Product Carbon Footprint (PCF) als zentrales Element einer soliden Treibhausgas (THG)-Bilanz für Scope-3-Emissionen

PCFs können Unternehmen auf dem Weg zur Netto-Null unterstützen – damit einher geht auch eine steigende Nachfrage zur Methodik und Software für eine praktischen Umsetzung.

Der Einkauf nimmt im Kontext der Dekarbonisierung von Unternehmen eine besondere Rolle ein. Nachhaltige Einkaufs-Richtlinien in Verbindung mit einem effektiven Lieferantenmanagement sind von zentraler Bedeutung für die Steuerung der vorgelagerten Scope-3-Emissionen. Doch welche Möglichkeiten haben Unternehmen diese Emissionen zu berechnen und proaktiv zu reduzieren? Welche Herausforderungen treten in der Praxis auf und wie sind diese zu bewältigen?

1.) Product Carbon Footprint: Definition und Relevanz

Product Carbon Footprint (PCF) ist eine Untergruppe der umfassenderen Konzepte zu Life Cycle Assessment (LCA) und Corporate Carbon Footprint (CCF), die sich auf die Analyse der Kohlenstoffemissionen während des Lebenszyklus eines Produkts, ausgedrückt in CO2e, kontenzentriert. CO2e sind CO2 Äquivalente; eine Maßeinheit, welche diverse Treibhausgase in einem Wert zusammenfassen. 
Anders erklärt quantifiziert der PCF die THG-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der Rohstoffbeschaffung über den Produktionsprozess und den Transport bis zum Werkstor („cradle-to-gate“) oder bis hin zur Nutzung und Entsorgung eines Produkts („cradle-to-grave“). 

Nach dieser kompakten Definition stellen Sie sich bestimmt die Frage, wieso Sie sich mit den Emissionen entlang der Wertschöpfungskette Ihres Unternehmens beschäftigen sollten, oder? 

Wir haben dasselbe getan und nachfolgend die aus unserer Sicht die drei größten Treiber definiert, welche für eine Auseinandersetzung mit dem Thema sprechen: 

1. Erfüllung der regulatorischen Anforderungen und Compliance

Viele Länder und Regionen, allen voran die Europäische Union, setzen zunehmend gesetzliche Anforderungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen durch. Diese schreiben in vielen Fällen vor, PCF-Analysen durchzuführen. So zum Beispiel im Kontext der Corporate Social Responsibility Directive (CSRD), welche dazu verpflichtet, darüber zu berichten, ob Unternehmen Klimaziele für die Reduzierung der THG-Emissionen in Scope-1-3 festgelegt haben und ob diese wissenschaftlich fundiert sind (1,5°C Ziel). Doch auch andere Verordnungen, wie beispielsweise die „Regulation on Ecodesign for Sustainable Products“ (ESPR), die Ökodesign als umfassenden Gestaltungsansatz für Produkte in den kommenden Jahren etablieren wird, steht mit dem PCF in direkter Verbindung. Besonderes Augenmerk liegt bei vielen Unternehmen aktuell jedoch auf dem „Carbon Border Adjustment Mechanism“, kurz CBAM. Unternehmen stehen dabei vor der Herausforderung, die Emissionen definierter Produktgruppen, hergestellt außerhalb der EU, von Ihren Lieferanten abzufragen und transparent zu machen. Dies ist eine Mammut-Aufgabe, betrachtet man prozessuale und systemische Anpassungen, die notwendigen Ressourcen und den Zeitaufwand. Frühzeitig mit den Lieferanten an der Erstellung von PCFs zu arbeiten, wird hier für eine langfristig deutliche Entlastung sorgen können.

