Whitepaper: „Business Case for Nature: Immobilieninvestments“
Den Mehrwert von Naturschutz in der Immobilienfinanzierung methodisch erfassen
Der Immobiliensektor trägt wesentlich zum Verlust von Biodiversität bei, ist aber selbst auf funktionierende Ökosysteme angewiesen. Das Whitepaper „Business Case for Nature: Immobilieninvestments“, das in der von PwC geleiteten Arbeitsgruppe „Business Cases for Nature“ im Rahmen der TNFD Consultation Germany erarbeitet wurde, zeigt erstmals, wie sich der Mehrwert von Naturschutzmaßnahmen in Immobilieninvestments systematisch quantifizieren lässt. Es bietet praxisnahe Ansätze, um ökologische und wirtschaftliche Effekte zu bewerten – für Projektentwickler und Finanzinstitute gleichermaßen.
Hintergrund
Längst ist nicht mehr nur der Klimawandel im Fokus nachhaltiger Finanzmarktbetrachtungen, auch der Zustand der Natur rückt zunehmend in den Fokus. Natur ist weit mehr als eine Kulisse für wirtschaftliches Handeln. Ihr schleichender Verlust wirkt sich nicht nur auf Lebensräume, sondern zunehmend auch auf Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten aus.
Das Thema Natur, insbesondere die Abhängigkeit von Biodiversität sowie Süßwasser- und Meeresressourcen, deren Schutz und Wiederherstellung sowie die Vermeidung von negativen Auswirkungen wie Flächenversiegelung, Verschmutzung und die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, erfährt am Markt und auch aufseiten der Aufsicht (u.a. European Banking Authority (EBA)-Leitlinien zum ESG-Risikomanagement) zunehmen Aufmerksamkeit. Denn um die im Global Biodiversity Framework festgelegten internationalen Ziele zum Biodiversitätsschutz zu erreichen, gibt es bei Regierungen und in der Wirtschaft erhöhten Handlungsbedarf.
Naturbezogene Risiken im Portfolio
Laut Analysen der Europäischen Zentralbank (EZB) verfügen drei Viertel aller Unternehmenskredite über eine hohe Abhängigkeit von mindestens einer Ökosystemleistung, mit den entsprechenden Risiken in den Finanzierungs-/Kreditportfolien. Ergänzend zeigt eine andere Analyse der EZB zum Residental Real Estate (RRE)-Sektor, dass auch Wohnimmobilienkredite naturbezogenen Risiken ausgesetzt sind. Für Finanzinstitute ist es daher wichtig, die Abhängigkeiten und Auswirkungen ihrer Investitionen und Finanzierungen bezogen auf die Natur zu verstehen, entsprechende Risiken und Chancen zu identifizieren sowie zu mitigieren und diese Aspekte in ihrer Geschäfts- und Risikostrategie zu berücksichtigen.
Auch wenn der Fokus vieler Finanzinstitute derzeit nicht zuletzt aufgrund der EBA-Leitlinien zum ESG-Risikomanagement auf der Identifikation von und dem Umgang mit Biodiversitätsrisiken liegt, ergeben sich in diesem Spannungsfeld nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Insbesondere Immobilieninvestitionen mit Berücksichtigung von Naturschutzkriterien bieten das Potenzial, ökologische Stabilität mit ökonomischer Wertentwicklung zu verbinden und dabei regulatorische Erwartungen bezüglich ESG-Risikomanagement gezielt zu adressieren.
Bewertung von Naturschutzmaßnahmen auf Immobilienobjektebene
Der Fokus dieser Publikation liegt auf Maßnahmen für den Schutz und Erhalt der Natur, insbesondere der Biodiversität, deren Effekte am Objekt wirksam werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die vorgelagerte Wertschöpfungskette einen erheblichen Anteil an den negativen Auswirkungen der Immobilienwirtschaft hat. Dieser darf nicht vernachlässigt werden, sondern erfordert ebenfalls weitreichende Maßnahmen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass naturschutzfördernde Maßnahmen stehts im Kontext des gesamten Ökosystems zu betrachten sind, in dem sich das Objekt befindet, weil sich nur so der Mehrwert der Ökosysteme für das Objekt einschätzen lässt.
