Biodiversitätsschutz im Immobiliensektor: Interview mit Christiane Conrads zu den Ergebnissen der COP 16

Biodiversität spielt insbesondere im Immobiliensektor eine große Rolle. Der Sektor trägt maßgeblich zum Verlust der Artenvielfalt bei, hängt aber auch signifikant von intakten Ökosystemen ab.

Christiane Conrads, Global Real Estate Sustainability Leader, war als Teil der PwC Delegation auf der COP16 zur Biodiversität vor Ort. Im Interview, erklärt sie die Bedeutung der Konferenz und deren Ergebnisse für den Immobiliensektor. Zusätzlich geht sie auf den aktuellen Stand in der Transition zu naturpositiven Geschäftstätigkeiten ein.

1. Was sind die wichtigsten Takeaways der COP16? 

Die COP16 in Cali, Kolumbien, hat die zentrale Bedeutung der Biodiversität als Grundlage für menschliches Wohlergehen und wirtschaftliche Stabilität hervorgehoben. Obwohl die Konferenz aufgrund ungelöster Finanzierungsfragen und des mangelnden Fortschritts bei der Umsetzung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming und Montreal teilweise als weniger erfolgreich dargestellt wurde, sind bedeutende Fortschritte erzielt worden. Besonders hervorzuheben sind die Einrichtung eines Gremiums für indigene Völker und lokale Gemeinschaften (IPLCs) sowie der neue Mechanismus zum Vorteilsausgleich für genetische Ressourcen, der "Cali-Fonds". Auch wurden konkrete Schritte zur Reduzierung der Entwaldung beschlossen und entscheidende Vereinbarungen zur engeren Verzahnung von Natur- und Klimaschutz getroffen.

Die COP16 wird zu Recht auch als „People’s COP“ charakterisiert, da sie stark von den Bedürfnissen und Stimmen der Menschen geprägt war. Die breite Beteiligung verschiedener Interessengruppen und die Einbindung lokaler Gemeinschaften unterstreichen die Relevanz des Themas für die Gesellschaft insgesamt. So wurden viele beeindruckende Beispiele vorgestellt, wie Biodiversität und Naturschutz einen Beitrag zur Friedenssicherung leisten können, zum Beispiel in Form von Peace Parks. Es wurden auch einzelne Projekte vorgestellt, bei denen die Internalisierung externer Kosten weitestgehend gelungen ist.

Die Bevölkerung in Cali hat sich sehr eingebracht und war äußerst gastfreundlich, was zu einer beeindruckenden Atmosphäre in einem Land mit großer Artenvielfalt und vielen Menschen führte, die im Einklang mit der Natur leben.

Impressionen aus Cali:

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2. Was für Auswirkungen haben die Ergebnisse der COP16, insbesondere die weiterhin bestehende Finanzierungslücke, auf die langfristige Planung und Entwicklung von Immobilienprojekten und für ihre Finanzierer?

Die Immobilienwirtschaft ist aufgrund ihres hohen Ressourcen- und Flächenverbrauchs einer der Hauptverursacher des Biodiversitätsverlusts. Ihr Anteil am globalen Biodiversitätsverlust beträgt laut World Economic Forum, 2020, knapp 30%. Gleichzeitig sind Objekterrichtung und -betrieb jedoch stark von einer intakten Biodiversität und funktionierenden Ökosystemen abhängig. Angesichts dieser Wechselwirkung gewinnt die Berücksichtigung von Biodiversitätsrisiken im Rahmen des Risikomanagements zunehmend an Bedeutung.

Fehlende Finanzierungen von notwendigen Schutzmaßnahmen für die Biodiversität führen dazu, dass physische und transitorische Biodiversitätsrisiken zukünftig weiter zunehmen werden. Die Immobilienwirtschaft ist damit gefordert, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich nicht auf eine kurzfristige Abschwächung dieser Risiken zu verlassen. Die Finanzierungslücke betrifft vor allem Maßnahmen im globalen Süden, was auch indirekte Auswirkungen auf Immobilienprojekte im globalen Norden hat. Eine unzureichende Finanzierung des Biodiversitätsschutzes in Entwicklungsländern kann globale ökologische Instabilitäten verstärken, die auch die Immobilienmärkte im Norden beeinträchtigen können.

