Aktuelles zum Solvency II Review: EIOPA Konsultation - Umsetzung der neuen Regelungen zum Proportionalitätsprinzip

Laufende EIOPA Konsultation zur Proportionalität

Zusammenfassung / Einführung

Im Dezember 2020 legte die European Insurance and Occupational Pensions Authority (nachfolgend EIOPA) eine Stellungnahme zur Überprüfung des Solvency II-Rahmenwerks vor. Im Januar 2024 ist es nach Ende der dreijährigen Trilog Verhandlungen zwischen EU-Rat und Parlament zu einer Einigung über die Änderungen der Solvency II Richtlinie gekommen. Nach redaktioneller und sprachlicher Finalisierung wird die offizielle Veröffentlichung der überarbeiteten Rahmenrichtlinie im Herbst dieses Jahres erwartet. Eine Umsetzung in nationales Recht (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG) wird für 2026 erwartet, die vollständige Anwendbarkeit könnte sich bis in das Jahr 2027 ziehen. Parallel wird an der Entwicklung der Änderungen auf Ebene 2 bis 3 (Anpassungen der Solvency II-Delegierten Verordnung, der technischen Standards sowie Leitlinien) gearbeitet. Mit dieser Blog-Reihe werden wir die Entwicklungen begleiten und die potenziellen Änderungen übersichtlich für Sie zusammenstellen. Dazu finden Sie am Ende jedes Beitrags ein Fact Sheet mit den wichtigsten Positionen EIOPAs.

Den Prozess der Konsultationen startete EIOPA kürzlich mit der Veröffentlichung zweier Konsultationspapiere: 

In Ersterem befasst sich EIOPA mit den Standardformel-Kapitalanforderungen für Direct Exposures bei qualifizierten zentralen Gegenparteien (Qualified Central Counterparties, QCCP) - lesen Sie hier unseren Blog zur Konsultation. 

Ebenso wurde eine Konsultation zur Implementierung des Solvency II Proportionalitätsrahmens gestartet, welche der nachfolgende Beitrag näher beleuchtet. Diese steht bis zum 25. Oktober 2024 offen. Im Fokus der Konsultation steht die Einstufung von Unternehmen/Gruppen als „klein und nicht komplex“ (engl. “small and non-complex", kurz „SNC”), welchen dadurch bestimmte Proportionalitätsmaßnahmen gewährt werden, sowie die Bedingungen, die nicht-SNC-Unternehmen/Gruppen erfüllen müssen, um diese Maßnahmen ebenso eingeräumt zu bekommen

Am 23. April 2024 hat das Europäische Parlament die Änderungen an der Solvency II-Richtlinie final angenommen. Der neue Rahmen für die Verhältnismäßigkeit in der Solvency II-Richtlinie stellt einen Übergang hin zu einer robusteren und transparenteren Anwendung des Proportionalitätsprinzips in der Versicherungsbranche dar. Durch Einführung klarer Kriterien für SNC-Unternehmen (und Gruppen) zielt der Rahmen darauf ab, die Anwendung bestimmter Verhältnismäßigkeitsmaßnahmen zu verbessern und die Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten fördern. 

Die Kommission hat einen Call for Advice an EIOPA gerichtet. Bis zum 31. Januar 2025 soll EIOPA Technical Advice zu folgenden Themen abgeben:

  • Methodik der Einstufung von Unternehmen/Gruppen als „klein und nicht komplex“ (SNC), welche automatisch Zugang zu bestimmten Proportionalitätsmaßnahmen gewährt.
  • Bedingungen für die aufsichtsrechtliche Genehmigung von Maßnahmen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Unternehmen/Gruppen, die nicht zu den SNC gehören.

EIOPA geht in ihrem Konsultationspapier wie folgt auf diese Themen ein:

Methodik der SNC-Klassifizierung

EIOPA ist der Ansicht, dass das Solvency II-Rahmenwerk in Bezug auf die Methodik für die SNC-Klassifizierung klar und umfassend ist, und hält keine weiteren Spezifikationen für erforderlich. Jegliche Spezifikationen würden von der nationalen Umsetzung von Solvency II abhängen und sollten bei der nationalen Umsetzung berücksichtigt werden.

Bedingungen für Proportionalitätsmaßnahmen für Nicht-SNC-Unternehmen/-Konzerne

EIOPA stellt Empfehlungen für Bedingungen vor, welche die Aufsichtsbehörden berücksichtigen sollten, wenn sie den Zugang zu Proportionalitätsmaßnahmen, die Nicht-SNC-Unternehmen/Gruppen offenstehen, genehmigen oder entziehen. Es gibt fünf gemeinsame Grundbedingungen für alle Proportionalitätsmaßnahmen. Für jede Proportionalitätsmaßnahme gibt es darüber hinaus eine oder mehrere spezifische Bedingungen, die die Aufsichtsbehörden berücksichtigen können. In jedem Fall soll die Anwendung einer oder mehrerer Maßnahmen genehmigungspflichtig sein.

