Konzessionen (Teil 14): Aktuelle oberlandesgerichtliche Urteile zu Konzessionsverfahren

Das OLG Celle und das OLG Düsseldorf haben sich in aktuellen Urteilen u.a. mit Umfang und Grenzen des Akteneinsichtsrechts, der Beweislastverteilung sowie der Zulässigkeit von Vertragsstrafen im Zusammenhang mit dem Nebenleistungsverbot auseinandergesetzt. Das OLG Karlsruhe hat seine bisherige Ablehnung der relativen Bewertungsmethode in Konzessionsverfahren aufgegeben.

Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 17. August 2022 (VI-U (Kart) 4/21) insbesondere zu Fragen der Zulässigkeit von Schwärzungen und der Reichweite des Akteneinsichtsrechts geäußert. Dem unterlegenen Bieter stehe ein weitgehend voraussetzungsloses Akteneinsichtsrecht zum Zwecke der Überprüfung der gemeindlichen Auswahlentscheidung auf entscheidungserhebliche Rechtsverletzungen zu. Ein weitgehend geschwärzter Auswertungsvermerk erfülle diesen Anspruch nicht. Etwaige Schwärzungen seien nur unter Darlegung einer jeweils im Einzelnen zu begründenden Abwägungsentscheidug der Gemeinde zulässig. Ein Geheimhaltungsinteresse läge dabei nicht bereits bei jedem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des obsiegenden Bieters vor, da diesem der Anspruch des unterlegenen Bieters auf einen effektiven Rechtsschutz gegenüber stünde. Im Rahmen dieser Abwägung sei grundsätzlich auch hinzunehmen, dass der unterlegene Bieter etwaige Erkenntnisse in einem späteren/erneuten Verfahren in der eigenen Angebotserstellung verwenden könne. Das OLG übernimmt damit bewusst die vom BGH für die frühere Rechtslage entwickelten Grundsätze (BGH, Urteil vom 7. September 2021, EnZR 29/20 –wir berichteten.)

Keine Akteneinsicht in obsiegendes Angebot ohne weiteren Grund

Nur insoweit gesteht das OLG allerdings dem unterlegenen Bieter ausdrücklich ein Recht auf „Ausforschung“ zu, weil es nicht darauf ankomme, ob schon vorher genügend Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung vorlägen. Darüber hinaus gelte das Akteneinsichtsrecht aber nicht schrankenlos. Ein Anspruch auf Einsicht in die Bestandteile des obsiegenden Angebots sei hingegen dem Anspruch auf Einsicht in den Auswertungsvermerk nachgelagert und bestehe unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur ausnahmsweise dann, wenn die Einsichtnahme in den Auswertungsvermerk ergeben habe, dass diese dem unterlegenen Bieter zur Rechtswahrung, namentlich zur Entscheidung über die Anbringung und Formulierung von Rügen nicht ausreicht. Gleiches gelte für die Einsichtnahme in sonstige Unterlagen, hier die zu vorbereitenden Ausschusssitzungen. In beiden Fällen würde die abstrakte Möglichkeit eines Verfahrensverstoßes nicht für eine Akteneinsicht „ins Blaue hinein“ nicht ausreichen, sondern müsste die Antragstellerin substantiell konkrete Anhaltspunkte für mögliche Fehler im Konzessionsverfahren darlegen. In Anlehnung an den BGH sei daher grundsätzlich nur die umfassende Unterrichtung über das Ausschreibungsergebnis durch Überlassung einer ungeschwärzten und vollständigen Kopie des Auswertungsvermerks erforderlich.

Damit befindet sich das OLG Düsseldorf auf einer Linie mit der Entscheidung des OLG Celle vom 16. Juni 2022 (13 U 67/21 (Kart)), das ebenfalls die Auffassung vertritt, dass eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts, das allein der Vorbereitung von Rügen diene, an sich keine Verletzung der Pflichten der Gemeinde darstelle, soweit die Wertungsentscheidung selbst hierdurch nicht intransparent werde. Es sei insofern im Hinblick auf die erhobenen Rügen entscheidungserheblich, ob die getroffenen Wertungsentscheidungen auch ohne Vorlage der vollständig ungeschwärzten Angebotsunterlagen des obsiegenden Bieters hinreichend transparent seien. Das OLG Celle schloss sich wiederum seinerseits diesbezüglich ausdrücklich der Rechtsprechung des OLG Schleswig (Urteil vom 18. Mai 2020 (16 U 66/19 Kart) –wir berichteten) an, die noch zur alten Rechtslage erging.

