FSB-Bericht zum Ausfall von Banken im Jahr 2023

Der FSB hat Anfang Oktober 2023 in einem Bericht die Fälle der Credit Suisse und der jüngsten Bankenausfälle in den Vereinigten Staaten analysiert, um Rückschlüsse mit Blick auf den Abwicklungsrahmen zu ziehen.

Kontext des Berichts

Die Finanzkrise 2008 führte letztendlich zur Schaffung der Europäischen Bankenunion, die neben dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) und dem gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) mit dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) neue verbindliche Regeln für die geordnete Abwicklung von Banken einführte, um eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch ein plötzliches Ausscheiden eines Kreditinstituts aus dem Markt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu verhindern. Auf europäischer Ebene harmonisieren die SRM-Verordnung und die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD, umgesetzt durch das SAG) die möglichen Maßnahmen, um Ausfällen bzw. wahrscheinlichen Ausfällen von Banken entgegenzuwirken.

Der Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) hat in diesem Zusammenhang in seiner koordinierenden Rolle auf internationaler Ebene bereits im Oktober 2011 sog. „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions”[1] verabschiedet. Diese von den G20 gebilligten Schlüsselattribute setzen einen Standard für einen regulatorischen Abwicklungsrahmen, der durch die im März 2023 aufgetretenen Fälle von Bankenkrisen erstmals einem größeren Test unterzogen wurde.

Der FSB hat Anfang Oktober 2023 in einem Bericht die Fälle der Credit Suisse und der jüngsten Bankenausfälle in den Vereinigten Staaten analysiert, um Rückschlüsse mit Blick auf den Abwicklungsrahmen zu ziehen. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht, die Abwicklung von (global) systemrelevanten Banken betreffend, zusammengefasst.[2]

Verkauf der Credit Suisse

Obwohl laut Schweizer Behörde FINMA die aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten erfüllt waren, wurde am Sonntag, den 19.03.2023 nach signifikanten Liquiditätsproblemen der sog. Point of Non-Viability (PONV) erreicht und die global systemrelevante Credit Suisse im bedeutendsten Bankenausfall seit 2008 von der UBS übernommen. Diese Transaktion außerhalb des Abwicklungsregimes wurde durch eine öffentliche Verlustübernahmegarantie, eine Garantie zur Absicherung von Liquiditätshilfedarlehen des Schweizer Staates und eine Abschreibung von Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) abgesichert.[3] Wäre die Fusionsvereinbarung nicht an diesem Tag zustande gekommen, wären Maßnahmen der präferierten Abwicklungsstrategie des Bail-in (über einen Single-Point-of-Entry) ergriffen worden. Dies hätte die Löschung der Instrumente des harten Kernkapitals (Aktien), der AT1-Anleihen und anderer relevanter Kapitalinstrumente zur Folge gehabt. Zudem wären alle Bail-in-Anleihen zur Rekapitalisierung in neue Aktien umgewandelt worden.[4]

Die FINMA bewertete die privatrechtliche Transaktion zum Zeitpunkt Eintretens des Point of Non-Viability (PONV) der Credit Suisse unter Berücksichtigung der volatilen Marktbedingungen nach dem nahezu zeitgleichen Ausfall mehrerer US-Banken Mitte März 2023 als beste Option zur Stabilisierung des Marktes. Daraus zieht der Report insbesondere folgende Schlüsse:

  • Eine vorab durchgeführte umfassende Analyse über die potenziellen Auswirkungen eines Bail-in auf die Finanzmärkte (im Einklang mit der in Anhang I-3 Abschnitt 5 der FSB Key Attributes beschriebenen systemischen Bewertung) ist im Rahmen der Abwicklungsplanung sinnvoll. Hierzu ist anzumerken, dass der SRB im Mai 2021 bereits einen überarbeiteten Ansatz für die PIA-Strategie in der Abwicklungsplanung veröffentlichte, um stärker zu berücksichtigen, dass der Ausfall einer Bank während einer Zeit umfassenderer finanzieller Instabilität oder eines systemweiten Ereignisses eintreten könnte.[5]
  • Die Rekapitalisierung einer in Abwicklung befindlichen Bank allein reicht nicht aus, um die Kontinuität zu gewährleisten, wenn das Vertrauen der Märkte und der Einleger verloren gegangen und der Zugang zur Liquidität erschwert ist. Es muss daher wirksame Finanzierungsmechanismen des öffentlichen Sektors zur Unterstützung der Abwicklung und Wiederherstellung des Marktvertrauens geben. Es sollte daher untersucht werden, ob, in Anbetracht von aktuell verfügbaren Backstops des öffentlichen Sektors (z.B. Zentralbanken, Einlagensicherungsfonds, Abwicklungsfonds, Finanzhilfedarlehen) die bestehenden Lösungsansätze für Ausfallszenarien angemessen sind.
  • Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Durchführung eines Bail-in (z.B. Implikationen bei in den USA ausgegebenen Wertpapieren) müssen adressiert werden.

Abwicklung von US-Banken

In den Vereinigten Staaten führten u.a. nicht realisierte Verluste aus konzentrierten Anleiheengagements sowie Liquiditäts- und Laufzeitinkongruenzen in einer Zeit erheblicher geldpolitischer Straffung zunächst zur Schieflage einiger Banken. In Verbindung mit einem hohen Anteil gebündelter, nicht gesicherter Einlagen und unter dem signifikanten Einfluss der sozialen Medien kam es teilweise zu „Bank Runs“. Zunächst bei der Silicon Valley Bank (SVB) und aufgrund von Ansteckungseffekten in weiterer Folge bei der Signature Bank und der First Republic Bank.