2. Wettbewerbsfhäigkeit und Marktstellung

Mit Blick auf die aktuellen Marktentwicklungen gehen wir davon aus, dass ein niedriger PCF schon heute als Alleinstellungsmerkmal dient und Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Dies lässt sich mit folgenden Aspekten begründen:

  • Transparenz und Verbrauchervertrauen
    • Informierte Entscheidungen: Ein PCF ermöglicht es Verbrauchern, fundierte Entscheidungen zu treffen, indem sie die Umweltbelastung verschiedener Produkte vergleichen können.
    • Vertrauensbildung: Unternehmen, die offen über ihren PCF berichten, können das Vertrauen ihrer Kunden und Stakeholder stärken. Transparenz schafft Glaubwürdigkeit und kann die Markenloyalität erhöhen.
  • Kosteneffizienz und Ressourcenschonung
    • Effizienzsteigerung: Durch die Analyse des PCF können Unternehmen ineffiziente Prozesse identifizieren und optimieren. Dies führt oft zu Kosteneinsparungen und einer effizienteren Nutzung von Ressourcen. Das Zusammenspiel zwischen Kostenmanagement und Dekarbonisierung wird immer stärker Hand in Hand gehen.
    • Risikomanagement: Ein besseres Verständnis der eigenen Emissionen hilft Unternehmen, Risiken im Zusammenhang mit zukünftigen regulatorischen Änderungen oder Marktanforderungen besser zu managen.

Zudem kann die Notwendigkeit, den PCF zu senken, Innovationen anregen, da Unternehmen neue Prozesse, Produkte und Technologien entwickeln, um effizienter und umweltfreundlicher zu arbeiten. 

3. Klimaschutz und Umweltverantwortung 

Geht Ihr persönliches Ambitionsniveau über das der reinen Notwendigkeit, PCFs im Kontext der Regulationen durchzuführen, hinaus, leistet die Methode auch einen positiven Impact im Kontext der selbst auferlegten, unternehmenseigenen Klimaschutzziele. 

Um die eigenen Ziele zu erreichen, braucht es Transparenz, um zu messen, ob Sie weiter auf Kurs sind, oder gegensteuern müssen. Der PCF hilft Unternehmen, die Quellen ihrer Emissionen zu identifizieren und zielgerichtete Maßnahmen zur Reduktion zu entwickeln. Dies ist entscheidend, um sowohl die eigenen als auch die globalen Klimaziele zu erreichen und die Erderwärmung zu begrenzen. Durch die Reduktion des PCF tragen Unternehmen also zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen und zur Schonung der Umwelt bei. 

Zusammengefasst ist der PCF ein mächtiges Werkzeug, das Unternehmen hilft, ihre Umweltauswirkungen zu verstehen und zu reduzieren. Er trägt zur Erreichung globaler Klimaziele bei, stärkt das Vertrauen von Verbrauchern und Stakeholdern und bietet vielfältige Vorteile in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Kosteneffizienz und gesellschaftliche Verantwortung.

Wir wollen nicht ausschließen, dass es noch viele weitere Gründe und konkrete Probleme gibt, die Sie dazu bringen, sich stärker mit der Etablierung von PCFs zu beschäftigen. Da Scope 3 Emissionen außerhalb der direkten Kontrolle des bilanzierenden Unternehmens liegen, stellt die Erfassung und Reduktion dieser Emissionen allerdings oft eine große Herausforderung dar. Wie genau Sie einen PCF durchführen können und welche Rolle ein aktives Lieferantenmanagement spielt, lesen Sie daher kompakt zusammengefasst im zweiten Teil des Artikels.

2.) Vorbereitung eines PCFs: Die Grundvoraussetzung schaffen 

Entscheiden Sie sich in Ihrem Unternehmen dafür, einen PCF durchzuführen, sind drei Faktoren von zentraler Bedeutung: 

  • Ziel
  • Scope 
  • Daten 

Ziel 
Der Anwendungsfall der PCF-Berechnung muss bestimmt werden, d.h. es muss festgelegt werden: 

  • Warum die Berechnung durchgeführt wird und wie die Ergebnisse genutzt werden sollen (z.B. als Entscheidungsgrundlage, für Produktvergleiche oder Wirkungsanalysen)
  • Wer das Zielpublikum ist, da dies zeigt, wie die Ergebnisse interpretiert (d.h. welche Erkenntnisse relevant sind) und kommuniziert werden sollten 

Scope 
Die folgenden Aspekte definieren die Grenzen für die Messung von Emissionen: 

  • Die Aggregationsebene (z. B. funktionale Einheit, Produkt/Dienstleistung, Abteilung, Wertschöpfungskette usw.) beeinflusst den Umfang des Aufwands
  • Die Bandbreite der Lebenszyklusphasen und des Emissionsumfangs (nämlich Scope 1-3) entscheidet auch darüber, wie umfassend die Bewertung ist 