Bei der langfristigen Planung und Entwicklung von Immobilienprojekten sowie deren Finanzierung gilt es daher, Folgendes zu beachten:

  1. Erhöhte Unsicherheit und Risiken: Die Unsicherheit über zukünftige Regulierungen und potenziell strengere Umweltauflagen kann die Risikobewertung von Immobilienprojekten erschweren. Finanzinstitute und Investoren könnten zögerlich sein, Kapital für Projekte bereitzustellen, die möglicherweise höheren Umweltauflagen und zusätzlichen Kosten unterliegen.
  2. Höhere Kosten: Die Finanzierungslücke kann dazu führen, dass die Kosten für Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz steigen. Immobilienentwickler müssen möglicherweise mehr eigene Mittel aufbringen oder teurere Finanzierungsoptionen nutzen, um die erforderlichen bzw. gebotenen Umweltstandards zu erfüllen.
  3. Verzögerungen und Unsicherheit bei der Projektumsetzung: Projekte könnten aufgrund der Unsicherheit – etwa bei der Ressourcenbeschaffung – und zusätzlichen finanziellen Belastungen verzögert oder in ihrer Umsetzung eingeschränkt werden.
  4. Erhöhte Verantwortung für Unternehmen: Da öffentliche Finanzierung und staatliche Unterstützungsprogramme möglicherweise nicht ausreichen, sind Unternehmen verstärkt gefragt, eigene Nachhaltigkeitsinitiativen zu entwickeln und in Biodiversitätsprojekte zu investieren. Unternehmen müssen eigenständig Strategien entwickeln, um die Finanzierungslücke zu schließen.
  5. Förderung von Innovationen und neuen Technologien: Trotz der Herausforderungen bieten sich zahlreiche Chancen. Die Notwendigkeit, finanzielle Lücken zu schließen und höhere Umweltstandards zu erfüllen, kann Innovationen und die Entwicklung neuer Technologien fördern, die langfristig nachhaltigere und resilientere Immobilienprojekte im Einklang mit der Natur ermöglichen.
  6. Stärkung der Resilienz gegen Umweltveränderungen: Durch die Integration von Biodiversitätsstrategien und nachhaltigen Praktiken in Immobilienprojekte können Entwickler und Investoren die Resilienz ihrer Projekte gegen Umweltveränderungen stärken. Dies kann langfristig zu stabileren und wertvolleren Immobilien führen.

Angesichts des dringenden Handlungsbedarfs und der Komplexität des Themas gilt es, verschiedene Lösungsansätze zu verfolgen. Die Immobilienwirtschaft wird sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen und ganzheitliche Betrachtungen im Rahmen einer Ökobilanz vornehmen müssen. Kurzfristig gilt es vor allem, negative Wechselwirkungen zwischen Klimakrise und Biodiversitätsverlust zu betrachten und zu vermeiden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei allen Geschäftstätigkeiten ein Biodiversitätsverlust vermieden oder zumindest reduziert werden sollte. Parallel dazu gilt es, Maßnahmen – etwa in Form von Grünflächen – zu fördern, die einen positiven Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten.

Impressionen aus Cali:

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3. Wo stehen Immobilienentwickler und Finanzierer in Deutschland bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz? Wie weit sind Biodiversitätsstrategien verbreitet?

