Aktuelle CSRD-Berichterstattung: Einblicke in das ESG-Risikomanagement von Versicherern
Aus unserer Blogreihe „CSRD-Reporting im Finanzsektor im ersten Berichtsjahr“
- Wesentliche Klimarisiken der Versicherer konzentrieren sich auf Kapitalanlage und das Versicherungsgeschäft
- Szenarien des NGFS und des IPCC haben sich als Standard etabliert
- Versicherer betrachten mehrheitlich längere Zeithorizonte als in ESRS definiert
- Bisher noch kaum Berichterstattung zu erwarteten finanziellen Auswirkungen des Klimawandels
- Weiter Weg bis zur vollumfänglichen Berichterstattung zu E1-9
In unserer Blogreihe „CSRD-Reporting im ersten Berichtsjahr” liefern wir spannende Einblicke in die ersten Nachhaltigkeitsberichte gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
In diesem Beitrag legen wir ein besonderes Augenmerk auf die veröffentlichten Informationen im Zusammenhang mit den von den Versicherungsunternehmen berichteten Informationen zu Klimarisiken und Klimaszenarioanalysen. Dafür haben wir die Berichterstattung von 24 nationalen und internationalen Versicherungsunternehmen analysiert und sowohl große, teilweise börsennotierte Unternehmen, als auch in Deutschland ansässige mittelständische Versicherer betrachtet.
Der Klimawandel ist längst nicht mehr nur ein Zukunftsszenario, sondern eine greifbare Realität, die Unternehmen weltweit vor erhebliche Herausforderungen stellt. Versicherungsunternehmen sind als Risikoträger direkt von den Folgen des Klimawandels betroffen, da sie für die versicherten finanziellen Schäden aufkommen müssen, die mit der Zunahme von Naturkatastrophen und extremen Wetterereignissen einhergehen. Im Rahmen der erstmaligen Berichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) haben europäische Versicherungsunternehmen nun detailliert darüber berichtet, welchen wesentlichen klimawandelbedingten Risiken sie sich kurz-, mittel- und langfristig ausgesetzt sehen.
Wesentliche Klimarisiken der Versicherer konzentrieren sich auf Kapitalanlage und das Versicherungsgeschäft
Unter den in der Analyse betrachteten Versicherungsunternehmen haben 23 von 24 Unternehmen im Rahmen der von ihnen durchgeführten Wesentlichkeitsanalyse mindestens ein für sie wesentliches Risiko im Zusammenhang mit dem Klimawandel identifiziert. Lediglich eines der betrachteten Unternehmen berichtet kein entsprechendes Risiko. Die von den Versicherern identifizierten Risiken sind gemäß den ESRS-Anforderungen zudem in transitorische und physische Risiken zu unterscheiden, sowie in die Dimension der Wertschöpfungskette, in welcher die Risiken zu verorten sind.
Unsere Auswertung der untersuchten Unternehmen zeigt, dass transitorische Risiken, welche aus dem Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft entstehen von 23 der 24 betrachteten Versicherern als wesentlich eingestuft wurden (siehe Abbildung 1). Jedes dieser 23 Unternehmen hat dabei mindestens ein transitorisches Risiko in der Kapitalanlage identifiziert. Als Treiber werden insbesondere sinkende Investitionswerte und Finanzmarktverluste durch die Verwirklichung steigender transitorischer Risiken genannt. Auch im Versicherungsgeschäft sehen sich 12 und damit die Hälfte der betrachteten Versicherer mit wesentlichen Risiken aus der Transition in eine kohlenstoffarme Wirtschaft konfrontiert. Treiber, die genannt werden, umfassen u.a. rechtliche Entwicklungen und Änderungen im Kundenverhalten, sowie mögliche Haftungsrisiken. Für den eigenen Geschäftsbetrieb hingegen berichten mit 5 Unternehmen nur knapp ein Fünftel der Versicherer ein wesentliches klimawandelbedingtes Transitionsrisiko, z.B. aufgrund von Reputationsverlusten bei zu wenig Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb oder möglichen Gesetzesverstößen durch neue Vorschriften.