Die Untersuchung befasst sich mit den Kosten und Wirkungsprofilen typischer Maßnahmen zum Naturschutz am Objekt. Die Zahlen und Erkenntnisse basieren auf Erwartungswerten und Diskussionsergebnissen der Arbeitsgruppe „Business Cases for Nature“ der Taskforce on Nature-Related Financial Disclosures (TNFD) Consultation Group Germany. Im Whitepaper werden Maßnahmen in den folgenden Bereichen untersucht:
- Extensive Dachbegrünung
- Intensive Dachbegrünung
- Fassadenbegrünung (wandgebunden und bodenbasiert)
- Umstellung der Pflege von Grünflächen
- Entsiegelung
- Regenwassermanagement
- Technischer Artenschutz
- Lichtmanagement
- Materialwahl & Kreislauffähigkeit
Business Case für die Immobilienwirtschaft
Die Immobilienwirtschaft befindet sich derzeit in einem umfassenden Transformationsprozess, der durch eine Reihe von regulatorischen Anforderungen getrieben ist. Dazu zählen insbesondere die EU-Taxonomieverordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Darüber hinaus steigen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit die Erwartungen externer Stakeholder, zu denen Investor:innen, Ratingagenturen und Mieter:innen zählen. In diesem Zusammenhang gewinnen Biodiversitätsmaßnahmen an strategischer Bedeutung, da sie als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb fungieren und gleichzeitig langfristige Werttreiber sein können.
Im Rahmen der nachhaltigen Stadtentwicklung erfährt die Berücksichtigung von Natur und Biodiversität eine zunehmende Relevanz, auch aus ökonomischer Perspektive. Im Hinblick auf regulatorische Anforderungen, veränderte Investorenpräferenz und klimabedingte Risiken ist zu untersuchen, welche konkreten Mehrwert die Integration ökologischer Aspekte in der Immobilienentwicklung leisten kann.
Eine doppelte Kosten-Nutzen-Rechnung bezieht neben ökologischen Aspekten direkte finanzielle Effekte für Eigentümer:innen und Investor:innen ein. Praxisbeispiele wie das Berliner Quartiersprojekt zeigen: Bereits mittlere Ambitionsniveaus führen zu stabileren Immobilienwerten, niedrigeren Betriebskosten und Zugang zu Fördermitteln. Ambitionierte Ansätze – etwa umfassende Begrünung und Regenwassermanagement – erhöhen die Resilienz, ermöglichen den Zugang zu grünen Finanzierungsmitteln sowie der Compliance mit regulatorischen Nachhaltigkeitsanforderungen und stärken das ESG-Profil. Weitere Informationen finden Sie anhand des Praxisbeispiels des Berliner Quartiersprojekts.
TNFD LEAP-Ansatz zur Analyse der Chancen und Risiken
Der nachfolgend illustrierte LEAP-Ansatz der TNFD zeigt ein strukturiertes Vorgehen zur Berücksichtigung naturbezogener Chancen und Risiken auf. Der vierstufige Prozess „Locate, Evaluate, Assess, Prepare“ (LEAP) ermöglicht eine systematische Analyse der Wechselwirkungen zwischen Immobilienprojekten und natürlichen Systemen sowie eine gezielte Integration in Planungsprozesse.
Auf Basis dieses LEAP-Ansatzes kann die Einarbeitung eines Business Case für Immobilien mit Naturschutzkriterien in fünf Schritten erfolgen:
Business Case für den Finanzsektor
Banken, ob als Institut mit gewerblich und/oder privatem Immobilienportfolio oder als Hypothekenbank, spielen bei der Finanzierung einer nachhaltigen Transformation des Immobiliensektors eine bedeutende Rolle. Auch für Versicherungen, die als große Immobilieninvestoren fungieren, kann die Berücksichtigung von Naturschutzkriterien einen Mehrwert bieten.
