Freiwilliger VSME-Standard im Kontext von Omnibus – eine sinnvolle Alternative?
Im Juli 2025 veröffentlichte die Europäische Kommission eine offizielle Empfehlung zum Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs (VSME).
Dieser freiwillige Standard wurde speziell entwickelt, um kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eine einfache und zugleich transparente Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu bieten. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verhandlungen zum Omnibus-Paket, die insbesondere das sogenannte Content Proposal der EU-Kommission betreffen, zeichnet sich eine grundlegende Veränderung im regulatorischen Umfeld ab. So sollen künftig nicht nur KMU, sondern auch zahlreiche mittelgroße Banken und Versicherer von der verpflichtenden Berichtspflicht ausgenommen werden. Diese Entwicklungen verleihen dem VSME-Standard neue Relevanz und werfen zugleich die Frage auf, ob sich dieser im Unternehmensalltag als praktikables Instrument für die externe Nachhaltigkeitskommunikation bei Banken und Versicherern etablieren kann.
Zielgruppe und Bedeutung des VSME-Standards
Der VSME-Standard richtet sich in erster Linie an nicht-börsennotierte KMU und Kleinstunternehmen, die gegenwärtig nicht zum verpflichteten Anwenderkreis der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gehören. Entwickelt wurde er von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) für Unternehmen, die zwei der folgenden drei Größenkriteriennicht überschreiten: eine Bilanzsumme von 25 Millionen Euro, einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder durchschnittlich 250 Mitarbeitende.
Mit dem steigenden Transparenzdruck durch größere Geschäftspartner wächst auch der Bedarf bei KMU, Nachhaltigkeitsinformationen offen und nachvollziehbar bereitzustellen. Der VSME-Standard bietet hier eine pragmatische Lösung, mittels derer diese Anforderungen mit vergleichsweise geringem Aufwand erfüllt werden können, ohne die umfangreichen Vorgaben der CSRD vollständig abdecken zu müssen. Somit fungiert der Standard als klarer Bezugsrahmen für erwartbare nachhaltigkeitsbezogene Daten und erleichtert KMU zugleich den Einstieg in die Berichterstattung.
Auswirkungen der EU-Omnibus-Regelungen auf Berichtspflichten
Die im Februar 2025 veröffentlichten Omnibus-Vorschläge der EU-Kommission sehen eine signifikante Reduktion der CSRD-Berichtspflicht vor – diese soll um bis zu 90 % reduziert werden. Konkret wird die Schwelle bei der Mitarbeiterzahl von aktuell 500 auf über 1.000 Beschäftigte angehoben, wodurch viele bisher berichtspflichtige Unternehmen von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit würden. Die aktuelle Verhandlungsposition des EU-Parlaments sieht sogar eine höhere Schwelle von 1.750 Mitarbeitern vor. Die Vorschläge des Europäischen Rats sowie des Europäischen Parlaments beinhalten zudem eine Anhebung der Umsatzschwelle auf 450 Mio. EUR. Diese angestrebten Anpassungen erweitern das potenzielle Einsatzfeld freiwilliger Standards wie dem VSME erheblich. Die finalen Regelungen zur Ausgestaltung der CSRD-Reichweite befinden sich jedoch noch in den laufenden Trilogverhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission. Dabei sind neben der Mitarbeitendenzahl auch die Umsatzschwellen weiterhin Diskussionsgegenstand.
Parallel wird im Rahmen von Omnibus mit dem sogenannten „Value Chain Cap“ vorgeschlagen, dass berichtspflichtige Unternehmen die Informationsanforderungen an ihre Zulieferer mit bis zu 1.000 Mitarbeitenden auf die Vorgaben des VSME-Standards begrenzen müssen. Hierfür ist ein delegierter Rechtsakt vorgesehen. Bis zum Inkrafttreten des Delegierten Rechtsaktes sind noch inhaltliche Änderungen am VSME-Standard möglich. Dem VSME-Standard wird also aller Voraussicht nach zukünftig eine größere Bedeutung zukommen.
Im Rahmen des Omnibus-Verfahrens hat die EU-Kommission außerdem die EFRAG mit einer Vereinfachung der CSRD-Berichterstattungsstandards, der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beauftragt. Die EFRAG hat am 03.12. ihre fachliche Stellungnahme für die simplifizierten ESRS eingereicht. Die finale, überarbeitete Version der ESRS wird spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der angepassten CSRD als Delegierter Rechtsakt verabschiedet.
