit sich, die eine tiefere wissenschaftliche Fundierung, die Einbeziehung von Lieferketten und standardisierte Sektorklassifikationen umfassen. Mit der Bewertung von 271 ökonomischen Aktivitäten basierend auf ISIC und der einfachen Verknüpfung mit NACE und GICS mittels Mapping-Tabellen, wird die Portfolioanalyse erheblich erleichtert. Zusätzlich erweitern detaillierte Differenzierungen von Ökosystemtypen und die Integration kultureller Ökosystem-Dienstleistungen die analytischen Möglichkeiten für Finanzdienstleister.

Der Themenkomplex Natur rückt zunehmend in den Fokus der Finanzwirtschaft, Analysemöglichkeiten verbessern sich stetig

Die Natur liefert essenzielle Ressourcen für Gesellschaft und Wirtschaft, die für viele Produktionsprozesse unverzichtbar sind. Bspw. schützen Mangrovenwälder Küsten und erhalten Fischbestände, was wirtschaftlich Milliarden wert ist. Wird ein Korallenriff durch Umweltverschmutzung zerstört, kann dies Fischereiflotten und deren Finanzierer hart treffen. Der Verlust von Naturräumen führt also zu fundamentalen Wertminderungsrisiken. Mehr als die Hälfte des globalen BIPs in Höhe von 44 Bio. USD ist nach Angaben des World Economic Forums durch Naturrisiken gefährdet. Das World Economic Forum (WEF) hat ausgerechnet, dass der Verlust von Leistungen der Natur wie Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit oder Luft- oder Wasserreinigung vom Jahr 2030 an jährliche Kosten von mehr als 2,7 Bio. USD verursachen könnte. Das entspricht einem Rückgang der globalen Wirtschaftsleistungen von rund 2,3 %. Naturrisiken betreffen den Finanzsektor direkt: Laut der Europäische Zentralbank sind 75 % der Kredite in der Eurozone an Unternehmen mit hohen Abhängigkeiten gegenüber der Natur vergeben. Zudem lassen sich ohne Maßnahmen im Biodiversitätsschutz die globalen Klimaziele nicht erreichen, da intakte natürliche Lebensräume als Kohlenstoffsenken essenziell sind.

Vor diesem Hintergrund gibt es wachsende regulatorische Anforderungen für Finanzinstitute und Unternehmen im Bereich Biodiversitätsschutz u.a. durch die 2025 in Kraft tretende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur und die EU-Entwaldungsrichtlinie, steigende aufsichtsrechtlichen Erwartungen wie den Leitfaden zum Management von ESG-Risiken der European Banking Authority (EBA) oder freiwillige Frameworks wie die Taskforce on Nature-Related Disclosures (TNFD), die  Finanzinstitute zwingen, sich stärker mit ihren Interdependenzen mit der Natur auseinandersetzen und geeignete Daten zu erheben. Das Global Biodiversity Framework legt die internationalen Ziele zum Biodiversitätsschutz fest, welche ohne die Mitwirkung des Finanzsektors als Investor, Kreditgeber und Versicherer nicht erreichbar sind.

Auch wenn Finanzinstitute zunehmend diese Zusammenhänge erkennen und das Thema beginnen anzugehen, betrachten sie die Portfolioanalyse nach Biodiversitätskriterien weiterhin als Herausforderung. Einer PwC/WWF-Studie zufolge, sehen 75 % der Befragten die Herausforderung vor allem in der Quantifizierung von Biodiversität und Ökosystemen und für 69 % der Befragten fehlt es an einer geeigneten Dateninfrastruktur.

Diese Lücke adressiert das grundlegende Update der ENCORE-Datenbank, indem es umfassendere Daten zur Bewertung der potenziellen Biodiversitätsauswirkungen und Abhängigkeiten bereitstellt und so einen bedeutenden Fortschritt für den Einstieg in die Analyse naturbezogener Finanzrisiken für die Finanzbranche darstellt.

