„Wir müssen umdenken.“

Wie läuft die Modernisierung des öffentlichen Sektors? Eine Zwischenbilanz mit Dr. Uda Bastians, Dezernatsleiterin Recht und Verwaltung beim Deutschen Städtetag, und PwC-Senior-Advisor Volker Halsch.

PwC: Frau Dr. Bastians, die deutschen Kommunen müssen zusätzlich zur täglichen Verwaltungsarbeit ihre digitale Transformation bewältigen. Wie läuft der Wandel aktuell?

Uda Bastians: Die Städte gestalten mit ihren Verwaltungsbeschäftigten den Wandel engagiert, effizient, rechtssicher und transparent. Und die Bürger:innen nehmen das wahr: Immer mehr Verwaltungsgebäude werden zu modernen Kund:innenzentren, Wartezeiten nehmen ab und die digitalen Services nehmen zu – für Gewerbeanmeldungen, Kfz-Zulassungen, Baugenehmigungen, Melderegisterauskünfte und mehr. Kurzum: Die digitale Transformation funktioniert den Umständen entsprechend gut.

Nur „den Umständen entsprechend gut“?

Uda Bastians: Richtig. Denn die Rahmenbedingungen sind schwierig.

Was genau erschwert die Transformation?

Uda Bastians: Es fehlt an Fachkräften und modernisierungstauglicher technischer Infrastruktur. Denken wir nur mal an Dokumentenmanagementsysteme, E-Akten et cetera. Die Städte müssen zudem neue gesetzliche Vorgaben mitunter sehr schnell umsetzen – das Wohngeldgesetz zum Beispiel. Sie benötigen dringend bessere Voraussetzungen für eine tiefgehende Digitalisierung, mehr Personal und mehr Mittel für Fortbildungen, damit die Beschäftigten die Digitalisierungsstrategien vor allem schneller umsetzen können.

Herr Halsch, was heißt „Personalmangel“ konkret?

Volker Halsch: Für die PwC-Studie Fachkräftemangel im öffentlichen Sektor haben wir errechnet, dass das Personaldefizit von 450.000 fehlenden Beschäftigten im Jahr 2021 um 70 Prozent auf mehr als 765.000 im Jahr 2025 steigen wird. Im Jahr 2030 dürften im öffentlichen Sektor Deutschlands mehr als eine Million Fachkräfte fehlen, weil immer mehr Beschäftigte aus den geburtenstarken Jahrgängen in Rente gehen. Und das ist noch optimistisch gerechnet!

Kommen wir von der Quantität zur Qualität: Wie sehen Sie die?

Volker Halsch: Wie Frau Dr. Bastians: Der Weiterbildungsbedarf im öffentlichen Sektor ist enorm, nicht nur, aber auch infolge der zunehmenden Digitalisierung von Prozessen. Qualität durch Schulung ist allerdings auch in anderen Segmenten wie im Schuldienst und der Pflege ein Thema, weil dort viele Quereinsteiger:innen arbeiten. Doch glücklicherweise gibt es sie.

Wie begegnen die Städte dem Fachkräftemangel, Frau Bastians?

Uda Bastians: Die Städte tun viel dafür, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden: Sie erhöhen ihre Ausbildungskapazitäten, ermöglichen mehr flexibles und mobiles Arbeiten, feilen Teilzeitmodelle aus und brauchen ein zeitgemäßes Dienst- und Tarifrecht. Zudem geht es viel mehr als früher um Qualifizierungsund Motivationsmaßnahmen. Und wir betonen die natürlichen Stärken des öffentlichen Sektors als Arbeitgeber deutlicher – vor allem, um jüngere Menschen zu erreichen.

Welche Stärken ziehen junge Leute besonders an?

Uda Bastians: Wer beispielsweise in der städtischen Verwaltung arbeitet, engagiert sich sinnstiftend für das Gemeinwesen, hat einen sicheren, flexiblen Arbeitsplatz und ein ordentliches Gehalt – gerade nach den vergangenen Tariferhöhungen. Ich finde, wir haben jede Menge zu bieten.

Herr Halsch, Sie waren 20 Jahre in der Politik tätig und arbeiten jetzt in der Privatwirtschaft. Können der private und der öffentliche Sektor sich personalspezifisch ergänzen?