Aufbau und Inhalte des VSME-Standards
Der VSME-Standard ist modular aufgebaut und besteht aus einem Basismodul sowie einem optionalen Zusatzmodul.Das Basismodul adressiert elf wesentliche Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte im eigenen Geschäftsbetrieb und ist bewusst einfach gestaltet, um eine praktikable Umsetzung gerade für KMU zu gewährleisten. Ergänzend dazu umfasst das optionale Zusatzmodul neun weitere Anforderungen, darunter insbesondere die Berücksichtigung der Scope-3-Emissionen – also der indirekten Emissionen entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette –, die für viele Unternehmen eine erhebliche Erweiterung darstellen.
Diese Modularität ermöglicht es den Unternehmen, flexibel und bedarfsgerecht zu berichten: Die Datenpunkte sind in verpflichtende, „falls zutreffend“ zu erfüllende sowie freiwillige Angaben („kann-Angaben“) unterteilt. In den Anleitungen zu jeder Angabe werden die Umstände und die Informationen, die nur dann zu melden sind, wenn das Unternehmen sie als “zutreffend“ ansieht, im Einzelnen spezifiziert. Zum Beispiel wenn die gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung bestimmter Informationen besteht oder wenn bestimmte Informationen bereits freiwillig im Rahmen eines Umweltmanagementsystems offengelegt werden.
Entscheidet sich ein Unternehmen für ein Modul, ist dieses vollständig anzuwenden. Die Offenlegung von Vergleichsdaten erfolgt für bereits berichtete Kennzahlen ab dem zweiten Berichtsjahr.
Darüber hinaus sieht der Standard vor, dass eine Prüfung stattfinden sollte, ob zusätzliche informationspflichtige Datenpunkte außerhalb des Standards aufgenommen werden, insbesondere wenn diese branchenüblich sind oder spezifisch auf das Unternehmen zutreffen. Hierbei ist auch Anlage B des Standards zu beachten, die sich an ESRS 1 AR16 anlehnt.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Vergleich mit den CSRD-Anforderungen und der Berichterstattung nach den ESRS-Standards
Da sowohl der VSME- als auch der CSRD-Standard von EFRAG entwickelt wurden, bestehen viele inhaltliche Überschneidungen bei den berichtspflichtigen Datenpunkten. Dies erleichtert es Unternehmen, die sich auf die CSRD mit dem bisherigen Anwendungsbereich vorbereitet haben, auch die Anforderungen des VSME grundsätzlich zu erfüllen. Dennoch gibt es wichtige Unterschiede, die im Folgenden hervorgehoben werden.
- Pflicht versus Freiwilligkeit: Während die CSRD für Unternehmen, welche die Größenkriterien überschreiten, verpflichtend ist, erfolgt die Anwendung des VSME-Standards freiwillig.
- Externe Prüfung: Nach CSRD ist eine externe begrenzte Prüfung („limited Assurance“) zwingend vorgeschrieben. Beim VSME liegt die Prüfung der offengelegten Informationen im Ermessen des Unternehmens.
- Doppelte Wesentlichkeitsanalyse: Ein zentraler Unterschied liegt darin, dass der VSME keine verpflichtende doppelte Wesentlichkeitsanalyse voraussetzt. Diese kann zwar optional durchgeführt werden, ist jedoch für die Berichtserstellung nicht zwingend. Dies erleichtert KMU den Einstieg, da Offenlegungen auf tatsächliche und relevante Sachverhalte beschränkt bleiben („falls zutreffend“-Prinzip). Es kann jedoch ratsam sein, eine vereinfachte Wesentlichkeitsanalyse vorzunehmen, um die für das Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen gezielt zu identifizieren. Dabei kann ein Vergleich mit Branchenstandards, etwa anhand bereits veröffentlichter CSRD-Berichte, wertvolle Orientierung bieten. Ein weiterer Ansatz, um branchenrelevante Themen und Kennzahlen zu identifizieren, kann z.B. die Orientierung an den Global Reporting (GRI)-Branchenstandard für Banken und an dem Branchenstandard für Versicherungen (Exposure Draft) sein, die sich explizit auf mögliche Nachhaltigkeitsauswirkungen von Banken und Versicherungen konzentrieren und daher passgenauere Informationsanforderungen beinhalten, welche zum Teil aber über die ESRS hinausgehen (z.B.im Hinblick auf Angaben zu Steuern). Die Branchenstandards der GRI für Banken und Versicherungen befinden sich derzeit als Exposure Draft in der Konsultationsphase. Diese soll bis zum ersten Quartal 2026 abgeschlossen sein. Die finale Veröffentlichung ist für das zweite Quartal 2026 geplant. Ergänzend sollten unternehmensspezifische Aspekte berücksichtigt werden, um die Berichterstattung möglichst passgenau und aussagekräftig zu gestalten.
