“Fit for 55”: EU-Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels nehmen Gestalt an

Die EU hat einen wichtigen Meilenstein in der Umsetzung des "Fit for 55"-Pakets, eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Erreichung der Klimaziele aus dem Europäischen Klimagesetz, erreicht.

Am 18.04.2023 wurden weitere Gesetze als zentrale Bestandteile des Maßnahmenpakets verabschiedet: die Reform des Emissionshandelssystems (EHS) und dessen Erweiterung (EHS II). Zudem wurde die schrittweise Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanisms (CBAM) beschlossen.

Die Reform des EHS dient vornehmlich der Erreichung der neu gesetzten Ambitionen zur CO2-Einsparung: Bis 2023 sollen die Emissionen in den Emissionshandels(ETS)-Sektoren um 62% gegenüber 2005 gesenkt werden. Hierzu soll die Menge an Zertifikaten einmalig in 2024 um 90 Mio. t CO2-Äquivalente und in 2026 um weitere 27 Mio. t verringert werden. Zusätzlich werden ab 2024 4,3% weniger Zertifikate vergeben. Die kostenlosen Emissionszertifikate für Unternehmen sollen von 2026 bis 2034 schrittweise auslaufen.

Insbesondere das EU-EHS erfährt viele Änderungen

Weitere große Branchen werden in den EHS mit einbezogen: Schiffsverkehr und Luftfahrt.

Größter und erster Neuzugang ist der Schiffsverkehr, wobei bei der Schifffahrt nicht nur auf den CO-Ausstoß abgezielt wird, sondern auch der Ausstoß von Methan und N20 berücksichtigt werden soll. Betroffen von diesen Vorgaben sind jedoch nur Schiffe von mehr als 5.000 Tonnen. Ab 2028, spätestens ab 2030, sollen auch die Treibhausgasemissionen von Verbrennungsanlagen mit einbezogen werden, hierzu wurden schon ab 2024 Prüf- und Messpflichten für die Treibhausgase formuliert. Die Zertifikatsabgabe beginnt hier mit 40% der für 2024 berichteten und geprüften Emissionen, die Integration erfolgt stufenweise.

Der zweite Bereich, der mit in den EU-EHS einbezogen wird, ist die Luftfahrt. Ihr wird mit den sog. Nicht-CO2-Effekten (Stickstoffoxide, Rußpartikel) mehr Aufmerksamkeit gewidmet, die ab 2025 überwacht und gemeldet werden müssen. Emissionen aus erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs, bei denen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen i.S.d. erneuerbaren-Energien-Richtlinie verwendet wird, werden vorübergehend als emissionsfrei eingestuft. Für den Emissionshandel wurde nun die Regelung eingeführt, dass bis zu 20 Mio. Zertifikate für die Verwendung von nachhaltigen Kraftstoffen reserviert werden, um Anreize für Flugbetreiber zu schaffen. Die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehr wird bis 2026 schrittweise eingestellt, wobei der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe stärker gefördert werden soll.

Zukünftig werden im EHS II mit Straßenverkehr und Gebäude zwei weitere große Bereiche dem Emissionshandelssystem unterliegen. Hier ist grundsätzlich betroffen, wer als Tätigkeit die Überführung von Brennstoffen in den steuerrechtlich freien Verkehr ausübt, die zur Verbrennung im Gebäude- und im Straßenverkehrssektor sowie in den zusätzlichen Sektoren verwendet werden. Hiervon ausgenommen sind bspw. Siedlungsabfälle. Die ersten Zertifikate werden 2027 versteigert, allerdings wird schon ab 2025 eine Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen von der zuständigen Behörde benötigt. Der europäische Gesetzgeber hat zudem eine Art Bremse eingebaut, indem er eine Verschiebung dieses Emissionshandels aufgrund außergewöhnlich hoher Energiepreise vorsieht.

Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)

Mit der Verordnung (EU) 2023/956 wurde das lang angekündigte CO2-Grenzausgleichssystem eingeführt. Es ergänzt den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der EU und soll die Verlagerung von CO2-Emissionen nicht nur vermeiden, sondern diese zeitgleich in Drittländern reduzieren. Zunächst gilt dieses CO2-Grenzausgleichsystem für energieintensive Produkte wie Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel oder Strom.

Bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern und bestimmten Veredelungserzeugnissen werden die direkten Emissionen ermittelt, die bei der Warenherstellung freigesetzt wurden, sowie indirekte Emissionen aus dem zur Herstellung verbrauchten Strom. Daraus ergibt sich die benötigte Menge an sog. CBAM-Zertifikaten, wobei eine möglicherweise bereits erfolgte CO2-Bepreisung in einem Drittland berücksichtigt wird. Ab 2026 muss daher die Differenz zwischen dem gezahlten CO-Preis und dem Preis der CO-Zertifikate in der EU ausgeglichen werden.

Geplant ist eine schrittweise Einführung: Vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. Dezember 2025 gelten für Einführer zunächst nur die Berichtspflichten, bevor im Jahr 2027 zum ersten Mal für das Jahr 2026 Zertifikate abgegeben werden müssen.

Letztendlich besteht das Ziel darin, die Einfuhr von Waren aus Drittländern durch die CBAM-Zertifikate so zu gestalten, dass für eingeführte und inländische Produkte eine identische Belastung von CO2 erfolgt. Durch den CBAM soll außerdem ein Anreiz für Drittländer geschaffen werden, ähnliche Regelungen zu dem EHS zu erlassen. Allerdings fehlt es weiter an einem Entlastungsinstrument für Exporteure, die im Wettbewerb im Nicht-EU-Ausland mit ihren durch die zu erwerbenden Emissionsrechte teureren EU-Produkte Nachteile gegenüber anderen Lieferanten haben dürften.

Nach offener Kritik an den bisherigen Plänen einer dezentralen Verwaltung des CBAM soll nun der Mechanismus zentralisiert werden. Die meisten Aufgaben sollen von der EU-Kommission wahrgenommen werden, die auch die Effektivität des Mechanismus prüfen und eine Einbeziehung weiterer (nachgelagerter) Produkte prüfen. Bis 2030 sollen deutlich mehr Güter einbezogen werden.

Weitere Regelungen

Um die steigenden fossilen Brennstoffkosten abzufedern und soziale Härten zu vermeiden, hat die EU einen Klima-Sozialfonds eingerichtet. Dieser Fonds soll den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung bieten, um benachteiligten Haushalten und Kleinstunternehmen zu helfen, die Auswirkungen des Emissionshandels zu bewältigen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der EU-Kommission einen Klima-Sozialplan vorzulegen, der ihre nationalen Maßnahmen und Investitionen zur Bekämpfung der sozialen Auswirkungen des Emissionshandels darlegt. Die finanzielle Unterstützung ist dabei an Etappenziele geknüpft.

Neben den genannten Maßnahmen beinhaltet das "Fit for 55"-Paket auch die Schaffung von Innovationsfonds, Modernisierungsfonds und weitere Regelungen zur Finanzierung und Unterstützung des wirtschaftlichen Wandels hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft. Es wurde auch ein Gesetz zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung erlassen, das strengere Regeln für den Import von Holz und anderen Produkten einführt.

Die verabschiedeten Gesetze und Maßnahmen des "Fit for 55"-Pakets markieren einen wichtigen Schritt der EU im Kampf gegen den Klimawandel. Sie verdeutlichen das Engagement der EU, ihre Klimaziele zu erreichen und eine Vorreiterrolle bei der Umstellung auf eine nachhaltigere und kohlenstoffarme Wirtschaft einzunehmen. Die Zustimmung des EU-Rates zu diesen Gesetzen steht zwar noch aus, aber die Weichen sind gestellt und die EU geht mit Entschlossenheit voran, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.

Sollten Sie Fragen zur Umsetzung des “Fit for 55”-Pakets haben, sprechen Sie gerne mein Team und mich an.

Ansprechpartner:
Michael Küper

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