Laut der PwC-Studie nutzen Finanzinstitutionen Biodiversitätsdaten hauptsächlich für externes Reporting, Risikomanagement und Maßnahmen zur Reduktion ihrer ökologischen Auswirkungen. ENCORE unterstützt Finanzdienstleister bei der Bewertung der Umweltauswirkungen ihrer Investitionen und Versicherungstechniken und wird von der TNFD empfohlen. Die Datenbank ist besonders wertvoll für einen Einstieg in das Risikomanagement und kann bei der Umsetzung der CSRD-Anforderungen unterstützen.

Neuerungen im ENCORE Update

ENCORE bringt viele Neuerungen, welche die Anwendbarkeit und Methodik der Analyse verbessern und nun neben qualitativen, auch quantitative Datengrundlagen zur Bewertung der naturbezogenen Abhängigkeiten und Auswirkungen verwenden. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen vorgestellt und deren Auswirkung auf eine Portfolioanalyse mit ENCORE bewertet.

1. Erweiterung der Perspektive: Integration der vorgelagerten und nachgelagerten Lieferketten

In früheren Versionen von ENCORE wurden potenzielle Risiken in den Lieferketten nicht berücksichtigt, obwohl diese einen erheblichen Einfluss auf naturbezogene finanzielle Risiken haben können. Diese Limitation wurde im Update von ENCORE adressiert: Nun sind Informationen zu Lieferketten integriert, was eine indikative zweistufige Analyse der vorgelagerten und nachgelagerten Wertschöpfungsketten ermöglicht. Dadurch können Risiken und Abhängigkeiten umfassender und präziser erfasst werden.

2. Verbesserte Methodik zur Bewertung der Materialität

Die jüngste Version von ENCORE bietet eine verbesserte Methodik zur Bewertung der Materialität, die sowohl auf quantitativen als auch auf qualitativen Grundlagen (u.a. Umwelterweiterte multiregionale Input-Output-Tabellen (EE MRIO) basiert. Dieser neue Bewertungsansatz ermöglicht es, die Wechselwirkungen zwischen natürlichen Ressourcen und wirtschaftlichen Aktivitäten transparenter und nachvollziehbarer darzustellen. Durch die Integration aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Branchenexpertisen wird ein klarer Zusammenhang zwischen den Einflüssen der Natur auf ökonomische Aktivitäten und umgekehrt geschaffen. Dies bietet Finanzdienstleistern eine fundierte Basis für eine präzise Risikoanalyse und unterstützt sie dabei, nachhaltigere und strategisch besser informierte Entscheidungen zu treffen.

3. Integration von kulturellen Ökosystemdienstleistungen

Die Integration kultureller Ökosystemdienstleistungen, stellt eine bedeutende Erweiterung dar. Kulturelle Ökosystemdienstleistungen umfassen eine Vielzahl von Leistungen, die natürliche Umgebungen für Menschen bieten, darunter Erholung und Freizeit, ästhetische Werte, Bildung sowie spirituelle, künstlerische und symbolische Dienste. Diese Dienstleistungen sind für viele Unternehmen von großer Bedeutung. Tourismusunternehmen und Freizeitparks profitieren direkt von natürlichen Landschaften und Erholungsgebieten, die Besuchern eine attraktive Umgebung bieten. Bildungseinrichtungen und Forschungsinstitute nutzen natürliche Ökosysteme für wissenschaftliche Studien und Umweltbildung. Immobilienunternehmen können höhere Preise für Objekte in landschaftlich reizvollen Gebieten erzielen. Durch die Einbeziehung kultureller Ökosystemdienstleistungen in ENCORE können Finanzinstitute diese Abhängigkeiten besser verstehen und in ihre Risikobewertung mit einbeziehen.

4. Vereinfachte Portfolioanalyse durch einheitliche Sektorklassifikationen

Die Einführung einer detaillierteren und standardisierten Sektorklassifikation (ISIC) von der 271 ökonomische Aktivitäten in Hinblick auf Abhängigkeiten und Auswirkungen bewertet wurden, ermöglicht die Verbindung von Portfolios mit wirtschaftlichen Aktivitäten und vereinfacht diese erheblich. Die neuen Mapping-Tabellen ermöglichen eine einfache Verknüpfung mit den NACE- und GICS-Klassifikationen und bieten Finanzdienstleistern eine klar strukturierte und praxisnahe Anwendung. Die Verknüpfung zu NACE ermöglicht unter anderem auch eine Einordnung im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung, welche auf NACE beruht.

