Aktualisierung des SRB Leitfadens zum Solvent Wind-Down von Handelsbüchern
Der vom Single Resolution Board (SRB) im Juli 2025 veröffentlichte Leitfaden zum Solvent Wind-Down (SWD) von Handelsbüchern ersetzt die Version aus dem Jahr 2021 und zielt darauf ab, die Abwicklungsfähigkeit der Institute weiter zu verbessern.
Die überarbeitete Fassung schafft insbesondere mehr Raum für Proportionalität und Flexibilität in der Anwendung.
Der Leitfaden richtet sich an alle vom SRB beaufsichtigten Institute mit wesentlichen Handelsaktivitäten. Dazu zählen sowohl global systemrelevante Institute (G-SIIs) als auch Institute, die auf Basis einer Bewertung durch die Internal Resolution Teams (IRTs) identifiziert wurden.
Der SWD ist im Rahmen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung nicht als eigenständige Strategie zu verstehen, sondern als unterstützendes Element der jeweils festgelegten Abwicklungsstrategie.
Im Fall eines Open-Bank Bail-ins trägt der SWD dazu bei, den Restrukturierungsplan des Instituts zu unterstützen und das Vertrauen in das Geschäftsmodell nach der Abwicklung wiederherzustellen.
Im Rahmen einer Transferstrategie kann ein SWD-Plan die Separierbarkeit der Bank deutlich verbessern und dadurch die Anwendung von Transferinstrumenten in der Abwicklung erleichtern.
Die Anforderungen des SRBs hinsichtlich des SWD lassen sich in drei, aufeinander aufbauende Schritte unterteilen, welche:
- Überblick der Handelsaktivitäten: Ein granulares Verständnis der eigenen Handelsaktivitäten
- Der SWD-Plan: Ein detaillierter, datengestützter und strategischer Plan für einen geordneten Ausstieg
- Das SWD-Playbook: Ein operatives Handbuch für eine effektive Umsetzung im Krisenfall.
Jeder dieser Schritte stellt spezifische Anforderungen an die Organisation, die Prozesse und die technische Infrastruktur der Institute. Im Folgenden werden die oben genannten Schritte näher beleuchtet.
Überblick der Handelsaktivitäten
Grundsätzlich wird von den Instituten erwartet, ihre Handelsaktivitäten zu segmentieren und auf einer möglichst tiefen, granularen Ebene – idealerweise auf Desk-Ebene – zu analysieren. Auf Basis dieser Segmentierung sollen sogenannte „Identity Cards“ erstellt werden, die die wesentlichen Merkmale jedes Segments erfassen, wie etwa Produkttyp, Laufzeit, Währung oder andere relevante Eigenschaften.
Darüber hinaus sind sämtliche kritischen Abhängigkeiten systematisch zu identifizieren und zu bewerten – sowohl interne (z. B. Abhängigkeiten von der Finanzierungsabteilung, IT-Services oder HR) als auch externe (z. B. Zugang zu Finanzmarktinfrastrukturen (FMIs), zentralen Gegenparteien (CCPs), Schlüsselkunden oder externen Datenanbietern).
Diese Analyse muss konsistent mit bestehenden Arbeiten zur operativen Kontinuität im Abwicklungsfall (Operational Continuity in Resolution – OCIR) sein, dabei jedoch gezielt auf den Kontext des Handelsgeschäfts zugeschnitten werden.
Da die Komplexität der Handelsaktivitäten einen entscheidenden Einfluss auf die Machbarkeit eines Solvent Wind-Downs hat, wird von den Instituten erwartet, dass sie eine Komplexitätsbewertung der einzelnen Segmente durchführen. Diese soll sich an bestehenden Standards wie der EBA-Produktkomplexitätstaxonomie oder den Klassifizierungen gemäß IFRS 13 orientieren.
Zudem müssen die Institute in der Lage sein, umfassende, maschinenlesbare Risikodaten – etwa RWA, Value at Risk (VaR), Expected Shortfall (ES) – stichtagsbezogen auf Desk- bzw. Segment-Ebene bereitzustellen. Hierbei sollen bestehende Systeme genutzt und mögliche Synergien mit dem SRB-Bewertungsdatenset gezielt ausgeschöpft werden.
Der SWD-Plan
Der SWD-Plan stellt ein zentrales Element des Leitfadens dar und beschreibt einen detaillierten, datengestützten strategischen Plan für die geordnete Abwicklung des Handelsgeschäfts über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten.
Der SRB definiert hierfür ein Set an Ausgangsannahmen, an denen sich die Institute bei der Erstellung des SWD-Plans verpflichtend orientieren müssen. Dazu gehört insbesondere ein Basisszenario, das einen idiosynkratischen Ausfall unter normalen Marktbedingungen abbildet. Dieses Szenario sieht eine sogenannte „passive Abwicklungsphase“ von drei bis sechs Monaten vor, in der die Bank keine aktiven Handelspositionen abbauen kann und den OTC-Handel einstellen muss.
