Optimaler Wissenstransfer bei der Verwaltungsdigitalisierung
Communities of Practice können helfen, die OZG-Umsetzung in Verwaltungen zu beschleunigen.
Gemäß Onlinezugangsgesetz (OZG) mussten Bund, Länder und Kommunen bis Ende 2022 etwa 575 Dienstleistungen digital zugänglich machen. Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Doch die Akteur:innen im öffentlichen Sektor haben umfangreiche Grundlagen geschaffen, um Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Eines von vielen Beispielen ist der Antragsassistent „BAföG Digital“.
Komplexe Aufgaben erfordern moderne Vorgehensweisen
Für Digitalisierungsvorhaben gibt es zeitgemäße Vorgehensweisen und Methoden: Design Thinking stärkt die Nutzer:innenzentrierung und erhöht so die Akzeptanz digitaler Angebote; agile Vorgehensweisen wie Scrum haben klassische „Wasserfall“-Vorgehensmodelle abgelöst. Und mit dem Scaled Agile Framework® (SAFe) existiert ein Vorgehensmodell, mit dem sich Programme und Großprojekte umsetzen lassen – zusätzlich zum bewährten V-Modell, das die Softwareentwicklung in Phasen organisiert.
Für die Mitarbeiter:innen in Behörden und Organisationen des öffentlichen Sektors ist es nicht immer einfach, sich diese neuen Vorgehensmodelle und Methoden anzueignen und Know-how aufzubauen. Die Kommunen müssen die meisten Verwaltungsleistungen digitalisieren. Sie verfügen jedoch oft nicht über das Budget und die Zeit für Schulungen, um diese neuen Methoden und Vorgehensweisen einzusetzen. Und: Die komplexen Aufgaben der kommunalen OZG-Leistungen treffen häufig auf Prozesse und Strukturen, die sich nur langsam verändern lassen. Agile und nutzer:innenzentrierte Methoden verändern aber im Kern die Formen der Zusammenarbeit – und zwar sowohl innerhalb einer Behörde als auch in der Kommunikation mit Bürger:innen und Unternehmen. Dies bleibt bei den Digitalisierungsvorhaben oft unbeachtet, weshalb diese mitunter nicht so erfolgreich sind, wie sie sein könnten.
Agile Zusammenarbeit mit SAFe
Agile Methoden sind mittlerweile bevorzugt, um Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. In Kombination mit Design Thinking, etwa in den OZG-Digitallaboren, werden flexible Arbeitsweisen gefördert, die die Nutzer:innen zum Teil des Teams machen und mit denen Mitarbeiter:innen in den Behörden komplexe Probleme selbstständig lösen können. Viele Institutionen setzen SAFe bereits erfolgreich ein, um Organisationen hin zu mehr Agilität und Nutzer:innenorientierung zu transformieren. SAFe kann auch als ein weiteres agiles Organisationsmodell für agile Transformationen verwendet werden.
Verwaltungen steht mit „SAFe for Government“ ein Methoden-Subset zur Verfügung, das die Besonderheiten von Digitalisierungsprojekten der öffentlichen Hand berücksichtigt. Erstmalig lassen sich Großprojekte und Programme agil organisieren und durchführen.
Zentral dabei: Agile Teams sind nicht aus Expert:innen für dasselbe Thema, sondern interdisziplinär bzw. interfunktional zusammengesetzt, um eine Aufgabenstellung mit all ihren Aspekten aus verschiedenen Perspektiven anzugehen.
Auf eine Verwaltung übertragen würden in einem agilen Team etwa IT-Expert:innen, Kolleg:innen aus den Fachbereichen und Mitarbeiter:innen aus den Bürgerämtern gemeinsam mit externen Dienstleistern eine Verwaltungsleistung digitalisieren.
Fachspezifischen Austausch fördern
Auch der themen- bzw. rollenspezifische Austausch ist wichtig. Dazu sieht SAFe sogenannte Communities of Practice vor. Hier kommen nur Expert:innen für ein bestimmtes Thema oder mit einer bestimmten Funktion zusammen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Der Austausch in solchen Communities of Practice soll zu greifbaren Ergebnissen führen, die wiederum in die Arbeit der interdisziplinären Teams und der gesamten Organisation einfließen.
Wie nützlich das ist, zeigt das Projekt „Digitale Verwaltung Niedersachsen“ (DVN). Als zertifizierter SAFe Gold Partner unterstützt PwC seit 2020 das Land Niedersachsen dabei, agiles Arbeiten systematisch in der Landesverwaltung zu verankern. Es ist eines der ersten SAFe-Projekte im öffentlichen Sektor in Deutschland. Im Zuge des Projekts sind auch Communities of Practice entstanden.
Geeignete Rahmenbedingungen für Communities of Practice schaffen
Unsere Erfahrungen damit zeigen, dass es geeignete Rahmenbedingungen braucht, damit Interaktion in den Organisation entsteht, das Wissen zwischen den agilen Teams fließen kann und eine wertschätzende Zusammenarbeit zu einer zentralen Leitlinie der jeweiligen Arbeitswelt wird.
Konkret gehören dazu Wissensmanagementsysteme, die virtuelle Räume für Interaktion und Zusammenarbeit bieten und die die Communities of Practice mit ihren Ergebnissen befüllen. Bewährt haben sich Wikis, Blogs und Foren, weil diese Formate nicht nur eine Wissensressource sind, sondern auch den Austausch zwischen den Expert:innen fördern.
Zentral ist außerdem ein erleichterter Austausch zwischen den verschiedenen föderalen Ebenen. Akteur:innen aus Bund, Ländern und Kommunen müssen zusammenarbeiten können, ohne beispielsweise ständig an rechtliche Grenzen zu stoßen. Schließlich kann die Digitalisierung der Verwaltung nur dann gelingen, wenn alle Beteiligten ihr Wissen und ihre Erfahrungen miteinander teilen (können).
Ansprechpartnerin:
Dr. Irina Eckardt