Limitationen

Eine zentrale Einschränkung von ENCORE bleibt die generische Betrachtung von Wirtschaftsaktivitäten, unabhängig von dem Ort. Trotz der zahlreichen Verbesserungen und Erweiterungen erfolgt die Bewertung der Aktivitäten generisch und berücksichtigt nicht die individuellen Umstände, unter denen Unternehmen operieren. Dies ist bei der Bewertung von Biodiversitätsrisiken ein entscheidender Nachteil, da lokale Umweltbedingungen und spezifische ökologische Kontexte eine essenzielle Bedeutung haben. Eine präzise Analyse der tatsächlichen Interdependenzen zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten und ökologischen Zusammenhängen ist daher nicht möglich, was die Genauigkeit und Aussagekraft der Risikobewertungen einschränken und die Kombination mit weiteren Tools und Methoden verlangt.

Zudem ist nicht vorgesehen die Materialität verschiedener Ökosystemdienstleistungen für einen Sektor quantitativ miteinander in Verbindung zu setzen. Es ist nicht vorgesehen, dass ein sehr hohes Materialitätsrating für die Bereitstellung von Wasser in der Wirtschaftsaktivität „Reisanbau“ etwa ins Verhältnis zu den sehr hohen Abhängigkeiten der Bodenqualität gesetzt wird. In Bezug darauf gibt ENCORE keine Anleitung, wie verschiedene Impacts und Abhängigkeiten miteinander zu verrechnen und Grenzwerte der Wesentlichkeit zu definieren sind. Dieses Feld entwickelt sich stetig weiter und ist aktuellen Forschungserkenntnissen und Best Practice im Markt anzupassen.

Fazit und Ausblick: ENCORE bleibt ein geeigneter Einstiegspunkt in die Analyse von naturbezogenen Risiken und Impacts von Portfolios

Die neuesten Updates von ENCORE bieten die Möglichkeit, naturbezogene finanzielle Risiken detaillierter und genauer zu analysieren und strategische Entscheidungen abzuleiten. Mit der Einführung einer standardisierten Sektorklassifikation (ISIC) und der Erweiterung auf 271 ökonomische Aktivitäten wird die Verbindung von Portfolios mit wirtschaftlichen Aktivitäten wesentlich vereinfacht. Die Integration kultureller Ökosystem-Dienstleistungen sowie die Berücksichtigung der vorgelagerten und nachgelagerten Lieferketten ermöglichen eine wesentlich verbesserte Risikoanalyse und eine fundiertere Ableitung von Strategien.

Diese Entwicklungen kommen zu einer Zeit, in der neue Regularien wie die CSRD, das Gesetz zur Widerherstellung der Natur und die Entwaldungsrichtlinie den Druck auf Unternehmen und Finanzinstitute erhöhen, sich intensiver mit Biodiversität und Wasserressourcen auseinanderzusetzen. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, naturbezogene Risiken in die strategischen Entscheidungen zu integrieren.

PwC verfügt über umfassende Expertise in den etablierten und aufstrebenden regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Frameworks und kann Finanzinstitute dabei unterstützen, diese zu navigieren und implementieren. Darüber hinaus hat PwC strategische Nature-Projekte mit verschiedenen Finanzinstituten durchgeführt und unterstützt diese bei der Entwicklung und Implementierung effektiver naturbezogener Risikomanagement- und Reportingstrategien.

Finanzinstitute, die bereits mit der alten ENCORE-Datenbank Assessments durchgeführt haben, sollten ein neues Assessment in Betracht ziehen, da sich die Bewertungsgrundlagen und Methodiken signifikant verändert haben. Die Kombination mit anderen Methoden und Tools ist für eine umfassende Bewertung weiterhin zu empfehlen. Dies stellt sicher, dass Finanzunternehmen ihre strategischen Entscheidungen auf den aktuellen und präzisesten Daten basieren und sie den wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Transparenz gerecht werden. Der Zeitpunkt, um mit einem neuen naturbezogenen Assessment zu beginnen und die verbesserten Daten und Methoden zu nutzen, ist unter Betrachtung der fundamentalen Veränderungen jetzt ideal.

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Angela McClellan

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