Herkunftsnachweise (HKN) im Fokus: Markttrends, Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft
Aus unserer Blogreihe „Nachweisbar“
HKN sollen Transparenz schaffen und die Nutzung erneuerbarer Energien sichtbar machen – doch das System steht zunehmend unter Druck. Preisvolatilität, fehlende Preistransparenz, Importabhängigkeit und Greenwashing-Vorwürfe prägen den Markt. Gleichzeitig entstehen neue Trends, wie stündliche HKN und deren Kombination mit Power Purchase Agreements (PPA) im Rahmen sogenannter 24/7-Nachweisstrategien. Für Unternehmen stellt sich die Frage: Wie lassen sich HKN heute glaubwürdig und zukunftssicher einsetzen?
Hintergrund: Warum HKN im Fokus stehen?
Steigende ESG- und CSRD-Anforderungen sowie wachsender gesellschaftlicher Druck machen HKN für Unternehmen zu einem zentralen Instrument der Dekarbonisierung. Ein HKN steht für 1 MWh Strom aus erneuerbaren Energien. Er dokumentiert elektronisch die Herkunft, Technologie und das Erzeugungsdatum des Stroms und berechtigt Unternehmen, diesen als „grün“ zu deklarieren – etwa im Rahmen der Scope-2- Berichterstattung.
Damit ein HKN angerechnet werden kann, muss eine Entwertung im Register erfolgen – in der Regel innerhalb von 12 Monaten nach dem Erzeugungsdatum. So wird sichergestellt, dass jede erzeugte MWh nur einmal ausgewiesen werden kann und Doppelvermarktungen ausgeschlossen sind.
Allerdings sind nicht alle HKN gleichwertig: Sie unterscheiden sich u.a. nach Technologie, Anlagenalter und Standort. Diese Merkmale bestimmen, ob ein HKN als „hochwertig“ gilt – und beeinflussen damit Marktwert und Glaubwürdigkeit maßgeblich.
Aktuelle Herausforderungen
Der Markt für HKN befindet sich im Wandelt und steht vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Deutschland bleibt weiterhin stark von Importen – insbesondere norwegischer Wasserkraft-HKN – abhängig, da das Doppelvermarktungsverbot die Ausstellung von Zertifikaten aus EEG-geförderten Anlagen ausschließt. Nur ungeförderte Erzeugungsanlagen dürfen HKN ausstellen, was das inländische Angebot deutlich begrenzt. Zudem schwanken die Preise für hochwertige HKN erheblich. Eine mangelnde Preistransparenz erschwert Unternehmen die Planung und Bewertung. Auch die geringe zeitliche Granularität der Nachweise – meist auf Jahresbasis – stößt zunehmend auf Kritik. Pilotprojekte zu stündlichen HKN zeigen, dass mehr Transparenz technisch möglich ist, aber höhere Anforderungen an IT-Systeme und Datenmanagement entstehen. Unternehmen müssen daher Qualitätsunterschiede, Preisrisiken und Markttrends laufend beobachten und in ihre Beschaffungsstrategien integrieren, um ihre Dekarbonisierungsziele glaubwürdig und zukunftsfähig zu gestalten.
Risiken und die Wirkung für Unternehmen
HKN schaffen einen Rahmen für die Überprüfung der Nutzung erneuerbarer Energien, jedoch ist das bestehende System nicht frei von Schwächen. Unternehmen können insbesondere folgenden Risiken ausgesetzt sein:
- Greenwashing – ein Reputationsrisiko
Da HKN als eigenständige Instrumente handelbar sind, können sie von Unternehmen oder Brokern erworben werden, ohne dass der zugrunde liegende physische Strom tatsächlich geliefert wird. Der Einsatz entbündelter HKN, die häufig nur eingeschränkt transparent sind und deren tatsächliche Klimawirkung unklar bleibt, birgt das Risiko von Greenwashing-Vorwürfen. Außerdem kann die Nutzung minderwertiger oder importierter Zertifikate die Glaubwürdigkeit und Reputation eines Unternehmens beeinträchtigen. Die Beschaffung gebündelter HKN – also solcher, die direkt mit Investitionen in erneuerbare Energieanlagen verbunden sind – kann dieses Risiko reduzieren. Allerdings verfügen nicht alle Unternehmen über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel. - Doppelzählungen – eine weiterhin bestehende Herausforderung
Das aktuelle Marktdesign der HKN steht in der Kritik, da es Lücken zulässt, die zu Doppelzählungen oder irreführenden Emissionsangaben führen können. Der sogenannte Residualmix beschreibt den Stromanteil, der nicht durch HKN abgedeckt ist und in der Regel einen deutlich höheren CO2- Ausstoß aufweist. Es ist daher entscheidend, die Attribute erneuerbarer Energien klar und nachvollziehbar vom Residualmix zu trennen. Wird diese Trennung nicht korrekt vorgenommen, kann dies zu Fehldarstellungen bei der Emissionsbilanzierung führen. - Preisvolatilität – Dynamik eines illiquiden Marktes
Die hohe Preisvolatilität von HKN erschwert Unternehmen eine verlässliche Planung und kann sich negativ auf die Einnahmen auswirken. Ursachen sind u.a. eine geringe Marktliquidität, schwankende Nachfrage sowie regulatorische Veränderungen. Obwohl eine gewisse Volatilität unvermeidlich ist, ermöglicht das Verständnis der zugrunde liegenden Ursachen fundiertere Entscheidungsprozesse und eine effektivere Reaktion. Ein Instrument zur Risikominderung ist der Einsatz von Forward-Hedging. Obwohl HKN keine Commodities sind, kann dieses Risiko – ähnlich wie bei der Absicherung von Commodity-Exposure – durch den Einsatz von HKN-Forwards, Futures oder Swaps gemindert werden. Auch die Bündelung von PPAs und HKN kann helfen, Preisschwankungen abzufedern, sofern beide Instrumente strategisch aufeinander abgestimmt sind. - PPA und HKN – die richtige Kombination
PPAs und HKN gelten als zwei zentrale Säulen einer glaubwürdigen und nachhaltigen Energiebeschaffung. Während PPAs langfristige Versorgungssicherheit und Preisstabilität bieten, ermöglichen HKN Flexibilität und die offizielle Dokumentation des Grünstrombezugs. In der Praxis zeigt sich, dass die Kombination beider Ansätze – also die physische Stromlieferung über PPAs und die bilanzielle Absicherung durch HKN – zunehmend zum Standard für energieintensive Unternehmen wird.
