Elektrisierendes Urteil: Zwischenhändler als Anspruchsberechtigte nach Strompreisbremsengesetz

Als regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreiberin ist die Beklagte gemäß § 20 StromPBG verpflichtet, dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das die Entlastungen nach § 4 Abs. 1 StromPBG gewähren muss, diese zu erstatten.

Das Landgericht (LG) Bayreuth entschied mit Urteil vom 30.11.2023 (Az. 1 HK O 30/23), dass auch Zwischenhändler Elektrizitätsversorgungsunternehmen und damit Anspruchsberechtigte nach § 22a Abs. 1 Strompreisbremsegesetz (StromPBG) sein können, die mit integrierten Lieferverträgen Strom und Netzkapazität an einer Netzentnahmestelle beziehen und dort an ortsfeste Kunden weiterveräußern. 

Die Klägerin, eine Zwischenhändlerin von Strom, wollte eine Verpflichtung der Beklagten (ÜNB) erreichen, ihr weiterhin Vorauszahlungen nach § 22a Abs. 1 StromPBG zu gewähren. Als regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreiberin ist die Beklagte gemäß § 20 StromPBG verpflichtet, dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das die Entlastungen nach § 4 Abs. 1 StromPBG gewähren muss, diese zu erstatten. Gemäß § 22a Abs. 1 StromPBG hat das Elektrizitätsversorgungsunternehmen einen Anspruch auf Vorauszahlung dieser Erstattung. Die Klägerin hatte ihren Kunden Entlastungsbeträge nach § 4 Abs. 1 StromPBG gewährt und diese auch bis März 2023 von der Beklagten im Wege der Vorauszahlung erstattet bekommen. Die Beklagte stellte die Zahlungen danach allerdings ein und teilte mit, dass die bisher erfolgten Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung stünden, da es sich bei der Klägerin gar nicht um ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne von § 2 Nr. 6 StromPBG, sondern um eine Letztverbraucherin gemäß § 2 Nr. 12 StromPBG handele. Dies machte die Beklagte daran fest, dass die Klägerin mit ihren Vorlieferanten sog. integrierte Stromlieferungsverträge geschlossen hatte, nach denen diese nicht nur die Lieferung von Strom übernehmen, sondern auch die Netznutzung mit dem Netzbetreiber regelten. Indem die Klägerin die Lieferung des Stroms bis zu ihrer Entnahmestelle nicht selbst regelte, würde sie nicht „über ein Netz“ an ihre Kunden liefern und könne damit nicht Elektrizitätsversorgungsunternehmen sein.  

Das LG Bayreuth erörtert den Begriff des Netzes, dessen Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 13 StromPBG auf die Definition der Energieversorgungsnetze in § 3 Nr. 16 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) verweist. Diese Bestimmung nehme allerdings nur Kundenanlagen i.S.d. § 3 Nr. 24 a/b EnWG vom Netzbegriff aus. Nach einem rein wörtlichen Verständnis des Begriffs „Netz“ als zusammenhängende Menge von Verbindungen zwischen Knoten einschließlich der so verbundenen Knoten, beziehe sich die Lieferung der Klägerin von ihrer Netzentnahmestelle zu ihren Kunden nur auf einen einzelnen Knoten und nicht das gesamte Netz. Laut dem Gericht entspräche ein derart enges Verständnis des Wortlauts aber nicht dem Willen des Gesetzgebers. Hätte dieser die Konstellation der Klägerin vom Begriff der Elektrizitätsversorgungsunternehmen ausnehmen wollen, hätte er dies explizit getan, da es sich dabei um wirtschaftlich besonders relevante Sachverhalte handele.  

Nach der Begriffsbestimmung könne die Klägerin grundsätzlich nicht nur Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sondern auch Letztverbraucherin sein. Zwar sei bei einer reinen Weiterleitung von Strom laut Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 12 StromPBG derjenige, der die Weiterleitung vornimmt, Letztverbraucher. Dies beziehe sich allerdings nicht auf Konstellationen, in denen der Strom an Endverbraucher aufgrund langfristiger vertraglicher Bindung weitergeleitet werde. Dies wird mit dem Zweck des StromPBG, Letztverbraucher zu entlasten, und der aus einer Qualifizierung der Klägerin als Letztverbraucherin folgenden Situation ihrer Kunden begründet. Die Entlastung des Letztverbrauchers durch ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach § 4 Abs. 1 StromPBG könne nur einmal vorgenommen werden, sodass die Klägerin nicht beide Rollen gleichzeitig innehaben könne. Wenn allerdings die Klägerin maßgeblich aufgrund der integrierten Stromlieferungsverträge als Letztverbraucherin qualifiziert würde, könnten ihre Kunden nicht mehr Letztverbraucher sein. Als Kunden einer Zwischenhändlerin stellten sie jedoch einen großen Anteil der tatsächlichen Letztverbraucher des Stroms dar. Dem Zweck des StromPBG würde dann nicht Rechnung getragen. Darüber hinaus seien die vertraglichen Beziehungen der Zwischenhändlerin zu ihren Vorlieferanten für die Kunden nicht einsehbar, sodass sie aufgrund eines Umstands benachteiligt würden, den sie selbst gar nicht oder nur schwer erkennen können. Die Klägerin sei daher Elektrizitätsversorgungsunternehmen und damit Anspruchsberechtigte im Rahmen der §§ 20, 22a Abs. 1 StromPBG. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Beklagte Berufung eingelegt hat.

Das Urteil dürfte insbesondere Auswirkungen bei Liefersachverhalten durch (konzernverbundene) Energiegesellschaften haben (wie es z.B. bei Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, aber auch in der Industrie vorzufinden ist). Sprechen Sie uns gerne bei Fragen zu den Auswirkungen des Urteils an.  

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