Die Bedeutung von Biodiversitätsrisiken für den Immobiliensektor

Welche Rolle spielt Biodiversität für Banken, Versicherer und Finanzierer im Immobiliensektor?

Angesichts des fortschreitenden Verlusts der Biodiversität und seiner weitreichenden Folgen für die globale Wirtschaft, steht auch die Immobilienbranche vor bedeutenden Herausforderungen. Von der Urbanisierung bis hin zu Extremwetterereignissen – die Auswirkungen auf natürliche Lebensräume und Ökosysteme sind enorm. Doch welche Risiken und Chancen ergeben sich daraus für Immobilienentwickler, Banken und Versicherungen? In unserem Blogbeitrag beleuchten wir die entscheidende Rolle der Biodiversität für die Immobilienwirtschaft und zeigen auf, wie nachhaltige Maßnahmen nicht nur zur ökologischen, sondern auch zur wirtschaftlichen Resilienz beitragen können. Erfahren Sie, warum der Schutz und die Förderung der Biodiversität mehr als nur eine ökologische Verantwortung ist und wie alle Akteure der Finanzbranche davon profitieren können.

Was ist Biodiversität und welche Bedeutung hat sie für die Immobilienwirtschaft? 

Laut der Biodiversitätskonvention der UN (CBD) ist Biodiversität die Vielfalt aller lebenden Organismen, Lebensräume und Ökosysteme auf dem Land, im Wasser und in der Luft. Aktuell befindet sich die Biodiversität in einem desolaten Zustand und das weltweite Artensterben hat bereits enorme Ausmaße angenommen. Bereits eine Millionen Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht und der Bestand an Wirbeltieren ist seit 1970 um 69% zurückgegangen (WWF Living Planet Report, 2022). Der fortschreitende Verlust von Biodiversität könnte die globale Wirtschaft bis 2030 jährlich mit 2,7 Billionen USD belasten (Weltbank, 2021).

Die Urbanisierung trägt durch die Zerstörung von Lebensräumen erheblich zum Verlust biologischer Vielfalt bei. Grund dafür sind vor allem großflächige Versiegelungen und erhebliche Ressourcennutzung zur Materialherstellung, aber auch die Kontamination durch Bauabfälle. Deshalb gilt die Bau- und Immobilienwirtschaft als einer der Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts.  Auf der anderen Seite ist die Bau- und Immobilienwirtschaft abhängig von natürlichen Ressourcen und intakten Ökosystemen. Die Bau- und Immobilienwirtschaft nimmt deshalb beim Schutz und der Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen eine entscheidende Rolle ein. 

Die PwC-Studie “Natur ist unser Kapital - Biodiversität: Ein unterschätztes Thema in der Immobilienwirtschaft” hat sich mit diesem Thema beschäftigt und bietet interessante Erkenntnisse. Laut der Studie erkennen immerhin mehr als 80% der befragten Immobilienexpert:innen die Relevanz von Biodiversität für die Branche an. Gleichzeitig spielt jedoch für 54% der Stakeholder Biodiversität bisher kaum eine Rolle. Bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität werden nicht nur fehlende Vorgaben und klare Guidelines (43%), fehlender Druck seitens der Politik/ Regierung (58%) und zu hohe Kosten (43%) von beispielsweise Gebäudebegrünungen, sondern auch die anscheinend oftmals entgegenstehenden Interessen der Mieter:innen (86%) als Hindernisse genannt.

Auch für Finanzunternehmen haben Biodiversitäts- und Ökosystemaspekte bislang weitgehend noch keine strategische Relevanz, wie die von PwC gemeinsam mit dem WWF durchgeführte Studie „Natur- und Biodiversitätsschutz im deutschen Finanzsektor – eine Bestandsaufnahme“ zeigt. Jedoch hat sich das Verständnis für die Synergien von Biodiversitätsmaßnahmen mit der Erreichung der Klimaziele unter den Teilnehmenden erhöht und die Hälfte der befragten Unternehmen verfügt bereits bzw. ist dabei, sich Ziele zum Biodiversitätsschutz zu setzen.