In Deutschland erkennen viele Immobilienexperten die Relevanz von Biodiversität, jedoch spielt sie für viele Stakeholder noch kaum eine Rolle im täglichen Geschäft. Oft haben vermeintlich wichtigere Themen wie der Klimawandel Vorrang. Es bedarf klarer Vorgaben und Anreize sowie einer langfristigen Orientierung, um die Implementierung von Biodiversitätsstrategien voranzutreiben. Konkrete Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz sind noch nicht flächendeckend implementiert und es besteht ein erheblicher Sanierungsbedarf, insbesondere bei älteren Gebäuden mit niedriger Energieeffizienz. Einzelne Maßnahmen, wie Dachbegrünungen oder die Anlage von Grünflächen, sind zwar positiv, jedoch fehlt oft ein ganzheitliches Konzept, das Risikomanagement, die Hebung von Werttreibern (etwa zur Einsparung von Betriebskosten und Schaffung erhöhter Mieterzufriedenheit) und zunehmende Transparenz- und Reportinganforderungen berücksichtigt.

4. Wo steht der deutsche Immobiliensektor im globalen Vergleich in der Transition zu nature-positive?

Im globalen Vergleich hat die deutsche Immobilienwirtschaft zwar Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit und Biodiversitätsschutz erzielt, steht jedoch noch vor erheblichen Herausforderungen. Länder wie Singapur mit ihrem "City in a Garden"-Konzept und die Niederlande mit ihrem Ansatz des "Nature Inclusive Building" gelten als Vorreiter. Deutschland steht noch am Anfang der Transition zu nature-positive. Der UK-Ansatz des Biodiversity Net Gain (BNG), der Bauherren verpflichtet, bei Neubauten und Renovierungen einen positiven Biodiversitätsbeitrag zu leisten, könnte als Vorbild dienen. Es bedarf klarer Vorgaben und Anreize, um die Transition zu beschleunigen und eine umfassende Integration von Biodiversitätsstrategien zu ermöglichen.

Es ist wichtig zu betonen, dass auch Immobilienbestände große Chancen bieten, diese Transition voranzutreiben. Insbesondere Klimaschutz- und Kreislaufwirtschaftsstrategien müssen zwangsläufig mit Biodiversitätskonzepten verknüpft werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Dabei sind die Wechselwirkungen zwischen diesen Ansätzen zu berücksichtigen und die Potenziale zu heben. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung und Integration dieser Strategien kann der deutsche Immobiliensektor einen bedeutenden Beitrag zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität leisten.

Impressionen aus Cali:

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5. Wo liegen deiner Meinung nach die größten Herausforderungen und Chancen in Bezug auf Natur- und Biodiversitätsschutz?

Die größten Herausforderungen liegen in der Finanzierung, dem wirtschaftlichen Druck, der regulatorischen Unklarheit und fehlenden Verbindlichkeit sowie dem langfristigen Engagement. Biodiversität ist ein komplexes Thema, das einen erheblichen Aufwand erfordert, um sich damit auseinanderzusetzen. Es bedarf eines Bewusstseins- und Kulturwandels, um die Dringlichkeit und Bedeutung des Biodiversitätsschutzes in den Mittelpunkt zu rücken.

Gleichzeitig bieten sich zahlreiche Chancen, wie Marktvorteile und Wertsteigerung, die Förderung von Innovationen und neuen Technologien sowie die Stärkung der Resilienz gegen Umweltveränderungen. Eine ganzheitliche Risikoanalyse, die sowohl Klima- als auch Biodiversitätsrisiken berücksichtigt, sollte zunehmend in den Fokus rücken.

Es gibt viele zielführende Maßnahmen, um die Biodiversität bei Immobilienprojekten zu fördern, wie zum Beispiel weniger Flächenversiegelungen, die Reduktion von intensiv vom Gärtner bewirtschafteten Flächen und die Schaffung von naturnahen Grünflächen. Durch die Integration dieser Maßnahmen können Immobilienprojekte nicht nur zur Förderung der Biodiversität beitragen, sondern auch ökologische, soziale und ökonomische Vorteile erzielen. Unsere urbane Umwelt wird dadurch schöner und lebenswerter.

Impressionen aus Cali:

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Angela McClellan

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