Vertragsstrafen unterliegen grundsätzlich nicht dem Nebenleistungsverbot

Das OLG Celle hat darüber hinaus Aussagen zur Beweislastverteilung in Verfügungsverfahren getroffen. Seitens der Verfügungsklägerin erhobene Rügen der mangelnden Plausibilisierung der Angebote hielt das OLG entgegen, dass eine Plausibilitätsprüfung nur erforderlich sei, soweit sich aus den Angeboten selbst oder naheliegenden Überlegungen oder aufgrund der Rügen eines unterlegenen Bieters Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit in den Angeboten oder die mangelnde Umsetzbarkeit von Zusagen ergäben. Das Fehlen einer Dokumentation einer Plausibilitätsprüfung indiziere zudem nicht, dass eine solche unterblieben sei. Für das Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte trage die Verfügungsklägerin die Beweislast.

Im Hinblick auf die Vereinbarung von Vertragsstrafen regele § 3 KAV abschließend, welche Nebenleistungen neben Konzessionsabgaben gewährt werden dürfen. Dem Wortlaut nach sind Vertragsstrafen dort zwar nicht erfasst. Dennoch sind diese nach Überzeugung des OLG zulässig, soweit Leistungsversprechen hierdurch abgesichert werden sollen, die für sich genommen zulässig sind. Anders sähe dies aus, wenn die Vertragsstrafen ein Umgehungsgeschäft darstellten, z.B. die Gemeinde kein Interesse an der zu sichernden, zugrundeliegenden Verpflichtung habe, eine sehr hohe Eintrittswahrscheinlichkeit des Vertragsverstoßes bestehe oder die Sanktionen außer Verhältnis zu dem zu ahndenden Verstoß stünden.

OLG Karlsruhe gibt Ablehnung der relativen Bewertungsmethode in Konzessionsverfahren auf

Das OLG Karlsruhe hatte in einer früheren, noch auf der Grundlage der bis zum 3. Februar 2017 geltenden Fassung von § 46 EnWG getroffenen Entscheidung (Urteil vom 3. April 2017 - 6 U 151/16 Kart) angenommen, dass jedenfalls in dem Fall, dass sich eine Gemeinde durch ein Beteiligungsunternehmen selbst an dem Konzessionierungsverfahren beteiligt, diese den potenziellen Bietern die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen hat, anhand der sie eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt, da andernfalls die Gefahr einer willkürlichen Auswahl bestünde; der Wettbewerb als solcher sowie die Bieterunternehmen seien vor der Gefahr von Manipulationen durch Festlegen und Bekanntgeben transparenter Bewertungsmaßstäbe zu schützen.

Nunmehr schloss sich das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 27. April 2022 (6 U 318/21) der Auffassung anderer Oberlandesgerichte an, wonach jedenfalls bei einem Konzeptwettbewerb auch im Fall möglicher (oder erwarteter) kommunaler Bieterbeteiligung die Ankündigung einer (relativen) Bewertungsmethode genügen kann, die bei der späteren Auswahlentscheidung eine objektiv nachvollziehbare Bewertung ermöglicht, auch wenn diese nicht aufgrund genauer Festlegung der Bewertungsmethode an vorab festgelegte Zielerreichungsgrade anknüpfe, sondern qualitative Wertungen erfordern werde, die erst auf der Grundlage des Kreises der eingegangenen Gebote zu treffen seien. Im Fall eines Ideen- und Konzeptwettbewerbs trage es nicht zur Transparenz und Vorhersehbarkeit der Bewertung bei, im Vorhinein einen Zielerreichungs- oder Erfüllungsgrad zu definieren und eine hieran anknüpfende Bewertungsskala aufzustellen, weil die Angebotsinhalte der Bieter nicht antizipiert und quasi vorweggenommen hypothetisch bewertet werden könnten. Aufgrund der verschärften Begründungs- und Dokumentationsvorgaben der Novelle von 2017 erfahre ein etwaiges Missbrauchspotential ein ausreichendes Korrektiv.

Sollte für Ihre Kommune oder Ihr Versorgungsunternehmen ein Konzessionsverfahren anstehen oder sollten sich sonst Fragen in diesem Zusammenhang stellen, sprechen Sie uns gern an.

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