Welche Risiken ergeben sich aus dem zunehmenden Biodiversitätsverlust für die Bau- und Immobilienwirtschaft? 

Der Bau- und Immobiliensektor ist in hohem Maße von Biodiversität und intakten Ökosystemen abhängig. Biodiversitätsrisiken haben daher auch eine erhebliche Bedeutung für Banken und Versicherungen mit Immobilieninvestments oder entsprechenden Versicherungspolicen. Biodiversität ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Rentabilität von Investitionen, indem sie nicht nur die Attraktivität von Immobilienprojekten erhöht, sondern auch die Objektfertigstellung und -versorgung sicherstellt.  Daher sollten beispielsweise Banken diese Aspekte in ihre Immobilienbewertungsmodelle integrieren.

Biodiversitätsrisiken lassen sich wie folgt unterteilen:

  1. Physische Risiken 
  2. Transitorische Risiken

Während sich transitorische Risiken durch Veränderungen im rechtlichen Rahmen ergeben und durch politische Maßnahmen beispielsweise zu standortabhängiger geringer Nachfrage oder Preisänderungen führen können, entstehen physische Risiken vor allem durch die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkniederschlag oder Hitze.

Physische Risiken umfassen insbesondere Klimarisiken wie Hitze, Starkregen und Überflutungen.  Im Jahr 2021 wurden so viele Schäden durch Naturgefahren verursacht, wie noch nie, nämlich 12,5 Milliarden EUR, so der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Physische Risiken werden durch den Verlust von Ökosystemdienstleistungen wie Wasserrückhaltung und Bodenerosionskontrolle verstärkt. Dies führt zu erhöhten Objektrisiken in Form von Überschwemmungen, Erdrutschen und Bodensenkungen. Zudem erschwert die reduzierte Biodiversität das lokale Wassermanagement, da ohne die natürliche Wasserspeicherung und -filterung durch diverse Ökosysteme Probleme mit der Wasserversorgung und -qualität auftreten können. Diese Faktoren wirken sich direkt auf die Nutzbarkeit und den Wert von Immobilien aus.

Dies zeigt, dass die Förderung und Erhaltung der Biodiversität nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt sowie zur Verringerung von Risiken beiträgt. Durch biodiversitätsfördernde Maßnahmen an der Immobilie können Versicherungsprämien positiv beeinflusst und die Versicherbarkeit insgesamt verbessert werden. Für Banken stellt der Biodiversitätsverlust ein erhebliches Risiko für Wertverluste und Kreditausfälle dar, da Immobilien in gefährdeten Gebieten durch Umweltkatastrophen stark an Wert verlieren können. Finanzierer stehen vor ähnlichen Herausforderungen, da die Absicherung von Krediten schwieriger wird und erhöhte Sicherheiten gefordert werden.

Transitorische Risiken sind von besonderer Bedeutung für Banken, Versicherer und Finanzierer im Immobiliensektor, da sie die Anpassung an neue Regulierungen und gesetzliche Anforderungen erfordern. Aktuell nehmen diese Anforderungen kontinuierlich zu. Grund dafür sind zahlreiche Gesetzesvorhaben auf EU- und nationaler Ebene zur Umsetzung des Kunming-Montreal Global Biodiversity Frameworks. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Flächeneinsparung, Aufwertung vorhandener Flächen, Ausweisung von Schutzgebieten und Bepflanzung zur Kühlung und Verschattung, insbesondere in städtischen Gebieten. Es wird zudem angestrebt, versiegelte Flächen aufzubrechen und Korridore zwischen Ökosystemen über Bestandsobjekte hinweg zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist das EU-Renaturierungsgesetz, das Monate lang umkämpft war und letztlich am 17. Juni 2024 verabschiedet wurde. Demnach darf es zu keinem Nettoverlust an städtischer Grünfläche und Baumüberschirmung im Vergleich zu dem Jahr des Inkrafttretens (2024) der Verordnung kommen. Erreicht werden soll dies unter anderem gemäß Art. 8 durch Integration städtischer Grünflächen in Gebäude und Infrastrukturen. Damit hat es nicht nur Relevanz für Neubauten, sondern vor allem für Bestandsobjekte. Die nationale Gesamtfläche städtischer Grünflächen soll ab 2031 einen steigenden Trend verzeichnen. Zusätzlich muss in jedem städtischen Ökosystemgebiet ein steigender Trend in Bezug auf die städtische Baumüberschirmung erreicht werden. Insbesondere haben Banken und Versicherer sich aber auch an internationale Standards wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) und andere europäische Rahmenwerke wie die EU-Taxonomie-Verordnung oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) anzupassen.

