Die EU führt neue Regeln für ESG-Ratings ein – was wird sich zukünftig ändern?

Transparenz, Integrität, Qualität: Was ESG-Rating-Anbieter jetzt tun müssen und wie Nutzer:innen und bewertete Unternehmen profitieren können

Ab Juli 2026 gelten in der EU neue Regeln für ESG-Ratings. Das Ziel: mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit, höhere Qualität. Doch was genau ändert sich für Rating-Anbieter? Und wie können bewertete Unternehmen und Nutzer:innen von ESG-Ratings von den neuen Regeln profitieren? Mehr dazu in unserem neuen Sustainability-Blogbeitrag. 

ESG-Ratings bewerten Unternehmen – oder spezifische Wertpapiere – mit Blick auf Umwelt (E), Soziales (S) und gute Unternehmensführung (G) und sind sowohl im Lieferkettenmanagement als auch in der nachhaltigen Finanzwirtschaft eine wichtige Informationsquelle. Doch viele Nutzer:innen beklagen die mangelnde Vergleichbarkeit, Transparenz und Qualität der Ratings. Eine Marktstudie der BaFin zeigt z. B., dass 83 % der befragten Kapitalverwaltungsgesellschaften ESG Daten und Ratings von externen Anbietern nutzen, ein Großteil aber Verbesserungspotenzial in Bezug auf Datenabdeckung, Qualität, Transparenz sowie die Bearbeitung von Anfragen sieht.  

Um die Transparenz und Integrität von ESG-Ratings zu verbessern, hat die Europäische Union am 27. November 2024 eine ESG-Rating-Anbieter-Verordnung erlassen. Ab dem 2. November 2026 sollen demnach nur noch diejenigen Anbieter ihre ESG-Ratings in der EU anbieten dürfen, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) eine Zulassung erhalten haben.

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Timeline EU ESG-Rating-Anbieter-Verordnung (Quelle: PwC)

Was ändert sich für ESG-Rating-Anbieter?

Die neuen Anforderungen an ESG-Rating-Anbieter lassen sich in drei Bereiche untergliedern:

1. Trennung von Geschäftsaktivitäten

Künftig dürfen ESG-Rating-Anbieter keine Beratungsleistungen, Kreditratings oder Prüfungen von Jahresabschlüssen und Nachhaltigkeitsberichten anbieten. Zudem müssen sie für Dienstleistungen wie das Bereitstellen von Indizes, Anlagetätigkeiten und Versicherungstätigkeiten eine organisatorische Trennung sicherstellen.

2. Governance-Anforderungen

ESG-Rating-Anbieter sind verpflichtet, Strategien und Verfahren zur Gewährleistung der Unabhängigkeit, Belastbarkeit und Transparenz ihrer Bewertungen zu etablieren. Dies umfasst unter anderem Maßnahmen zum Umgang mit potenziellen Interessenkonflikten, eine systematische und unabhängige Methodik, den Dialog mit bewerteten Unternehmen, Datenschutzvorkehrungen sowie die Einrichtung einer Beschwerdestelle.

3. Transparenz-Anforderungen

ESG-Rating-Anbieter müssen künftig Mindestanforderungen in Bezug auf die Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit sowie gegenüber bewerteten Unternehmen und Nutzer:innen von ESG-Ratings erfüllen.

Was ändert sich für bewertete Unternehmen?

Bewertete Unternehmen können künftig mehr Transparenz über ihre Bewertungen erwarten. Rating-Anbieter müssen unter anderem folgendes offenlegen:

  • Wann wurde das Rating des Unternehmens zuletzt aktualisiert?
  • Welche Quellen wurden für die Bewertung herangezogen?
  • Wie werden die Themen zueinander gewichtet?
  • Welche Schätzmodelle und Annahmen liegen zugrunde?
  • Inwiefern hatten Änderungen in der Bewertungsmethode Auswirkungen auf das Ratingergebnis?

Die Regulierung fordert Transparenz, macht aber keine methodischen Vorgaben. Rating-Anbieter entscheiden weiterhin selbst, welche Themen sie als wesentlich betrachten und welche Key Performance Indicator (KPIs) sie nutzen. Unternehmen müssen daher auch zukünftig die Ansätze der Anbieter verstehen und die relevanten KPIs berichten und verbessern, um ein positives Rating zu erhalten.