Die Auswertung zeigt ebenfalls, dass 21 der 24 betrachteten Versicherer im Rahmen ihrer Wesentlichkeitsanalyse mindestens ein physisches Klimawandelrisiko in mindestens einer der drei Dimensionen der Wertschöpfungskette identifiziert haben. Die physischen Risiken ergeben sich in Folge von akuten Ereignissen, z.B. Stürme oder Überschwemmungen, oder durch längerfristige, chronische Veränderungen von Klimabedingungen, wie der Anstieg der Temperatur oder des Meeresspiegels. Physische Risiken werden vor allem im Versicherungsgeschäft verortet. 19 Unternehmen bewerten in dem Bereich das physische Klimawandelrisiko als wesentlich. Treiber hierfür sind gemäß den Angaben der Versicherer vor allem steigende Schadenzahlungen aufgrund zunehmender Klimarisikoereignisse wie Extremwetter und damit verbundener Kumulschäden. Für die Kapitalanlagetätigkeit legen immerhin noch 14 und damit knapp über die Hälfte der betrachteten Unternehmen mindestens ein wesentliches physisches Risiko offen. Als Treiber werden insbesondere sinkende Investitionswerte und Finanzmarktverluste durch die Verwirklichung steigender physischer Risiken genannt. Ähnlich wie bei den transitorischen Risiken sehen mit sechs Unternehmen nur ein Viertel der Versicherer die physischen Risiken im Zusammenhang mit ihrem eigenen Geschäftsbetrieb als materiell an, z.B. aufgrund häufigerer Betriebsunterbrechungen durch Extremwettereignisse.
Um die zuvor dargestellten klimawandelbedingten transitorischen und physischen Risiken zu identifizieren und die Widerstandfähigkeit des Unternehmens gegenüber dem Klimawandel zu untersuchen, greifen die Unternehmen auf Klimawandelszenarien zurück. Die meisten in dieser Analyse betrachteten Versicherungsunternehmen geben in ihren Berichten an, dass sie auf die von ihnen verwendeten Szenarien bei der eigenen Risiko- und Solvabilitätsbewertung (ORSA) zurückgreifen. Die ESRS machen Vorgaben zu den Annahmen, die den jeweiligen Szenarien jeweils zugrunde liegen sollen. Demnach ist mindestens ein Szenario, welches die globale Erwärmung auf 1,5°C beschränkt, zur Ermittlung der klimawandelbedingten transitorischen Risiken und ein Szenario mit hohen Emissionen zur Ermittlung der physischen Risiken heranzuziehen. Diese Anforderungen aus den ESRS decken sich mit den Anforderungen aus Artikel 45 a der Solvency II-Richtlinie. In Solvency wird die Betrachtung von mindestens zwei langfristigen Klimawandelszenarien gefordert, sofern das Versicherungsunternehmen wesentlichen klimawandelbezogenen Risiken ausgesetzt ist.
Szenarien des NGFS und des IPCC haben sich als Standard etabliert
Bei der Analyse der von den Versicherern im Rahmen ihrer CSRD-Berichterstattung angegebenen Klimawandelszenarien zeigt sich, dass bis auf drei Ausnahmen alle betrachteten Unternehmen Szenarien des Network for Greening the Financial Systems (NGFS) oder des Weltklimarats Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) anwenden. Ein Versicherer verwendet Szenarien eines anderen Anbieters und ein Versicherer gibt an, dass ein individuelles Szenario herangezogen wurde.
