EuGH geht Mittelweg bei Nutzungsentgelten

Aufgrund der aus dem Krieg in der Ukraine resultierenden Energiekrise sind die Strompreise im Jahr 2022 stark gestiegen.

Auch 2023 haben sie in Deutschland das Vorkriegsniveau – trotz der Energiepreisbremse – noch nicht wieder erreicht (Stand Mai). Beendet teurer Ladestrom den E-Mobility-Boom, bevor er richtig angefangen hat?

Bei Konflikten über Entgelte für Infrastruktur sind Kartell- und Regulierungsrecht zu beachten.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 27. Oktober 2022 zum Verhältnis von Kartell- und Regulierungsrecht Stellung genommen (Rs. C-721/20): Bei Konflikten darüber, ob Nutzungsentgelte für Infrastruktur angemessen sind, können sich Kläger vor nationalen Zivilgerichten auf europäisches und nationales Kartellrecht stützen, wenn es darum geht, zu viel gezahlte Entgelte zurückzuerhalten. Dies gilt dann, wenn die zuständige Regulierungsstelle vorher darüber entschieden hat, ob die betreffenden Entgelte rechtmäßig sind.

Zur Zusammenarbeit verpflichtet

Nationale Gerichte seien dazu verpflichtet, mit der zuständigen Regulierungsstelle loyal zusammenzuarbeiten. Sie müssten bei ihrer Würdigung deren Entscheidungen berücksichtigen und sich bei der Begründung ihrer eigenen Entscheidungen mit dem gesamten Inhalt der ihnen vorgelegten Akten auseinandersetzen. Hintergrund des Vorabentscheidungsverfahrens ist eine Klage der ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH: Sie wollte erwirken, dass die DB Station & Services AG Entgelte zurückzahlt, die die ODEG ihrer Auffassung nach zu viel gezahlt hatte, um Personenbahnhöfe zu nutzen.

Mit seinem Urteil hat sich der EuGH für einen Mittelweg entschieden: Gerichte können das Kartellrecht bei Entgeltkonflikten im regulierten Sektor weiterhin neben dem Regulierungsrecht anwenden – allerdings nicht unabhängig von einer Entscheidung, die die zuständige Regulierungsstelle zuvor getroffen hat. Bahnunternehmen können, gestützt auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, vor nationalen Zivilgerichten gegen zu hohe Entgelte vorgehen. Zuvor müssen sie aber eine Entscheidung der zuständigen Regulierungsstelle erwirken, die nationale Zivilgerichte dann im kartellrechtlichen Verfahren berücksichtigen müssen.

Altfälle sind bisher unklar

Ungeklärt bleibt die Frage der Altfälle: Für diese sei sie nicht zuständig, hatte die Bundesnetzagentur bisher erklärt. Es fehle eine Ermächtigungsgrundlage, um Entgelte zu prüfen, die vor Inkrafttreten des Eisenbahnregulierungsgesetzes im Jahr 2016 verlangt worden sind. Die Unternehmen konnten deshalb bisher nicht erreichen, dass die Regulierungsbehörde sich wie erforderlich mit den Entgelten vorbefasst. Zurzeit ist vor dem EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig, das diese Frage voraussichtlich klären wird: Das Verwaltungsgericht Köln hat dem EuGH hierin die Frage vorgelegt, ob die Bundesnetzagentur für die Überprüfung der Altfälle zuständig sei (Rs. C-582/22).

Ansprechpartner:

Dr. Melanie Schwaderer

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