Auch die Kommunikation zwischen bewerteten Unternehmen und Rating-Anbietern soll durch die neuen Regeln verbessert werden. ESG-Rating-Anbieter sind daher künftig verpflichtet, eine Beschwerdestelle einzurichten und Beschwerden zügig zu bearbeiten.

Was ändert sich für Nutzer:innen von ESG-Ratings?

Ab November 2026 dürfen ESG-Ratings nur noch von zugelassenen Anbietern bezogen werden. Aufgrund der hohen Bedeutung des europäischen Marktes ist zu erwarten, dass etablierte Anbieter eine Zulassung durch die ESMA anstreben. Um Störungen zu vermeiden, sollten Nutzer:innen dennoch frühzeitig in Erfahrung bringen, ob es aufgrund der neuen Regeln beim Anbieter zu Änderungen kommt.

Nutzer:innen profitieren künftig von mehr Transparenz und besser vergleichbaren Informationen verschiedener Anbieter. Die angewandten Methoden werden sich jedoch weiterhin unterscheiden, da der Gesetzgeber hier bewusst nicht eingreift. Dadurch soll die Vielfalt der ESG-Methoden gewährleistet und den unterschiedlichen Anforderungen der Nutzer:innen von ESG-Ratings entsprochen werden. Eine erhöhte Korrelation der Ratingergebnisse verschiedener Anbieter ist also nicht zu erwarten und Nutzer:innen müssen auch zukünftig die verschiedenen Ratings sorgfältig prüfen, um den passenden Anbieter zu finden.

Das neue Gesetz zielt auch auf eine höhere Qualität und Belastbarkeit der Ratings ab. In Anbetracht der bereits erkennbaren Bemühungen vieler Anbieter in Hinblick auf Qualitätssicherung, Integrität und Unabhängigkeit sollten Nutzer:innen sich auf punktuelle und kontinuierliche Verbesserungen einstellen und nicht mit einer sprunghaften Veränderung rechnen. Ob die zusätzlichen Anforderungen zu einer allgemeinen Preissteigerung führen werden, bleibt abzuwarten.

Der internationale Kontext

Bereits 2021 hat die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) einen Bericht zu ESG-Rating- und Datenanbietern mit Empfehlungen für Anbieter sowie Regulatoren veröffentlicht. Die Empfehlungen aus dem IOSCO-Bericht dienen als Vorlage für regulatorische Vorstöße weltweit, die zumeist in Form von freiwilligen Selbstverpflichtungen zu Verhaltenskodizes umgesetzt wurden (Japan, Singapur, Vereinigtes Königreich, Hong Kong). Neben der EU hat auch das Securities and Exchange Board of India (SEBI) eine ESG-Rating-Anbieter Regulierung verabschiedet. Die SEBI-Regulierung enthält jedoch deutlich konkretere Vorgaben bezüglich der anzuwendenden Methoden für die Bewertung indischer Unternehmen. Als Reaktion darauf haben sich mehrere ESG-Rating-Anbieter aus dem indischen Markt zurückgezogen. Ein solches Ergebnis ist allerdings weder für die EU noch für das Vereinigte Königreich, wo es ebenfalls Bestrebungen gibt, ESG-Rating-Anbieter der Aufsicht der Financial Conduct Authority (FCA) zu unterstellen, zu erwarten. Einerseits wird es sich kaum ein ESG-Rating-Anbieter leisten können den europäischen Markt nicht zu bedienen, da viele Kunden in der EU oder im Vereinigten Königreich ansässig sind. Andererseits soll die Flexibilität in Bezug auf Bewertungsmethoden in beiden Jurisdiktionen erhalten bleiben, was die Einhaltung der neuen Vorgaben im Vergleich zum indischen Ansatz erleichtert.

Fazit

Die neuen Regeln für ESG-Ratings erfordern insbesondere seitens der Anbieter eine Anpassung ihrer Prozesse. Bewertete Unternehmen sowie Anwender profitieren von der einheitlichen Transparenz und den verbindlichen Vorgaben für das Beschwerdemanagement. Da die Gesetzgebung jedoch nicht in die Methoden der Anbieter eingreift, sondern bestehende Standards hinsichtlich Unabhängigkeit, Transparenz, Belastbarkeit und Qualitätssicherung konkretisiert, sind grundlegende Veränderungen im Funktionsmechanismus des ESG-Rating-Marktes derzeit nicht zu erwarten.

Weiterführende Links:

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Angela McClellan

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