Die Szenarien des NGFS werden grob in vier Kategorien geclustert, je nach Ausprägung der im Szenario abgebildeten Höhe der transitorischen und physischen Risiken, die auf unterschiedlichen Annahmen beruht. „Orderly“-Szenarien werden aufgrund des geordneten Übergangs in eine kohlenstoffarme Wirtschaft durch sowohl niedrige transitorische als auch physische Risiken charakterisiert. Lediglich ein Drittel (8 von 24) der Unternehmen berichtet derartige Szenarien (siehe Abbildung 2). „Disorderly“-Szenarien zeichnen sich ebenfalls durch niedrige physische Risiken aus, im Gegensatz zu den „Orderly“-Szenarien ergeben sich jedoch hohe transitorische Risiken aufgrund verzögert eingeführter, strenger Politikmaßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung („Delayed Transition“). Die Auswertung zeigt, dass dieses Szenario von 21 der 24 betrachteten Versicherern berichtet wurde und damit das mit Abstand am häufigsten verwendete NGFS-Szenario ist. In "Hot House World"-Szenarien ist die Annahme, dass es kaum Änderungen in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft gibt, die den Klimawandel mindern sollen. Daher sind die physischen Risiken durch starke Klimaauswirkungen hoch, während die transitorischen Risiken gering sind. In unserer Analyse haben 15 der 24 Versicherer derartige Szenarien genutzt. Das am häufigsten verwendete Sub-Szenario war dabei das „Current Policies“-Szenario, welches von ungefähr der Hälfte (11 von 24) der betrachteten Unternehmen genutzt wurde. In "Too Little, Too Late"-Szenarien sind sowohl die physischen als auch die transitorischen Risiken stark ausgeprägt, da verzögerte und unzureichende Klimaschutzmaßnahmen zu abrupten und kostspieligen Anpassungen führen, um die Klimaziele dennoch zu erreichen. Bei den von uns betrachteten Versicherern spielen diese Szenarien jedoch nur eine untergeordnete Rolle und wurden lediglich von drei Unternehmen verwendet.
Neben den zuvor beschriebenen NGFS-Szenarien werden auch Representative Concentration Pathway (RCP)-Szenarien des IPCC von Versicherern zur Klimaanalyse genutzt (siehe Abbildung 3). Die RCP-Szenarien des IPCC sind modellierte Klimapfade, die verschiedene mögliche Zukunftsentwicklungen der Treibhausgaskonzentrationen darstellen und helfen, die Auswirkungen auf das globale Klima abzuschätzen. Das RCP2.6-Szenario des IPCC präsentiert einen optimistischen Pfad, bei dem die globale Erwärmung bis 2100 auf unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt wird. Bezogen auf den Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 wäre dieses Szenario somit kompatibel zu den Orderly und Disorderly NGFS-Szenarien, wird jedoch nur von zwei Versicherern in unserer Analyse betrachtet. Deutlich häufiger erfolgte eine Betrachtung des RCP4.5. Das RCP4.5-Szenario des IPCC impliziert eine moderate Steuerung der Treibhausgasemissionen und führt zu einem globalen Temperaturanstieg von etwa 2 bis 3°C bis zum Ende des Jahrhunderts. Bezogen auf den Temperaturanstieg bis 2100 wäre diese Szenario somit vergleichbar mit den "Too Little, Too Late"- und „Hot House World“-Szenarien des NGFS, die ebenfalls einen Temperaturanstieg von bis zu 3°C implizieren. Zusammen mit dem RCP4.5 wurde von den betrachteten Unternehmen das RCP8.5 Szenario am häufigsten genannt (jeweils acht Mal). Das RCP8.5-Szenario des IPCC beschreibt einen "business-as-usual"-Pfad, der zu einem alarmierenden globalen Temperaturanstieg von über 4°C bis zum Ende des Jahrhunderts führen könnte. Damit sind die Annahmen zum Temperaturanstieg in diesem Szenario nochmals deutlich extremer als in allen zuvor genannten NGFS-Szenarien. Solche drastischen Veränderungen würden erhebliche Herausforderungen mit sich bringen, darunter häufigere und intensivere Extremwetterereignisse, weitreichende Auswirkungen auf Ökosysteme und signifikante Bedrohungen für die menschliche Gesundheit und Sicherheit.
Versicherer betrachten mehrheitlich längere Zeithorizonte als in ESRS definiert
Der Zeithorizont, der bei der Analyse der Klimawandelszenarien angesetzt wird, weicht bei der Mehrheit der Versicherer von den Zeithorizonten gemäß den ESRS ab. Lediglich ein Viertel der in der Betrachtung enthaltenen Versicherer nutzt in diesem Zusammenhang einen kurzfristigen Horizont von unter einem Jahr, mittelfristigen Horizont bis fünf Jahren und langfristigen Horizont von über fünf Jahren. Die große Mehrheit von 75% der untersuchten Versicherer weicht von diesen Horizonten ab und legt in der Regel längerfristige Zeithorizonte zu Grunde (vgl. Abbildung 4).