Daten 
Verfügbarkeit und Qualität der Daten spielen bei den Bewertungen eine wichtige Rolle: 

  • Vollständige Datensätze verhindern eine Unter- oder Überschätzung der Emissionen;
  • Zuverlässige Datensätze ermöglichen eine fundierte Entscheidungsfindung
  • Konsistente Datensätze erleichtern Vergleiche zwischen Bewertungen oder Organisation 

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Abbildung: Das Zusammenspiel zwischen Ziel, Scope und Daten ist für eine klare Definition des jeweiligen PCFs essentiell.  

Aufgrund der Komplexität sind kontinuierliche Iterationen unbedingt notwendig. Vor allem die erforderliche Datengrundlage darf nicht unterschätzt werden. Interdisziplinäre Teams und Fachexpertise sind in jedem Fall empfehlenswert, um die Grundlagen für die Durchführung zu schaffen.

3.) Durchführung eines PCFs: Standardisierter Ablauf nach ISO-Norm unterstützt durch aqäquate Software 

Ist die Zielsetzung und Wahl der funktionellen Einheit abgeschlossen, kann mit der Datensammlung aktiv begonnen werden. Wir orientieren uns im weiteren Verlauf an der ISO 14067. Alternativ bieten auch ISO 14040/14044 Möglichkeiten zur Orientierung. Auf welchen Standard Sie sich beziehen, sollten Sie abhängig vom Zweck des Vorhabens machen. 

Datensammlung 

Unternehmen stehen hier vor der mit Abstand größten Herausforderung, da dies mit Aufwand und Unsicherheiten verbunden ist. Ziel sollte es sein, die Daten möglichst einheitlich zu erheben, damit eine einheitliche Umrechnung in die Referenzeinheit CO2e (THG-Emissionen in Kilogramm) stattfinden kann. 
Grundsätzlich können Sie Primär- und Sekundärdaten nutzen. 

Als Primärdaten werden Daten bezeichnet, die direkt aus dem Unternehmen und von Lieferanten stammen (z.B. Energieverbrauch, Materialeinsatz, etc.). ISO 14067 empfiehlt die Nutzung von Primärdaten, wann immer möglich. 

Sekundärdaten werden aus Datenbanken und der Literatur als ergänzende Information verwendet (z.B. Emissionsfaktoren für verschiedene Materialien und Energieträger). ISO 14067 erlaubt die Nutzung von Sekundärdaten, wenn Primärdaten nicht verfügbar sind. 

Ein aktives Lieferantenmanagement wirkt sich positiv auf die Bereitschaft des Datenaustausches aus. Dennoch sollten Sie auch anstreben, die Auskunft über relevante Daten vertraglich zu fixieren. 

Emissionsfaktoren definieren 

Parallel können Sie beginnen, geeignete Emissionsfaktoren zu definieren. ISO 14067 gibt Richtlinien zur Auswahl geeigneter Emissionsfaktoren und betont die Verwendung von anerkannten und aktuellen Datenquellen. Verlässliche Quellen sind zum Beispiel das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) oder die Ecoinvent-Datenbank. 

Berechnung durchführen 

Liegen die Daten vollständig vor und sind Emissionsfaktoren definiert, können die Emissionen für jede Phase des Lebenszyklus separat berechnen werden (Rohstoffgewinnung, Produktion, und Transport). Die Emissionen aller Phasen werden summiert, um den gesamten PCF des Produkts zu erhalten. 

Sustainability Blog_Beispiel für eine vereinfachte PCF-Berechnung.png [id=238255]

Abbildung: Exemplarische PCF-Berechnung eines fiktiven Guts in CO2e

Ergebnisse auswerten, interpretieren und Maßnahmen ableiten 

Liegen alle Werte vor, können Sie beispielsweise mittels einer Hotspot-Analyse identifizieren, welche Phasen des Lebenszyklus die größten Emissionen verursachen. ISO 14067 unterstützt die Durchführung solcher Analysen zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Wichtig ist, die Ergebnisse mit Branchenstandards oder ähnlichen Produkten zu vergleichen, um die eigene Position zu bewerten. Basierend auf der Hotspot-Analyse können gezielte Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen entwickeln werden (z.B. Materialeffizienz, Energieeinsparungen). Zentral ist dabei auch die Zusammenarbeit mit Lieferanten, um auch in vorgelagerten Prozessen Emissionen zu senken (z.B. vertragliche Anreize schaffen). Dem Lieferantenmanagement kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. 