PPAs schaffen durch direkte Abnahmeverträge mit Anlagenbetreibern Planungssicherheit und tragen messbar zur Energiewende bei. HKN ergänzen diese Struktur um eine Nachweisfunktion: Sie dokumentieren die Herkunft des Stroms und erlauben die flexible Zuordnung von erneuerbaren Energiemengen – unabhängig von Ort und Zeitpunkt der Erzeugung. Besonders bei kurzfristigen Bedarfsschwankungen oder Profilabweichungen im Lastmanagement stellen HKN ein wichtiges Instrument dar.
Die richtige Mischung aus PPA und HKN hängt von den individuellen Anforderungen eines Unternehmens ab – etwa vom Verbrauchsprofil, der Risikoaffinität oder den Nachhaltigkeitszielen. Unternehmen, die ihre Energieportfolios aktiv steuern, kombinieren häufig langfristige PPAs mit hochwertigen, regionalen HKN. So lassen sich Preisrisiken steuern, CO₂-Ziele erfüllen und zugleich glaubwürdige Nachhaltigkeitsnachweise erbringen. Entscheidend ist, dass Vertragsgestaltung, Mengensteuerung und Nachweisführung konsistent ineinandergreifen – nur dann entsteht ein belastbares und zukunftssicheres Beschaffungsmodell.
Marktentwicklungen
Im Zuge der fortschreitenden Energiewende steigt die Nachfrage nach mehr Transparenz und verbesserten Marktmechanismen für HKN, die eine präzisere Berichtserstattung über den Einsatz erneuerbarer Energien ermöglichen sollen.
- Granularität: Traditionelle HKN haben in der Regel eine Laufzeit von 12 Monaten und werden meist auf den Jahresverbrauch eines Unternehmens abgestimmt. Dieses Vorgehen kann zu ungenauen Zuordnungen hinsichtlich des Zeitpunkts und Orts der tatsächlichen Erzeugung führen. Granulare HKN ermöglichen dagegen eine stundenbasierte Abbildung des Grünstrombezugs. Das erhöht die Transparenz und Genauigkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich, erfordert jedoch neue Daten- und IT-Prozesse zur Verarbeitung der zusätzlichen Informationen.
- Reformdebatte: Die Diskussion um die Weiterentwicklung des HKN-Systems gewinnt an Dynamik. Politik, Behörden und Marktakteure fordern eine engere Kopplung der HKN an physische Stromflüsse, verkürzte Gültigkeitszeiträume und eine europaweite Harmonisierung der Regeln. Ziel ist es, die Nachweise glaubwürdiger zu machen und Greenwashing-Risiken nachhaltig zu reduzieren.
- Internationalisierung: Trotz zunehmender Standardisierung bestehen in den einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin unterschiedliche Regelungen für Ausstellung, Handel und Entwertung der HKN. Das kann insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zu Herausforderungen führen. Eine EU-weite Harmonisierung ist daher zentral, um Wettbewerbsverzerrungen durch nationale Unterschiede zu vermeiden. Derzeit laufen auf europäischer Ebene Bestrebungen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen und transparenter zu gestalten – mit dem Ziel, einen echten Binnenmarkt für Herkunftsnachweise zu schaffen.
Fazit
HKN bleiben ein zentrales Instrument zur Dekarbonisierung und zur Erfüllung steigender ESG- und CSRD-Anforderungen. Gleichzeitig bestehen weiterhin Herausforderungen im Hinblick auf Transparenz, Marktliquidität und Greenwashing-Risiken. Unternehmen sollten auf Qualität, die richtige Kombination mit PPAs und auf zukünftige Entwicklungen wie stündliche HKN achten, um ihre Energie- und Nachhaltigkeitsstrategie glaubwürdig und zukunftsfähig zu gestalten. Mit den anstehenden Reformen und neuen Marktmechanismen lohnt es sich, die eigene Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsstrategie frühzeitig neu auszurichten.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu den Auswirkungen von HKN und den konkreten Handlungsfeldern für Ihr Unternehmen haben.
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