EU-ETS 2 im Fokus – Wandel vom Kostenfaktor zum Ergebnistreiber
Aus unserer Blogreihe „Nachweisbar“
Mit dem EU-ETS 2 werden Emissionen aus Wärme und Verkehr ab 2027 erstmals europaweit CO₂-zertifikatspflichtig – erste Berichtspflichten greifen schon 2025. In unserem Auftakt zur Blogreihe „Nachweisbar“ zeigen wir, was das neue System für Unternehmen bedeutet, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen – darunter Energieversorger, Stadtwerke und Industrieunternehmen. Im Fokus: regulatorische Vorgaben und strategisches CO₂-Kostenmanagement.
Mit dem EU-ETS 2 tritt ab 2027 ein neues europäisches Emissionshandelssystem in Kraft, das die europaweit bislang nicht europaweit erfassten Sektoren Wärme (Gebäude) und Verkehr adressiert. Während das bestehende nationale Emissionshandelssystem (nEHS) in Deutschland bis dahin schrittweise ausläuft, befinden wir uns schon heute in einer Übergangsphase: Bereits 2025 greifen erste Berichtspflichten - der Vorbereitungsdruck steigt damit für alle Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen.
Die Auswirkungen reichen weit über regulatorische Anforderungen hinaus – sie betreffen Prozesse, IT-Systeme, Margenmodelle und Geschäftsstrategien gleichermaßen. Besonders für Stadtwerke und Energieversorger bringt das EU-ETS 2 eine entscheidende Neuerung: Neben dem klassischen Commoditypreis (z. B. für Erdgas) tritt mit dem CO₂-Zertifikatspreis künftig eine marktbasierte und damit volatile Kostenkomponente hinzu. Doch auch andere direkt betroffene Unternehmen müssen kurzfristig Transparenz schaffen, neue Berichtssysteme aufsetzen und marktpreisbasierte, schwankende CO₂-Kosten in ihre Steuerungs- und Beschaffungsstrategien integrieren.
Hintergrund: Warum ein zweites Emissionshandelssystem?
Das EU-ETS 2 ist Teil des „Fit for 55“-Pakets der EU und soll dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Während das bestehende EU-ETS (ETS 1) Industrieanlagen, Stromerzeugung und Luftfahrt reguliert, adressiert das neue System bislang nicht erfasste Emissionen – vor allem aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Gebäuden und im Verkehr.
Mit dem EU ETS 2 wird die CO₂-Bepreisung EU-weit einheitlicher, marktbasierter und wirksamer. Der Anwendungsbereich erweitert sich deutlich: Neben Industrie und Energie, die bereits im EU-ETS reguliert sind, umfasst das neue EU-ETS 2 künftig auch die Inverkehrbringer fossiler Brennstoffe.
Von der Berichtspflicht zur Zertifikatepflicht – was sich konkret ändert
- Seit 2025 gelten neue Anforderungen zur Emissionsberichterstattung. Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen, müssen ihre CO₂-relevanten Mengen jährlich auf Basis eines genehmigten Überwachungsplans (Monitoring Plan) erfassen und bis zum 31. März des Folgejahres melden. Die Daten sind durch eine zugelassene Prüfstelle zu verifizieren. Für deutsche Unternehmen gilt: Diese Berichtspflichten kommen zusätzlich zu den bestehenden Anforderungen aus dem nEHS und unterscheiden sich in Methodik und zuständiger Behörde.
- Ab 2027 werden Emissionen aus Wärme und Verkehr zertifikatspflichtig. Die Abgabe von Emissionszertifikaten (EU-ETS 2-Allowances, kurz EUA-2) erfolgt bis spätestens 30. April des Folgejahres; die Nichtabgabe ist mit empfindlichen Sanktionen belegt. Grundlage ist ein Upstream-Ansatz: Die Emissionen werden pauschal auf Basis der in Verkehr gebrachten Brennstoffmengen berechnet – nicht auf Basis der realen Verbrennung beim Endverbraucher.
- Im Gegensatz zum nEHS gibt es keine nationale Festpreisregelung. Zertifikate werden nicht kostenlos zugeteilt, sondern ausschließlich über eine EU-weite Auktion versteigert. Damit unterliegt die CO₂-Bepreisung künftig den Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage – analog zum EU-ETS (ETS 1 für Industrie & Energie).
- 2027 bis 2030 gilt ein verbindlicher Preiskorridor: Der Zertifikatspreis liegt in dieser Zeit zwischen mindestens 45 €/t CO₂ und höchstens 85 €/t CO₂. Damit sollen Preisspitzen abgefedert und Planungssicherheit geschaffen werden. Die marktbasierte Auktionsbepreisung erfordert bereits in dieser Phase ein professionelles CO₂-Kostenmanagement, inklusive Hedging-Strategien.
- Ab 2031 entfällt der Preiskorridor. Die Preisbildung erfolgt dann vollständig marktgetrieben mit einer entsprechend höheren Volatilität.
Wer genau ist betroffen?