Bericht erstellen und kommunizieren 

ISO 14067 gibt spezifische Anforderungen an die Dokumentation und Berichterstattung vor. In deren Umfang liegen neben Erläuterung der Methodik auch die Wahl der Datenquellen und die Ergebnisse, welche klar und einfach nachvollziehbar dargestellt werden müssen. Die Ergebnisse können sowohl intern als auch extern z.B. in Nachhaltigkeitsberichten, auf Produktverpackungen oder in Marketingmaterialien kommuniziert werden. Aber Achtung: Trotz ISO-Standard sind laut der Europäischen Kommission über die Hälfte der Claims, die sich auf umweltfreundliche Produkte beziehen, „vage, irreführend oder unbegründet“. Die Flexibilität in den PCF-Berechnungslogiken bring also auch mögliche Glaubwürdigkeitsbedenken mit sich. 

Kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung 

Für eine immer aktuelle Datengrundlage (Transparenz) ist es relevant, den PCF regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren, um Veränderungen in der Produktion oder der Lieferkette zu berücksichtigen. Basierend auf den Erfahrungen und neuen Erkenntnissen werden Sie feststellen, dass Feedbackschleifen helfen, die Methodik und die Maßnahmen zur Emissionsreduktion kontinuierlich zu verbessern. Dabei können wir nur immer wieder empfehlen, das Thema nicht singulär mit den Lieferanten zu diskutieren, sondern in die Themen Kosten und Resilienz der Lieferkette einzubinden (lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag: „Der Einkauf als Treiber der Dekarbonisierung – von der Erwartung zur Realität). 

Die Durchführung eines PCF ist hochkomplex und alles andere als trivial. Planen Sie ausreichend Ressourcen und Budget für ein erstes PCF-Projekt ein, um größtmögliche Erfahrung zu sammeln, Prozesse, Daten und Ergebnisse aktiv zu bewerten und für die Zukunft zu lernen. Zudem sollten Sie sich frühzeitig mit adäquater Software auseinandersetzen, die Sie während des PCF nutzen. Tools wie SimaPro, GaBi oder OpenLCA, die ISO 14067-konforme Berechnungen ermöglichen, müssen im Vorfeld evaluiert werden.

4.) Herausforderungen & Ausblick

Der Austausch mit unseren Kunden zeigt: Die praktische Umsetzung eines PCFs ist nicht trivial. Neben den diversen regulatorischen Einflüssen sind vor allem Fachexpertise, Daten und geeignete Software drei kritische Erfolgsfaktoren. Diese zu orchestrieren erfordert eine enge unternehmensinterne Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeitsmanagement, Einkauf und IT. Dabei kommt speziell dem Einkauf die Aufgabe zu, über die Unternehmensgrenzen hinaus die Zusammenarbeit mit den Lieferanten zu orchestrieren, um Datenlücken zu schließen und die Diskussionen in einen umfassenderen Kontext von Dekarbonisierung, Kosten und Resilienz zu führen. 

Die Relevanz von PCFs wird zunehmen. Wer bereits frühzeitig zum Beispiel im Kontext der neuen CBAM-Richtlinie Erfahrungen sammelt, wird die unternehmensspezifischen Herausforderungen kennenlernen und ist für künftige Analysen besser aufgestellt. Die Bedeutung von Supplier Engagement zur Steigerung der Motivation entlang der gesamten Lieferkette wächst stetig. Nur durch die Integration aller Stakeholder in eine umfassende Klimastrategie kann sukzessive die Net Zero Transformation gelingen. Zu guter Letzt: Es bewegt sich viel am Markt – auch mit Blick auf neue Tool-Lösungen. Eine One-size-fits-all Lösung gibt es hier derzeit nicht. Aber wir haben relevante Anbieter im Blick, um gemeinsam mit unseren Kunden weiterhin wirklichen Impact zu schaffen. 

Weiterführende Links: 

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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