Der Leitfaden enthält zudem eine Taxonomie möglicher Ausstiegsstrategien – darunter beispielsweise Close-out, vertraglicher Auslauf, Novation oder Portfoliokompression. Ein besonderer Fokus liegt auf der Analyse des sogenannten Rumpfportfolios – also jener Positionen, die nach Durchführung des Wind-Downs verbleiben. Für diese Restpositionen muss der SWD-Plan eine klare, langfristige Managementstrategie vorsehen, da sie eine anhaltende Belastung für Kapital und Liquidität der abgewickelten bzw. fortbestehenden Bank darstellen können.
Für die Bewertung der SWD-Kosten stellt der SRB klar, dass der beizulegende Zeitwert (Fair Value) im Rahmen eines Solvent Wind-Down kein geeignetes Maß zur Ermittlung der tatsächlichen Abwicklungskosten darstellt. Stattdessen wird ein dreistufiger Bewertungsansatz empfohlen, der im SWD-Plan von den Instituten berücksichtigt werden soll. Dieser Ansatz unterscheidet drei zentrale Kostenkategorien:
- Ausstiegskosten
Kosten, die über den Fair Value hinausgehen und beim Abbau von Positionen entstehen. Dabei wird ausdrücklich die Berechnung von aufsichtsrechtlichen Bewertungsanpassungen (Additional Value Adjustments, AVAs) gefordert. - Betriebskosten
Alle direkten und indirekten Kosten, die im Rahmen des Abwicklungsbetriebs anfallen, z. B. Abfindungen für Mitarbeitende, IT-Kosten oder Rechtsberatung. - Risikobasierte Kosten
Kosten für Absicherungsmaßnahmen sowie potenzielle Verluste durch nicht absicherbare Marktbewegungen, analog zu den AVAs für Modellrisiken und Marktpreisunsicherheiten.
Da ein SWD erhebliche Auswirkungen auf die Kapital- und Liquiditätsausstattung eines Instituts haben kann, verlangt der SRB eine entsprechende Projektion dieser Effekte über einen Zeitraum von 24 Monaten, unterteilt in vierteljährliche Meilensteine. Dabei sind insbesondere folgende Kernkennzahlen zu betrachten:
Risikogewichtete Aktiva (RWA) nach Risikoarten, Leverage Ratio Exposure (LRE), Liquidity Coverage Ratio (LCR) und Net Stable Funding Ratio (NSFR).
Grundsätzlich wird erwartet, dass der SWD-Plan im normalen Geschäftsbetrieb (Business as Usual) mindestens einmal jährlich aktualisiert wird. Im Falle wesentlicher Änderungen der Handelsaktivitäten geht der SRB davon aus, dass eine Aktualisierung des Plans innerhalb von zwei Monaten zu erfolgen hat.
Das SWD-Playbook
Ergänzend zum SWD-Plan soll ein SWD-Playbook entwickelt werden, welches die operative Umsetzung des SWD-Plans konkret beschreibt.
Das Playbook hat den Zweck, den Governance-Rahmen für Planung, Aktivierung und Durchführung des SWD-Prozesses detailliert darzustellen. Dazu gehören insbesondere:
- die relevanten Gremien und Stakeholder mit Entscheidungsbefugnis,
- klare Eskalationswege und
- transparente Berichts- und Kommunikationslinien.
Darüber hinaus sollen im Playbook die Schlüsselrollen und -funktionen identifiziert werden, die für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich sind. Ergänzend ist ein detaillierter Kommunikationsplan zu erstellen, der sich an alle relevanten Zielgruppen richtet – darunter Mitarbeitende, Aufsichtsbehörden, Finanzmarktinfrastrukturen (FMIs), Gegenparteien und Medien.
Das Playbook soll zudem vollständig in die Sanierungs- und Abwicklungsplanung integriert werden und entsprechende Querverweise zu bestehenden Dokumenten enthalten.
Anforderungen zur Aktualisierbarkeit des SWD-Plans im Krisenfall
Um die operative Umsetzbarkeit im Abwicklungsfall sicherzustellen, müssen Institute nachweisen, dass sie in der Lage sind, zentrale Komponenten des SWD-Plans kurzfristig zu aktualisieren. Der SRB definiert hierfür zwei konkrete Anforderungen:
- Quick Refresh
Innerhalb von maximal fünf Arbeitstagen nach Eintritt eines Abwicklungsereignisses müssen alle quantitativen Daten und Simulationen (Kosten, Kapital, Liquidität) aktualisiert werden, um die aktuelle Bilanzlage und Marktsituation korrekt abzubilden. - Full Refresh
Innerhalb von zwei Monaten muss ein vollständiger, abgestimmter und aktueller SWD-Plan mit einheitlichem Stichtag der Abwicklungsbehörde zur Verfügung gestellt werden.
Fazit / Unterstützungsangebot
Mit der Aktualisierung seines Leitfadens zum Solvent Wind-Down (SWD) von Handelsbüchern hat der SRB ein umfassendes Rahmenwerk zur Erstellung von SWD-Plänen geschaffen. Es wird erwartet, dass diese eng und konsistent in die bestehende Abwicklungsplanung integriert werden.
Für die Institute bedeutet dies, ihre Handelsaktivitäten auf granularer Ebene zu analysieren und im Lichte eines möglichen Solvent Wind-Downs neu zu bewerten – sowohl strategisch als auch operativ.
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