- Fokus auf Auswirkungen: Ein wesentlicher Unterschied zwischen CSRD und VSME besteht darin, dass die CSRD-Berichterstattung sowohl die positiven und negativen Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft (Inside-Out-Perspektive), als auch die die Risiken und Chancen, die sich aus externen Faktoren für das Unternehmen ergeben (Outside-In-Perspektive) umfasst. Im Gegensatz dazu konzentriert sich der VSME-Standard vornehmlich auf die Inside-Out-Perspektive, sprich die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt, [A(7] [A(8] [ER9] wobei die Risikobetrachtung im Wesentlichen auf Klimarisiken beschränkt ist und eine systematische Berücksichtigung von Chancen gänzlich fehlt. Vor dem Hintergrund weiterer aufsichtsrechtlicher Vorgaben und Neuerungen, wie der Capital Requirements Directive VI (CRD), der EBA-Leitlinien zum ESG-Risikomanagement sowie der Solvency II-Vorgaben würde es sinnvoll erscheinen, den VSME-Bericht zumindest um materielle ESG-Risiken zu erweitern.
- EU-Taxonomie: Der VSME-Standard sieht keine verpflichtenden Angaben zur EU-Taxonomie vor, was die Berichtspflicht im Vergleich zur CSRD vereinfacht.
- Keine umfassende Berichterstattung zur Wertschöpfungskette: Der VSME-Standard verlangt nahezu keine Angaben über die Wertschöpfungskette. Gerade in der nachgelagerten Wertschöpfungskette liegen aber die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen bei Banken und Versicherern.
Das Basismodul des VSME fokussiert sich stark auf den Eigenbetrieb und enthält verpflichtende Umweltangaben. Für Banken und Versicherer sind Umweltaspekte im Eigenbetrieb aufgrund ihres Geschäftsmodells in der Regel jedoch nicht wesentlich. Das Basismodul beschränkt sich beispielsweise im Hinblick auf Emissionen auf Scope 1- und 2 Angaben. Aufgrund des hohen Anteils der Scope-3-Emissionen an den Gesamtemissionen bei Banken und Versicherern (nahezu 99 %) empfiehlt sich daher die Anwendung des Zusatzmoduls, auch wenn die Anwendung im Rahmen des VSME-Standards nicht verpflichtend ist. Denn die Daten der Geschäftspartner zu Scope-3-Emissionen sind nicht nur für das eigene Reporting, sondern auch für das Klimarisikomanagement von großer Bedeutung.
Darüber hinaus berücksichtigt die Emissionsintensität nach VSME im Basismodul ausschließlich Scope-1- und Scope-2-Emissionen im Gegensatz zu der Emissionsintensität nach der CSRD, die in ESRS E1-6 Nr. 53-55 normiert ist, und bei der Gesamtemissionen betrachtet werden. - Verwendung abweichender Begrifflichkeiten: Der VSME-Standard verwendet teilweise abweichende Terminologien gegenüber der CSRD. So entsprechen die im VSME verwendeten „Richtlinien“ den „Konzepten“ der CSRD, während „Verfahrensweisen“ nach dem VSME, grds. als „Maßnahmen“ nach der CSRD interpretiert werden können.
- Datenpunkt-Granularität: Obwohl der VSME inhaltlich auf der aktuellen Version der ESRS basiert, ist weniger detailliert. Einzelne VSME-Datenpunkte umfassen oft mehrere differenzierte Angaben der ESRS. Einige Angaben, wie z. B. Nachhaltigkeitszertifikate oder Auszeichnungen, sind zudem nur im VSME enthalten. Nachfolgend findet sich ein Mapping der Module und Angabepflichten zu den ESRS-Themen.