Die o.g. drei US-Regionalbanken wurden unter Anwendung des Instruments des Brückeninstituts und Ausnahmeregelungen bei Systemrisiken sowie der Einrichtung eines neuen, zeitlich befristeten Programms zur Finanzierung von Banken (Bank Term Funding Program (BTFP)) durch die Federal Reserve abgewickelt. Die Kosten wurden vollständig vom Bankensektor und nicht vom Steuerzahler getragen, wobei die Verluste von den Aktionären und den unbesicherten und nicht durch eine Einlagensicherung gedeckten Gläubigern absorbiert werden mussten.

Aus den Zusammenbrüchen der o.g. US-Banken zieht der FSB insbesondere folgende Schlüsse:

  • Banken, die nicht als G-SIBs eingestuft sind, können bei einem Ausfall dennoch systemrelevant oder kritisch sein bzw. werden. So könnte der Ausfall solcher Institute zu einem Kunden- und Kontrahentenverhalten führen, das sich negativ auf andere Institute auswirkt, die vom Markt als gleichrangig angesehen werden.
  • Geschäftsmodelle, die auf einer starken Abhängigkeit zu nicht-gedeckten Einlagen basieren, sind anfälliger für Krisen. Abwicklungsbehörden sollten in diesem Zusammenhang besser auf Bank Runs vorbereitet sein. Hierbei sollte insbesondere die zunehmende Geschwindigkeit (z. B. aufgrund des Zahlungsverkehrs rund um die Uhr, des mobilen Bankings und der Nutzung sozialer Medien) berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist auf die jüngsten Diskussionen rund um die Reform der Einlagensicherung hinzuweisen.[6]
  • Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Anforderungen an die Abwicklungsplanung i.Z.m, Verlustabsorptionskapazitäten ist zu prüfen.

Fazit

Der Report des FSB kommt zu dem Schluss, dass die Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit von Banken durch Abwicklungsmaßnahmen nach wie vor der effizienteste Weg ist, um das „too big to fail“-Problem zu adressieren. Dass im Falle der Credit Suisse das Bail-in-Tool bereit zum Einsatz war, wird als Bestätigung der Wirksamkeit des internationalen Abwicklungsregimes interpretiert. Die geschilderten lessons learned werden im Fokus der weiteren Arbeit des FSB stehen.

Die jüngsten Fälle hätten zudem gezeigt, dass es von Vorteil sein kann, nicht nur eine präferierte Abwicklungsstrategie vorzubereiten, sondern mehrere Abwicklungsinstrumente (allein oder in Kombination) zu operationalisieren. Dabei soll die Erweiterung der Optionalität der Abwicklungsinstrumente jedoch nicht auf Kosten der Abwicklungsfähigkeit im Rahmen der präferieren Strategie erfolgen.

Die Bankenzusammenbrüche im Frühjahr 2023 warfen auch die Frage auf, welches Ausmaß an Restrukturierungsplanung erforderlich ist, um schnell das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen zu können. Fusionen, die zu einer fortgesetzten Konsolidierung im Bankensektor führen, könnten in diesem Zusammenhang das "too big to fail"-Problem noch verschärfen. Restrukturierungsplanung wird daher ein weiterer Schwerpunkt des FSB sein.

Darüber hinaus sollten die Behörden weiterhin der Erprobung und Simulation einer effektiven Entscheidungsfindung und -durchführung auf nationaler und internationaler Ebene priorisieren und ihre Kommunikations- und Koordinationsbemühungen ausweiten.

Wir unterstützen Banken unterschiedlicher Größe und Komplexität bei der Konzipierung, Qualitätssicherung und Umsetzung der Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit auf europäischer und nationaler Ebene.

Haben Sie weitere Fragen oder sehen Sie Diskussionsbedarf? Sprechen Sie uns gerne an.


[1] FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, Oktober 2014.

[2] Vgl. zudem BCBS, Report on the 2023 banking turmoil, Oktober 2023.

[3] Vgl. dazu auch Statement des SRB zur Einhaltung der Haftungskaskade, abrufbar unter https://www.srb.europa.eu/en/content/eu-regulators-distance-themselves-credit-suisse-bond-writedowns, 22.10.2023.

[4] Im Fall der Credit Suisse wurden Bail-​in Bonds vom Typ AT1 im Wert von rund 16 Mrd. Fr. vollständig abgeschrieben. Über 50 Mrd. Fr. weitere ausgewiesene Verlustpuffer, bestehend aus Bail-​in Bonds, wurden jedoch nicht zur Rekapitalisierung eingesetzt. Um diese zu aktivieren, hätte die FINMA ein Zwangssanierungsverfahren einleiten müssen; vgl. ETH Zürich KOF Bulletin, abrufbar unter https://kof.ethz.ch/news-und-veranstaltungen/kof-bulletin/kof-bulletin/2023/05/bankenregulierung-die-vielen-tuecken-der-bail-in-bonds.html, 22.10.2023.

[5] Vgl. SRB Jahresbericht 2021, S. 33.

[6] Siehe dazu das aktuelle Paket an Legislativvorschlägen der EU-Kommission zur Überarbeitung des Rahmens für das Krisenmanagement im Bankensektor und der Einlagensicherung (Crisis Management and Deposit Insurance Framework - CMDI)

 


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