Diese Anpassungen sind nicht nur notwendig, um rechtliche Vorgaben zu erfüllen, sondern auch, um Reputationsrisiken zu vermeiden, die durch Nicht-Compliance entstehen könnten. Gleichzeitig können jedoch Banken, die beispielsweise nachhaltige Immobilienfonds auflegen, von regulatorischen Anreizen und Förderprogrammen profitieren, wenn sie Biodiversitätsaspekte in ihre Kreditvergabe und Investitionsstrategien integrieren. Für Immobilienprojekte, die Biodiversitätsaspekte berücksichtigen, bieten sich dadurch bessere Finanzierungsbedingungen und ein erleichterter Zugang zu Kapital, insbesondere von ESG-Investoren, die solche Projekte als besonders attraktiv ansehen. Finanzierer berücksichtigen zunehmend Biodiversität im Rahmen des ESG-Scorings und entwickeln Nachhaltigkeitsbenchmarks, um die Integration ökologischer und sozialer Kriterien in ihre Bewertungssysteme zu fördern. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Resilienz gegen transitorische Risiken zu erhöhen und die langfristige Nachhaltigkeit im Immobiliensektor zu sichern.

Rechtliche Anforderungen und Rahmenwerke für den Biodiversitäts- und Ökosystemschutz 

sustainabilityblod_02102024.jpg [id=238279]

Vor dem Hintergrund der aktuellen Berichts- und Offenlegungsvorschriften ist der Immobiliensektor auch von der EU-Taxonomie betroffen. Insbesondere mit dem Umweltziel 6 “Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen” wird das Thema Biodiversität behandelt und betrifft hier den Immobiliensektor, u.a. auch durch die Einhaltung der Do No Significant Harm (DNHS) Kriterien im Rahmen der weiteren Umweltziele. Ebenso im Kontext der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) regelt der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) E4 die Berichtserstattungspflichten bzgl. Biodiversität und Ökosystemen, auch für Unternehmen in der Immobilienbranche. Bspw. müssen Unternehmen in den Bereichen Bau- und Ingenieurwesen, sowie im Baumaterialiensektor ihre Landnutzung auf Basis einer Ökobilanz offenlegen. Des Weiteren gibt es ein neues Rahmenwerk der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD), welches darauf abzielt Unternehmen und Finanzinstitutionen dabei zu unterstützen, naturbezogene Risiken und Chancen besser zu identifizieren, zu bewerten und zu managen. Dieses Framework ist besonders relevant für den Immobiliensektor, da dieser häufig in erheblichem Maße von natürlichen Ressourcen und Ökosystemen abhängt und gleichzeitig erhebliche Auswirkungen auf diese haben kann.

Es besteht dringender Handlungsbedarf – Lösungsansätze

Da der Bau- und Immobiliensektor maßgeblich zum Verlust der Biodiversität beiträgt und die Biodiversitätskrise sich weiter verschärft, besteht ein dringender Handlungsbedarf und ein Umdenken in der Branche ist unerlässlich. Dabei sollten nicht nur die Risiken berücksichtigt werden, die durch den Verlust der Biodiversität entstehen, sondern auch die Chancen, die sich durch deren Schutz ergeben können. So können beispielsweise Werte erhalten oder sogar gesteigert werden, Assets weiterhin nutz- und vermarktbar gemacht werden und negativen Auswirkungen im urbanen Raum, wie beispielsweise Wärmeinseln, Luftqualität, Lärmbelastung, Wasserhaushalt oder Lichtverschmutzung aktiv gemindert werden.