Verpflichtet zur Abgabe von Zertifikaten sind die sogenannten Inverkehrbringer fossiler Brennstoffe – also Unternehmen, die Heizöl, Erdgas, Benzin, Diesel oder Kohle an Letztverbraucher abgeben und dabei im Sinne des Energiesteuergesetzes als Steuerschuldner gelten. Dies kann etwa beim Verkauf aus dem Steuerlager, bei der Einlagerung durch Dritte oder beim Import nach Deutschland der Fall sein. Die Emissionen werden pauschal auf Basis der in Verkehr gebrachten Brennstoffmengen berechnet.
Direkt betroffen sind damit insbesondere:
- Mineralölunternehmen und Kraftstoffanbieter
- Kohlelieferanten
- Erdgasimporteure und -händler in der Rolle des Inverkehrbringers
- Energieversorger, Stadtwerke, Industrieunternehmen, sofern sie selbst als Inverkehrbringer auftreten
Indirekt betroffen sind zahlreiche weitere Akteure, da die CO₂-Kosten entlang der Lieferkette weitergegeben werden, insbesondere:
- Stadtwerke müssen die vom Vorlieferanten weitergegebenen CO₂-Kosten in ihre Erdgasvertriebspreise – und soweit relevant – in ihre Wärmepreise integrieren
- Industrieabnehmer und Wohnungswirtschaft sehen sich mit steigenden Energiepreisen konfrontiert
- Lieferketten müssen Verträge, Preismechanismen und IT-Systeme anpassen
Übergang vom nEHS: Was bleibt und wie erfolgt die Umstellung?
Das nEHS endet nicht abrupt, sondern wird schrittweise durch das EU-ETS 2 ersetzt. Für Wärme- und Verkehrssektoren gelten bis einschließlich 2026 weiterhin die festgelegten CO₂-Preise; ab 2027 greift hier das EU-ETS 2.
Das nEHS bleibt jedoch für bestimmte Bereiche – insbesondere die Abfallwirtschaft – vorerst bestehen, da deren Einbeziehung in das EU-ETS 2 erst nach einer Überprüfung bis 2028 entschieden wird.
Bereits bestehende Monitoringstrukturen, Brennstoffberichte oder Unternehmensprozesse können in die ETS-2-Logik integriert und weiterentwickelt werden – ein klarer Vorteil für Unternehmen, die ihre Systeme jetzt professionalisieren.
Vier zentrale Handlungsfelder für betroffene Unternehmen
Die Umsetzung des EU-ETS 2 erfordert tiefgreifende Veränderungen – sowohl technisch als auch organisatorisch. Unser Beratungsansatz setzt genau dort an: Wir unterstützen Unternehmen systematisch bei der Einordnung, Umsetzung und strategischen Verankerung der neuen Anforderungen.
- Betroffenheitsprüfung & regulatorische Pflichten
Wir klären, ob und in welchem Umfang Ihr Unternehmen betroffen ist, prüfen mögliche Erleichterungen oder Entlastungsregelungen und leiten daraus konkrete Pflichten ab. Dazu gehören die Registrierung und Anbindung an das Register, die Kommunikation mit den Behörden sowie die Unterstützung bei der Anpassung von Vertragsklauseln oder dem Neuabschluss von Bezugsverträgen. - Monitoring & Datenmanagement
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist ein konsistentes, prüfbares Monitoringsystem. Wir entwickeln gemeinsam Reportingstrukturen, die regulatorisch konform sind und zugleich an bestehende nEHS-Prozesse anknüpfen – unterstützt durch Schulungen, IT-Schnittstellen und praxisnahe Tools. - Auswirkungsanalyse & Geschäftsmodellbewertung
Wir analysieren finanzielle, prozessuale und strategische Effekte des EU-ETS 2. Auf dieser Basis entwickeln wir eine Readiness-Roadmap mit klaren Fristen, Rollen und Maßnahmen – und verknüpfen regulatorische Anforderungen mit ESG-Zielen und Dekarbonisierungsstrategien. - CO₂-Beschaffung & Preisstrategie
Mit der Auktionierung von Zertifikaten wird die CO₂-Beschaffung zur neuen Managementaufgabe. Wir unterstützen bei der Anpassung von Beschaffungsrichtlinien, beim Aufbau von Hedging-Strategien und der Integration in das Commodity Risk Management – inklusive Steuerung der Preisweitergabe.
Fazit: Frühzeitiges Handeln reduziert Komplexität und schafft Spielräume
Das EU-ETS 2 markiert einen grundlegenden Wandel im Umgang mit CO₂-Emissionen aus Wärme und Verkehr. Einheitliche Regulierung, marktbasierte Preisbildung und enge Umsetzungsfristen erfordern von Unternehmen ein hohes Maß an strategischer Vorbereitung.
Wer bereits jetzt Transparenz über die eigene Betroffenheit schafft, Prozesse anpasst und CO₂-Kosten aktiv steuert, kann nicht nur regulatorische Risiken minimieren – sondern auch Chancen nutzen: für mehr Resilienz, glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategien und langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu den Auswirkungen des EU-ETS 2 und den konkreten Handlungsfeldern für Ihr Unternehmen haben.
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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