Volker Halsch: Ja. Aus meiner Sicht sollten sie das sogar tun. Ich kenne etliche im öffentlichen Sektor Beschäftigte, die gern für eine gewisse Zeit in der Privatwirtschaft arbeiten würden – und andersherum. Dafür bräuchte es allerdings vor allem im öffentlichen Sektor mehr Flexibilität – und weniger die Sorge, dass dadurch beispielsweise Verwaltungsbeschäftigte dauerhaft in der Privatwirtschaft blieben.

Ist die Sorge berechtigt, Frau Bastians?

Uda Bastians: Das glaube auch ich nicht. Wie gesagt: Der öffentliche Sektor hat als Arbeitgeber jede Menge zu bieten. Und die meisten Beschäftigten wissen das sehr zu schätzen. Mehr Austausch würde beiden Sektoren nützen.

Herr Halsch, welche Hebel sollte der öffentliche Sektor mit Blick auf den Fachkräftemangel außerdem umlegen?

Volker Halsch: Ich würde noch modernes Recruiting und agile Arbeitsumfelder betonen. Wir sollten aber auch über das Potenzial durch Zuwanderung sprechen.

Legen Sie los.

Volker Halsch: Die Politik unternimmt inzwischen einiges, um mehr qualifizierte Migrant:innen für den hiesigen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Daran muss der öffentliche Sektor partizipieren. In der Pflege funktioniert das an vielen Stellen schon sehr gut. Die Modelle dort sollten wir als Blaupause für andere Bereiche nutzen.

Uda Bastians: Wichtig ist auch, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit die Städte koordiniert unterstützen. Oberbürgermeister:innen können schließlich nicht ständig um die Welt reisen, um Fachkräfte für ihre Kommunen zu interessieren. Und wir müssen den Rechtsrahmen endlich so anpassen, dass Geflüchtete schneller für den deutschen Arbeitsmarkt verfügbar sind und ausländische Qualifikationen hierzulande schneller anerkannt werden. Das dauert immer noch viel zu lang.

Volker Halsch: Und natürlich müssen die Angebote, die wir im Ausland etwa IT-Expert:innen und potenziellen Pflegekräften machen, mit den jeweiligen Staaten abgestimmt sein. Da gibt sehr viel zu regeln und zu koordinieren.

Im Jahr 2021 hatte der Deutsche Städtetag in den Dresdner Forderungen eine deutlich verbesserte Verwaltungsdigitalisierung angeregt, die auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken sollte. Was hat das gebracht?

Uda Bastians: Die Dresdner Forderungen haben unter anderem das neue Strategiepapier des Bundesinnenministeriums beeinflusst. Vieles, das wir 2021 gefordert haben, ist heute etablierte politische Meinung. Das freut uns sehr, zumal wir damals auch etwas von der dezentralen, föderalen Verwaltungsordnung abgerückt sind. Wir müssen umdenken.

Dem bereits 2017 erlassenen Onlinezugangsgesetz zufolge mussten der Bund, die Länder und Gemeinden ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch über digitale Verwaltungsportale anbieten und miteinander verknüpfen. Daraus ist kaum etwas geworden. Was ist da los?

Volker Halsch: Dem Eindruck, das gar nichts umgesetzt worden ist, möchte ich widersprechen. Richtig ist: Unsere föderale Struktur kostet Zeit, mitunter zu viel Zeit. Umso wichtiger ist es, dass Impulse wie die Dresdner Forderungen zum Umdenken, zu mehr Effizienz und zur Skalierung mit Augenmaß anregen. Wie anders kann Deutschland das Potenzial der Digitalisierung nutzen? Das schaffen wir nur, wenn wir über staatliche Zuständigkeiten hinaus denken und handeln.

Könnte der Privatsektor bestimmte Transformationsaufgaben für den öffentlichen Sektor übernehmen?

Volker Halsch: Unbedingt, vor allem für Verwaltungsbereiche mit besonders großer Personalnot. Die Privatwirtschaft sollte solche Aufgaben jedoch nicht nur übernehmen, sondern auch verantworten – Stichwort Managed Services.

Sind Managed Services auch aus Ihrer Sicht eine Lösungsoption, Frau Bastians?

Uda Bastians: Grundsätzlich sind sie das, wobei es bei hoheitlichen Aufgaben klare Beschränkungen gibt. Doch auf die Kapazitäten und Kompetenzen der Privatwirtschaft zu verzichten, wäre verschenktes Potenzial.

Ansprechpartner:
Volker Halsch

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Prof. Dr. Rainer Bernnat

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