Es ist nicht überraschend, dass Versicherer hier von den ESRS-Zeithorizonten abweichen und längerfristige Zeithorizonte verwenden: denn auch in der Regulatorik für Versicherer Solvency II zu den ORSA-Berichten gibt es Vorgaben an die zu betrachtenden Zeithorizonte. Diese Erwartung der Versicherungsaufsicht reicht von fünf bis zehn Jahren für die kurzfristige Perspektive, bis hin zu 15 bis 30 Jahren bzw. bis zum Ende des Jahrhunderts für die langfristige Perspektive des Klimawandels.
Bisher noch kaum Berichterstattung zu erwarteten finanziellen Auswirkungen des Klimawandels
Die Offenlegungen zu den Klimawandel-Szenarioanalysen zeichnen aktuell ein heterogenes Bild, wie und in welchem Detailgrad die Ergebnisse dargestellt werden. Teilweise werden die Resultate auf einer recht hohen Flughöhe knapp und qualitativ dargestellt, mitunter gibt es ausführliche Erläuterungen, was genau in die Analysen einbezogen wurde, vereinzelt erfolgt eine Offenlegung von Kennzahlen, welche Rückschlüsse auf die möglichen finanziellen Effekte unter verschiedenen Klimawandelszenarien ermöglichen. So geben bereits 21% der betrachteten Versicherer (siehe Abbildung 5) in irgendeiner Form quantitative Kennzahlen an, wie sich verschiedene Klimawandelszenarien finanziell für das Unternehmen auswirken könnten. Auch die quantitativen KPIs unterscheiden sich deutlich. Auswirkungen der finanziellen Effekte werden beispielsweise am potenziellen Rückgang der Eigenmittel oder des SCR dargelegt. Ein anderes Beispiel hierfür ist der Climate Value-at-Risk. Dieser quantifiziert anhand von Stresstests, wie sich klimabezogene Risiken finanziell auf ein Kapitalanlageportfolio oder das Versicherungsgeschäft auswirken könnten.
Auch wenn unter den betrachteten Versicherern vereinzelt schon Kennzahlen zu potenziellen zukünftigen finanziellen Auswirkungen in den CSRD-Berichten offengelegt werden, zeigt die Analyse, dass aktuell noch keiner der betrachteten Unternehmen vollumfänglich zu ESRS E1-9 (Erwartete finanzielle Effekte wesentlicher physischer Risiken und Übergangsrisiken sowie potenzielle klimabezogene Chancen) berichtet hat. Die betrachteten Unternehmen haben von der Phase-In-Option zur schrittweisen Einführung der Anforderungen Gebrauch gemacht, auch wenn vereinzelt bereits einige qualitative Ausführungen in den Berichten zu finden sind.
Weiter Weg bis zur vollumfänglichen Berichterstattung zu E1-9
Durch die Omnibus-Initiative der EU-Kommission, mit dem Ziel die Nachhaltigkeitsberichtspflichten zu reduzieren, dürfte auch der Standard E1-9 betroffen sein. Wie stark die Vereinfachungen ausfallen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Da eine Bewertung der finanziellen Auswirkungen auf (Versicherungs-)Unternehmen von sehr hoher Bedeutung ist, dürften quantitative Anforderungen bestehen bleiben. Damit stehen nach Ablauf der Phase-In Optionen der angepassten Standards Versicherungsunternehmen wie alle anderen CSRD-pflichtigen Unternehmen vor der Aufgabe, umfassend über die finanziellen Auswirkungen wesentlicher klimabezogener Risiken und Chancen zu berichten. Die bisher von den Versicherern im Rahmen des ORSA durchgeführten Analysen können dazu zwar eine Grundlage bilden, jedoch ist nach Durchsicht der ersten CSRD-Berichterstattung noch ein weiter Weg zu gehen, um über die zukünftigen Anforderungen vollumfassend berichten zu können. Alle dafür notwendigen Daten zusammenzustellen, dürfte mit einigen Herausforderungen verbunden sein. Die durch Omnibus und die Phase-Ins verlängerte Zeit sollte deshalb sinnvoll für erste Überlegungen genutzt werden. Denn damit hätten Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, für die kommenden regulatorischen Anforderungen vorbereitet zu sein, sondern auch die Chance, Klimawandelrisiken frühzeitig und resilient durch strategische Anpassungen begegnen zu können.
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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