Um den Verlust der Biodiversität und dessen Auswirkungen auf den Immobiliensektor effektiv zu bekämpfen, sind verschiedene Lösungsansätze seitens Banken, Versicherer und Finanzierer möglich:

  • Implementierung von Biodiversitätskriterien bei der Kreditvergabe: Finanzinstitute sollten die Biodiversitätspraktiken ihrer Kreditnehmer überprüfen, um sicherzustellen, dass diese nachhaltigen Maßnahmen ergreifen. Kreditnehmer brauchen daher zwingend eigene Biodiversitätsstrategien.
  • Grüne Kredite und Immobilienfonds: Investitionen in grüne Kredite und spezielle Immobilienfonds, die nachhaltige Projekte unterstützen, können die Biodiversität fördern.
  • Errichtung von Biodiversitätsfonds: Diese Fonds können gezielt in Projekte investieren, die den Erhalt und die Förderung der Biodiversität zum Ziel haben.
  • Anpassung der Risikomodelle: Risikomodelle sollten so modifiziert werden, dass sie Biodiversitätsrisiken besser berücksichtigen. Dies könnte sich in der Prämiengestaltung und Risikobewertung widerspiegeln.
  • Präventionsprogramme: Implementierung von Programmen, die Versicherungsnehmer dazu ermutigen, präventive Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität zu ergreifen, z.B. Anreize wie Prämienrabatte für umweltfreundliche Praktiken. 
  • Bewertung des Immobilienstandorts: Die Bewertung des Immobilienstandorts ist von entscheidender Bedeutung. Hieraus lassen sich dann notwendige und geeignete Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Biodiversität ableiten.
  • Verwendung von Tools: Der Einsatz spezialisierter Tools kann helfen, Biodiversitätsaspekte besser in die Entscheidungsprozesse zu integrieren.
  • Integration von Biodiversitätsaspekten in Kernprozesse: Biodiversitätsaspekte sollten in die zentralen Prozesse und Strategien von Unternehmen eingebunden werden.
  • Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen: Die Schaffung neuer, biodiversitätsfreundlicher Produkte und Dienstleistungen kann zusätzliche Marktchancen eröffnen.
  • Zusammenarbeit mit externen Partnern: Kooperationen mit externen Partnern, wie NGOs oder wissenschaftlichen Institutionen, können wertvolle Expertise und Ressourcen einbringen.

Diese Ansätze können als Bestandteil bei der Entwicklung und Implementierung einer umfassenden Biodiversitätsstrategie herangezogen werden. Banken, Versicherer und Finanzierer können auf diese Weise ihre Risiken handhabbar machen. Kurzfristig ist es jedoch vor allem wichtig, den Klima-/ Biodiversitätsnexus zu verstehen und etwaige Wechselwirkungen zu vermeiden, bzw. zu reduzieren. 

Fazit 

Die Berücksichtigung von Biodiversität in der Immobilienwirtschaft ist entscheidend, um ökologische und wirtschaftliche Risiken zu minimieren und Chancen zu maximieren. Finanzinstitute spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie durch die Integration von Biodiversitätsaspekten in ihre Kreditvergabe, Versicherungsprodukte, Investitionsstrategien und Risikomanagementprozesse nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen und ihre Reputation verbessern können. Dies ermöglicht ihnen, Risiken besser zu managen und gleichzeitig nachhaltige Investitionen zu fördern. Eine ganzheitliche Herangehensweise, die Biodiversität in alle Entscheidungsprozesse und Geschäftsstrategien integriert, ist jedoch unerlässlich. Nur so können Finanzinstitute und die Immobilienbranche insgesamt ihren Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten und gleichzeitig ihre Resilienz und Rentabilität erhöhen.

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

Zu weiteren PwC Blogs

Kontakt

Angela McClellan

Angela McClellan

Director
Berlin

Zum Anfang