Die Grundbedingungen lauten wie folgt: 

  • Risikotragfähigkeit“ - die Aufsichtsbehörde erwartet, dass das Unternehmen den gegenwärtigen und zukünftigen Risiken standhalten kann, nicht unter intensiverer Beaufsichtigung steht oder sich in der Umsetzung aufsichtlicher Maßnahmen zur Wiederherstellung von Solvency II-Compliance befindet
  • Nicht komplexes Geschäftsmodell“ - das Unternehmen hat kein komplexes Geschäftsmodell (basierend auf Geschäftsstrategie und -plan, angebotenen Produkten, gehaltenen Anlagen) und hat sein Geschäftsmodell in den letzten drei Jahren nicht wesentlich geändert
  • Überschuss-Solvabilität“ - die Solvenzkapitalanforderung (SCR) wird um eine angemessene Höhe überdeckt (auch in der mittelfristigen Perspektive gemäß Kapitalmaangementplan)
  • Quantitative Bedingungen - versicherungstechnische Rückstellungen aus dem Lebensversicherungsgeschäft < 15 Mrd. EUR, gebuchte Bruttoprämien aus dem Nichtlebensversicherungsgeschäft < 2 Mrd. EUR, das Unternehmen repräsentiert weniger als 5 % des Heimatmarktes (die Aufsichtsbehörde kann jedoch bei „einfachen Geschäftsaktivitäten“ „nachsichtiger“ sein)
  • Governance-System“ - die Aufsichtsbehörde hat in den letzten drei Jahren keine ernsthaften Bedenken hinsichtlich des Governance-Systems festgestellt

Die möglichen konkreten Vereinfachungsmaßnahmen und die jeweils zugehörigen spezifischen Bedingungen belaufen sich auf folgende Aspekte:

Vereinfachungsmaßnahme Bedingungen
Weniger häufige Vorlage des Regular Supervisory Report (RSR) Keine Bedenken der Aufsichtsbehörde bei den letzten drei RSRs
Kombination von Schlüsselfunktionen Keine Bedenken hinsichtlich Entscheidungsverfahren und Organisationsstruktur in den letzten drei Jahren, ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten bei den Schlüsselfunktionen und Kosten für Aufrechterhaltung getrennter Funktionen unverhältnismäßig hoch
Weniger häufige Überprüfung der schriftlichen Richtlinien Alle schriftlichen Richtlinien sind vollständig und vom Vorstand genehmigt und aufeinander sowie auf Unternehmensstrategie abgestimmt
Befreiung von der makroprudenziellen Analyse (ORSA) In Delegierten Rechtsakten näher zu spezifizieren, unterliegt Voranfrage der Aufsichtsbehörde
Weniger häufige ORSA Vorlage (alle zwei Jahre statt jährlich) Informationen in letzten drei ORSAs waren dem Risikoprofil angemessen, keine Bedenken über Beeinträchtigung des Risikomanagements durch geringere Häufigkeit; Verfahren zur Überwachung von Umständen, die einen Ad-hoc-ORSA erfordern, sind etabliert und Ad-hoc ORSA kann bei Bedarf jederzeit erstellt werden
Verwendung einer vorsichtigen deterministischen Bewertung bei Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen Keine Verpflichtung zur stochastischen Bewertung (weil übermäßig aufwändig) der besten Schätzung in Bezug auf Verpflichtungen, für die eine prudent deterministic valuation (PDV) verwendet wird und sofern der Zeitwert der Optionen und Garantien der Verträge, für die PDV verwendet wird, < 5% des SCR ist
Verzicht auf Liquiditätsrisikomanagement (LRM)-Plan Weder besteht wesentliches Liquiditätsrisiko, noch wesentliche Konzentration von Gegenparteirisiken gegenüber Rückversicherern, oder Bedenken hinsichtlich Liquiditätsposition; bei Konzernen bestehen intern keine Bedenken hinsichtlich der Fungibilität und Verfügbarkeit von liquiden Mitteln
Verzicht auf obligatorische Aufschiebung eines wesentlichen Teils der variablen Vergütung Jährliche variable Vergütung < 50 Tausend Euro und macht insgesamt < 1/3 der Gesamtvergütung des Mitarbeiters aus

Die obigen Erläuterungen zur SNC-Klassifizierung und die Bedingungen für die Proportionalitätsmaßnahmen für Nicht-SNC-Unternehmen/-Konzerne stellen Empfehlungen dar. Die Konsultation von EIOPA zu ihrem Entwurf an die Kommission zur Umsetzung des Proportionalitätsrahmens endet am 25. Oktober.

Mit unseren Expert:innen unterstützen wir Sie gerne dabei, zu beurteilen, welche Proportionalitätsmaßnahmen für Sie relevant sind – Sprechen Sie uns gerne an!

PwC Plus Insights – Insurance: Solvency II Review

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Melanie Schlünder

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Director
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