Es wird empfohlen, dass Banken sowohl für Immobilieninvestitionen (eigene Immobilien) als auch Immobilienfinanzierungen, die Chance der Berücksichtigung von Naturschutzkriterien portfolioübergreifend bewerten. Zur Annäherung und letztendlich Quantifizierung können die folgenden drei Cluster genutzt werden:
- Finanzierung und Beratung: Chancen durch die Entwicklung neuer Produkte mit Naturbezug sowie Erschließung neuer Kundengruppen
- Reduktion von Risiken: Integration von Naturschutzkriterien in Kreditvergabe und Bewertung
- Refinanzierung: Positionierung am Kapitalmarkt durch eine naturbezogene Strategie
Der Finanzsektor steht vor einer Reihe regulatorischer Anforderungen, welche den steigenden Fokus der Aufsicht im Hinblick auf Natur zeigen. Im Kontext der Diskussion der Arbeitsgruppe wurde darüber hinaus ein Punkt mehrfach betont: Die Risiken des „Nichts-Tuns“ können signifikant sein. Ebenso signifikant ist u.a. das Erkennen und Managen von physischen und transitorischen Klima- und Naturrisiken, der Effekte auf die Bankinternen Risikoarten, das Produktangebot, bei dem man nicht hinter dem Marktmittelfeld verbleiben möchte, sowie die Attraktivität am Kapitalmarkt und der Austausch mit Investor:innen.
Wechselwirkungen: Was braucht die Immobilienwirtschaft von Finanzinstituten und vice versa?
Beide Sektoren können von der Umsetzung naturschutzfördernder Maßnahmen sowie von einem Austausch untereinander und erhöhter Transparenz profitieren. Hierfür ist eine gezielte Kooperation notwendig, um Naturschutzmaßnahmen zu fördern und ein gemeinsames Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen beider Seiten zu schaffen, um innovative Lösungen voranzutreiben und den Weg zu naturschutzfördernden Immobilienprojekten zu ebnen.
Fazit und Ausblick
Die Arbeitsgruppe „Business Cases for Nature“ der TNFD Consultation Group Germany hat ein erstes Vorgehensmodell für einen Business Case zur Berücksichtigung von Naturschutzkriterien bei Immobilieninvestments erarbeitet. Dieser ist durch entsprechende unternehmenseigene Einschätzungen sowie weitere Quellen mit entsprechenden Quantifizierungen weiterzuentwickeln und zu verfeinern.
In der Immobilienwirtschaft sind Naturschutzmaßnahmen am Gebäude nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern können auch wirtschaftlich tragfähig sein, vorausgesetzt, sie werden strukturiert geplant, dauerhaft erhalten und bewertet sowie in die Unternehmensstrategie eingebettet. Ein Katalog für Naturschutzmaßnahmen am Objekt kann als Grundlage für eine systematische Bewertung einzelner Objektmaßnahmen im Projekt- und Standortbezug herangezogen werden, um die Investitionen und Betriebskosten sowie den ökologischen Nutzen zu bewerten.
Im Kontext regulatorischer Anforderungen und ESG-getriebener Investitionsentscheidungen wird der Naturschutz zu einem strategischen Differenzierungsfaktor. Während geringe Ambitionen mit Risiken verbunden sein können, erzeugen ambitionierte Maßnahmen nicht nur Resilienz, sondern realen wirtschaftlichen Mehrwert. Ein professionell entwickelter Business Case mit klarer Zieldefinition, Risikoanalyse, Maßnahmenbewertung, Monetarisierung und ESG-Verankerung liefert dafür die notwendige Entscheidungsgrundlage. Wer jetzt unter Berücksichtigung von Naturschutzkriterien investiert, kann sich regulatorische Zukunftsfähigkeit, Zugang zu nachhaltiger Finanzierung und Wettbewerbsvorteile sichern und schützt außerdem seine Assets vor potenziellem Wertverlust.
Weiterführende Links:
- Download der gesamten Studie “Business Case for Nature: Immobilieninvestments”
- Webcastreihe Sustainable Finance: Staying Ahead of the Curve
- PwC- & WWF-Studie über Natur- und Biodiversitätsschutz im deutschen Finanzmarkt
- Studie: EU-Taxonomie Reporting 2025
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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