Carsharing endlich aus der Nische holen

Flexibel, zuverlässig, bequem: Der eigene Pkw ist – verglichen mit anderen Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus und Fahrrad – bei vielen Menschen immer noch das beliebteste Verkehrsmittel.

Umweltschonend ist die Bequemlichkeit nicht: Pkw sind in Europa für rund 60 Prozent der CO2-Emissionen des Personen- und Güterverkehrs verantwortlich. Und obwohl der einzelne Pkw heute durchschnittlich weniger Treibhausgase verursacht als früher, sind die gesamten Emissionen des Autoverkehrs seit den 1990er-Jahren gestiegen – vor allem, weil wir das Auto häufiger nutzen.

Hinzu kommt, dass der motorisierte Individualverkehr sehr viel Fläche vereinnahmt – insbesondere in dichtbesiedelten Innenstädten: So zeigt die TU Berlin mit einer Studie, dass geparkte Autos 13 Prozent der Verkehrsfläche im Bezirk Berlin-Mitte beanspruchen. Das ist mehr als doppelt so viel wie der Radverkehr und der ÖPNV zusammen.

Ein Carsharing-Auto ersetzt vier bis zehn Privatautos

Mehr Carsharing würde die Lage deutlich verbessern. Es gilt als wichtiger Teil der Verkehrswende. Der erste Carsharing-Dienst in Deutschland entstand bereits 1988 – aus gutem Grund: Pkw gemeinschaftlich zu nutzen, kann ebenfalls bequem sein – und umweltschonend sowieso.

Schließlich ersetzt ein Carsharing-Auto je nach örtlichen Verhältnissen zwischen vier und zehn Privatautos. Zudem stoßen Carsharing-Wagen im Schnitt deutlich weniger CO2 aus als Privat-Pkw, weil Carsharing-Flotten relativ neu und energieeffizient sind.

Und: Zu Anfang des Jahres 2024 waren rund 5,5 Millionen in Deutschland lebende Menschen bei Carsharing-Diensten registriert – fast ein Viertel mehr als im Vorjahr. Das klingt nach viel, doch Carsharing ist auf den gesamten Verkehr gerechnet nur ein Nischenangebot: Eine Fraunhofer-Studie zeigt, dass die Nutzer:innen 2020 damit nur 0,6 Prozent ihrer Wege zurücklegten. Selbst in den Metropolen, wo das Carsharing-Angebot am größten ist, lag der Anteil nur bei 0,9 Prozent.

Neuere Zahlen sind bisher nicht verfügbar, doch viel mehr Prozent sind es auch heute nicht. Der Digital Auto Report von Strategy& prognostiziert: Sollte sich der Carsharing-Markt nicht verändern, wird diese vergleichsweise nachhaltige Verkehrsvariante auch 2035 nur etwa zwei Prozent aller Wege abdecken.

Wie also kann Carsharing aus der Nische fahren? Ein aussichtsreicher Ansatz ist, das Angebot komfortabler und effizienter zu machen – denn bisher schreckt unter anderem die Vielzahl verschiedener und untereinander nicht verknüpfter Dienste viele potenzielle Nutzer:innen ab. Künftig könnten Apps das Carsharing mit dem ÖPNV und anderen Mobilitätsdiensten wie Taxis und Bikesharing verbinden. Nutzer:innen würden dann auf einen Blick das für sie beste Verkehrsangebot erkennen und in einer App buchen können.

Chancen auch für kommunale Verkehrsunternehmen

Geeignet für diese sogenannte Aggregatorenfunktion sind Kartendienste wie Google Maps. Aber auch den kommunalen Verkehrsunternehmen bieten sich hier Chancen, denn viele Menschen nutzen deren Apps bereits, um Wege zu planen. Brächten kommunale Verkehrsunternehmen ihre Mobilitätsdienste mit Carsharing-Anbietern zusammen, würden sie ihre Kernkompetenz stärken, Menschen zuverlässig von A nach B zu bringen – und die Carsharing-Anbieter vergrößerten ihre Reichweite. Die Nutzer:innen profitierten schließlich von einem verbesserten Angebot und würden häufiger auf ein Privatauto verzichten.

Wie die Vernetzung funktionieren kann, zeigt die App „MVGO“ der Münchner Verkehrsgesellschaft: Dort checken Nutzer:innen Verbindungen, kaufen Tickets und finden Fahrzeuge von bislang fünf Carsharing-Partnern. Noch leitet MVGO die Nutzer:innen für Carsharing-Buchungen in die App des jeweiligen Anbieters weiter – künftig soll auch dies in der MVGO-App funktionieren. Damit sich die Dienste in Zukunft leichter integrieren lassen, müssen alle Mobilitätsanbieter ihre technischen Plattformen noch stärker standardisieren und harmonisieren.

Kommunen sollten Carsharing nutzungsfreundlich regulieren

Um Carsharing endlich populärer zu machen, braucht es die Kommunen. Denn sie können das Angebot wirkmächtig steuern: etwa über Gebühren, die Carsharing-Anbieter entrichten müssen, um vor Ort aktiv sein zu dürfen. Da bisher nur wenige Anbieter profitabel sind, sollten Städte und Gemeinden sie geschäftsfördernd regulieren. Darüber hinaus können sie Carsharing auch ordnungsrechtlich stärken: Wenn sie beispielsweise Parkflächen für Sharing-Fahrzeuge reservierten, verlören Privat-Pkw zusätzlich an Attraktivität. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die dänische Hauptstadt Kopenhagen: Dort planen die Verantwortlichen, ein Drittel der städtischen Parkplätze für Carsharing (und Lieferverkehr) zu reservieren.

Kommunen haben darüber hinaus weitere Möglichkeiten, Carsharing-Angebote für mehr Nachhaltigkeit zu steuern: Denkbar wäre beispielsweise, dass sie ein Angebotsgebiet vorschreiben – Anbieter, die in attraktiven Innenstadtbereichen aktiv werden möchten, müssten dann beispielsweise auch weniger dicht besiedelte Außenbereiche abdecken. Außerdem könnten Städte und Gemeinden den Anbietern nicht nur ermöglichen, ihre Dienste mit dem ÖPNV zu integrieren, sondern sie sogar dazu verpflichten.

Ansprechpartner:
Maximilian Rohs

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Prof. Dr. Rainer Bernnat

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