- Transitionsplan: Gemäß VSME ist ein Transitionsplan nur für Unternehmen mit hohen Klimaauswirkungen in bestimmten Sektoren offenzulegen. Im Gegensatz dazu verlangt die CSRD eine solche Offenlegung grundsätzlich für alle berichtspflichtigen Unternehmen, die das Thema „Klima“ als wesentlich eingeschätzt haben.
- Geringere Anforderungen (Minimum Disclosure Requirements) als bei CSRD im Vergleich zur aktuell geltenden Version der ESRS: Zudem bildet der VSME die umfassenden Mindestoffenlegungspflichten (Management Disclosure Requirements - MDR) an Konzepte, Ziele, Maßnahmen und Metriken der CSRD nicht vollständig ab, was einerseits Komplexität reduziert, in Einzelfällen aber auch zu mehr Transparenz führen kann. Das bedeutet, dass Unternehmen, die etwa nach CSRD einzelne Konzepte aufgrund unzureichender Erfüllung der Mindestanforderungen nicht offenlegen konnten, diese nach VSME grundsätzlich berichten könnten.
Unternehmen, die sich im Rahmen der CSRD schon auf die ESRS-Berichterstattung vorbereitet haben, nun aber ggfs. aus dem neuen CSRD-Scope herausfallen, könnten sich aufgrund dieser Limitierungen des VSME-Standards auch für eine freiwillige Berichterstattung basierend auf den ESRS oder orientiert an den ESRS entscheiden.
Fazit
Der VSME-Standard stellt eine praxisorientierte und von der EU-Kommission empfohlene Lösung für KMU dar, die den zunehmenden Herausforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung begegnen möchten. Gerade vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden regulatorischen Anpassungen, die die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen erheblich reduzieren, gewinnt der VSME zunehmend an Bedeutung als freiwilliger Standard.
Viele Banken und Versicherer verfügen bereits über einen Fundus an Nachhaltigkeitsdaten – sei es durch bereits erfolgte Vorbereitungen auf die Berichterstattung gemäß der CSRD, die Vorgängerdirektive zur CSRD, die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) oder spezifische Anforderungen von Geschäftspartnern. In diesem Zusammenhang bietet der VSME-Standard trotz teils eingeschränkter Passgenauigkeit eine solide, standardisierte Grundlage zur Erfassung und externen Kommunikation nachhaltigkeitsrelevanter Informationen, insbesondere als pragmatische Zwischenlösung. Aufgrund der eingeschränkten Passgenauigkeit empfehlen wir, den Standard um unternehmens- und branchenspezifische ESG-Aspekte zu ergänzen, um eine maßgeschneiderte und Stakeholder-orientierte Berichterstattung sicherzustellen.
Die Umsetzung des VSME-Standards trägt dazu bei, Vertrauen bei Stakeholdern und Geschäftspartnern aufzubauen. Angesichts der bevorstehenden Omnibus-Anpassungen und der wachsenden Bedeutung freiwilliger Standards wird der VSME-Standard zunehmend zu einem strategischen Instrument für nachhaltige Unternehmensführung.
Durch den “Value Chain Gap” soll der VSME bilaterale Abfragen multipler Stakeholder an ein Unternehmen vermeiden, welche zu erhöhten Aufwänden für Finanzinstitute wie Unternehmen führen. Sollte sich der VSME-Standard am Markt als gängiges Reportingframework etablieren, erleichtert er die Bearbeitung von Anfragen seitens CSRD-Anwendern und unterstützt Unternehmen dabei, auch selbst fundierte ESG-bezogene Informationen von Geschäftspartnern einzufordern. Finanzinstitute müssen hierbei jedoch bezüglich der für das Klimarisikomanagement und die eigene Berichterstattung relevanten Scope-3-Emissionen auch auf das Zusatzmodul bestehen. Die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichtes basierend auf dem VSME ist somit ein wichtiger Schritt, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
Weiterführende Links:
- Studie: CSRD-Benchmarking von Banken und Versicherungen
- Blog: Berichtspflichten im Wandel: Wie die EU-Entscheidungen die Effektivität des Risikomanagements im Klimawandel beeinflussen
- Blog: Emissionen im eigenen Geschäftsbetrieb – ein (kleiner) Hebel für Finanzunternehmen?
- Blog: Vergleichende Analyse der Transitionspläne und Klimaziele europäischer Versicherer
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