NATO im Wandel

„Enablement“ ist der Schlüssel zu einer glaubwürdigen Abschreckung.

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich die Bedrohungslage in Europa dramatisch gewandelt. Die NATO setzt vor diesem Hintergrund auf Abschreckung. Neue regionale Zuständigkeiten im „New Force Model“ entlang der Ostgrenze und flexible Verlegung von Streitkräften mit deutlich verschärftem Reaktionsziel (10 bis 30 Tage „Notice to Effect“) sollen dies erreichen. 

Dies erfordert jedoch angesichts der umfangreichen NATO-Außengrenze neue Rahmenbedingungen und Maßnahmen für die Aktivierung, Mobilmachung und Versorgung von Streitkräften („Enablement“) – in bisher nicht gekanntem Umfang. Deutschland kommt dabei eine zentrale Rolle als Transitstaat und logistische Drehscheibe zu. 

Auf Basis von zwölf Interviews mit Führungskräften im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und nachgeordnetem Bereich NATO sowie akademischen und militärischen Expert:innen haben wir Herausforderungen und Handlungsempfehlungen für die private und öffentliche Seite untersucht. Um Infrastruktur, Prozesse und rechtlichen Rahmen (z. B. Zoll) effektiv auf die neue Realität einzustellen, sind radikale Paradigmenwechsel notwendig. 

Es gilt,

  1. die Einsatzbereitschaft zu verbessern, indem die Effizienz der Truppen- und Materialflüsse gesteigert werden, inklusive einer „Military Schengen Area“, besserer Zusammenarbeit EU/NATO und „Vorwärtslagerung“ von Material sowie besserer Standardisierung zwischen Partnern;
  2. die Transparenz über die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, indem logistische Fähigkeiten, der (nicht mehr vollständig transparente) Zustand der Infrastruktur sowie Industrie- und zivile Kapazitäten multinational erfasst und ausgewertet werden;
  3. die Verlegefähigkeit durch spontane „Snap Exercises“ zu beüben;
  4. eine kollektive und gemeinsam gesteuerte Logistik inklusive zentralerer/multilateraler
  5. Finanzierungsmöglichkeiten aufzubauen und
  6. die zivil-militärische Zusammenarbeit zu stärken inklusive klarer Aufgabenteilungen und multilateraler Verträge angesichts enorm gestiegener Unterstützungsbedarfe.

Deutschlands Beitrag zur Sicherstellung des „Enablements“ muss dabei ebenso das Überdenken tradierter Muster umfassen. 

Dazu gehören

  1. das Überdenken eines „In-between“-Zustands zwischen Frieden und Spannungsfall/Krieg, um eine notwendige Zusammenarbeit von Bundeswehr, Behörden und Industrie vor einem formellen Spannungsfall reibungslos zu gewährleisten und
  2. die Sicherstellung verbesserter Material- und Personalausstattung der Reserve unter anderem als Beitrag zum Schutz notwendiger kritischer Infrastruktur. 

Die NATO steht vor einer Mammutaufgabe – um effektive Abschreckung zu ermöglichen und dem „New Force Model“ Glaubwürdigkeit zu verleihen, müssen solche Paradigmenwechsel jetzt vollzogen werden und als Bestandteil unserer Sicherheitsvorsorge Teil des Handelns von Politik, Militär, Behörden und Industrie werden.

Ansprechpartner:
Dr. Germar Schröder

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Prof. Dr. Rainer Bernnat

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