PwC Studie: Natur ist unser Kapital – Biodiversität: Ein unterschätztes Thema in der Immobilienwirtschaft
Unternehmen der Immobilienwirtschaft haben die mit dem Verlust der Biodiversität verbundenen Risiken bislang kaum in ihre Prozesse integriert und sehen die Implementierung von Maßnahmen zur Steigerung von Biodiversität als eine große Herausforderung.
Um neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßen und Parkplätze zu schaffen, werden in Deutschland täglich etwa 30 Hektar Boden mit Asphalt, Beton oder Pflastersteinen bebaut. Das entspricht circa 40 Fußballfeldern. Die Urbanisierung ist in vollem Gange und bedeutet einerseits Fortschritt, aber auch gleichzeitig die Zerstörung von Lebensräumen und Biodiversitätsverlust im urbanen Raum. Die Bau- und Immobilienbranche zählt zu einem der größten Hauptverursacher des Artensterbens und der Zerstörung natürlicher Ökosysteme. Doch welche Faktoren spielen beim durch die Immobilienbranche verursachten Biodiversitätsverlust eine Rolle? Welchen Herausforderungen steht die Bau- und Immobilienbranche aktuell und in den kommenden Jahren gegenüber? Und wie kann die Immobilienwirtschaft einen positiven Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten?
Im Rahmen einer PwC-Studie zum Thema Biodiversität und Immobilienwirtschaft wurden die Zusammenhänge und Wechselwirkungen genauer analysiert, sowie mögliche Chancen/ Risiken und Maßnahmen für die Immobilienwirtschaft und den Werterhalt gesunder Ökosysteme aufgezeigt.
Immobilienwirtschaft als Hauptreiber des Biodiversitätsverlusts
Biodiversität hat eine enorme Bedeutung für die Wirtschaft. Eine Untersuchung des World Economic Forums von 2020 kam zu dem Ergebnis, dass 50% aller Wirtschaftsleistungen eine moderate bis hohe Abhängigkeit von der Biodiversität aufweisen - darunter auch der Immobiliensektor. Der monetäre Wert des wirtschaftlichen Nutzens der Biodiversität wird mit ungefähr 170 bis 190 Billionen US-Dollar pro Jahr mind. doppelt so groß wie das weltweite BIP geschätzt (Vgl. Studie von NABU und BCG (2020)) . Auf der Kostenseite hingegen kann nach Schätzungen der Weltbank der Biodiversitätsverlust die globale Wirtschaft bis 2030 jährlich 2,7 Billionen US-Dollar kosten (Vgl. Studie PwC & WWF (2023). Doch nicht nur wirtschaftliche Kosten werden entstehen, sondern auch gesellschaftliche Folgeschäden wie zum Beispiel Hitzetote durch die Überhitzung von Städten, Atemwegserkrankungen durch fehlende pflanzliche Luftfilter oder Zerstörung von Gebäuden und Infrastruktur durch unkontrollierbare Überschwemmungen werden die Folge sein. Daher ist es essentiell, Ressourcen und Flächen sinnvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen, um den Verlust von natürlichen Lebensräumen zu minimieren und Grünflächen zu erhalten und wiederherzustellen. Dabei spielt der Immobiliensektor eine Schlüsselrolle. Ohne diesen ist eine Umkehr des Biodiversitätsverlusts nicht erreichbar.
Der Immobiliensektor trägt auf verschiedenen Ebenen zum Biodiversitätsverlust bei und gilt als einer der wichtigsten Treiber dessen. Ein Grund hierfür ist die wachsende Population und der damit einhergehende erhöhte Bedarf an Wohnraum. Im Rahmen des Urbanisierungsprozesses werden Naturflächen zerstört und natürliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht gebracht.
Wesentliche Faktoren des durch die Immobilienwirtschaft verursachten Biodiversitätsverlusts
Doch welche Faktoren spielen beim vom Immobiliensektor verursachten Biodiversitätsverlust eine Rolle? Wesentliche Faktoren hierfür sind u.a. die erhebliche Ressourcennutzung zur Materialherstellung der Bau- und Immobilienwirtschaft, sowie die Versiegelung von Flächen, welche die Verfügbarkeit von durchlässigen Böden reduziert und die Lebensräume für bodenlebende Organismen zerstört. Hinzu kommt, dass beim Bau von Gebäuden Bau- und Abbruchabfälle entstehen. 2020 machten diese 55,4% des gesamten deutschen Abfallaufkommens aus. Diese können giftig sein und den Boden und das Wasser verschmutzen - falls nicht richtig entsorgt. Somit trägt der Bau- und Immobiliensektor auch einen wesentlichen Anteil zur Umweltverschmutzung bei. Die Biodiversitätskrise steht im engen Zusammenhang mit der Klimakrise. Der Immobiliensektor trägt mit ca. 30 % der weltweiten CO2-Emissionen maßgeblich zur Beschleunigung des Klimawandels bei. Der Transport, die Herstellung und die Verarbeitung von Baumaterialien sowie der Gebäudebetrieb steht mit hohen Treibhausgasemissionen im Zusammenhang.
Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft
Um sich den zahlreichen Herausforderungen der nächsten Jahre zu stellen, sieht sich die Immobilienwirtschaft einer tiefgehenden Transformation gegenübergestellt. Bislang werden von Akteuren der Immobilienwirtschaft jedoch nur wenige Maßnahmen ergriffen, um dem Biodiversitätsverlust und den damit einhergehenden gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen entgegenzuwirken. Die PwC-Studie zeigt, dass dies unter anderem daran liegt, dass das Wertsteigerungspotenzial biodiversitätsfördernder Maßnahmen nicht hinreichend messbar ist und keine definierten Key Performance Indicator (KPIs) zur Maßnahmenkontrolle vorliegen. Ebenso sind Besonderheiten des jeweiligen Gebäudes und Standortes zu berücksichtigen. Sinkende Grundwasserspiegel, langanhaltende Dürreperioden, gefolgt von starken Niederschlägen fordern das städtische Wassermanagement heraus und können zu Schäden an Gebäuden führen. Biodiversitätsfördernde
Maßnahmen können diesen Negativeffekten entgegenwirken. So können Siedlungsräume beispielsweise durch strukturreiche Grüngestaltungen widerstandsfähiger gemacht werden.
Bisher werden Akteure aus der Immobilienwirtschaft bei der Implementierung von Biodiversitätsschutz kaum unterstützt - zum einen aufgrund fehlender Dienstleister und Beratungsangebote und zum anderen aufgrund fehlender Expertise in diesem Bereich.
Eine weitere Problematik ergibt sich aus den noch fehlenden rechtlichen Regulierungen. Bestehende Regulierungen sind bisher kaum harmonisiert, wenig praxisnah und lassen viel Spielraum für Auslegungen. Es fehlen verbindliche Vorgaben zum Erhalt von Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt. Beispielsweise legen die EU-Biodiversitätsstrategie und das Global Biodiversity Framework (GBF) klare Vorgaben zur Begrenzung des Flächenverbrauchs vor. Diese werden in Deutschland jedoch nicht erreicht, sollten die bestehenden Vorschriften nicht nachgeschärft und zusätzliche Vorhaben umgesetzt werden. Durch die steigenden Anforderungen der Berichterstattung mit der CSRD und der Taxonomieverordnung wird es zukünftig eine einheitlichere und strengere Umsetzung rechtlicher Vorgaben in diesem Bereich geben.
Risiken durch Biodiversitäts- und Ökosystemverlust
Mit steigendem Verlust der Biodiversität muss sich die Immobilienwirtschaft zeitnah mit den verschiedenen Risiken und Chancen auseinandersetzen. Auf der Risikoseite sind Akteure aus der Immobilienbranche mit transitorischen, physischen und systemischen Risiken konfrontiert.
1. Transitorische Risiken:
Diese werden durch Veränderungen in rechtlichen Rahmenbedingungen (Beschränkungen, Quoten und Schwellenwerte) auf europäischer und nationaler Ebene verursacht. Dabei kann es durch politische Maßnahmen standortabhängig zu geringerer Nachfrage, Produktivität und Ertrag kommen (Objektrisiken). Langfristige Preissteigerungen infolge der Veränderung der Biodiversität und Veränderungen der Nachfrage (Marktrisiko), sowie Reputationsverlust durch das Nicht-Managen von Biodiversitätsrisiken (Operationelles Risiko) können die Folge sein.
2. Physische Risiken:
Diese können vor allem durch die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkniederschlag und Hitze verursacht werden. Direkte Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz, sowie auch finanzielle Auswirkungen auf Einzelimmobilien (Objektrisiken) und die (finanzielle) Unternehmensstabilität (Markt- und Operationelles Risiko) der gesamten Branche sind die Auswirkungen.
3. Systemische Risiken:
Unter systemischen Risiken werden die Risiken verstanden, die sich aus dem Biodiversitätsverlust bzw. dem Ökosystemkollaps kompletter Regionen ergeben und das Funktionieren bisheriger Wirtschaftsabläufe beeinträchtigen, was zu Risiken in der Lieferkette führen kann. Darunter fallen bspw. geringere Immobilienqualität (Objektrisiken), marktbedrohende Auswirkungen des Biodiversitätsverlusts in einer ganzen Region (Marktrisiko) und Reputationsverluste (Operationelle Risiken).
Chancen und Handlungsoptionen für die Immobilienwirtschaft
Damit die Immobilienwirtschaft weiterhin wettbewerbsfähig bleibt und es zu einer Umkehr des Biodiversitätsverlusts kommen kann, ist es notwendig, Biodiversität als zu berücksichtigenden Faktor im Rahmen der Urbanisierung zu integrieren und die sich daraus ergebenden Chancen je nach Ambitionslevel zu nutzen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist es, Biotope zu vernetzen. Dies ist vor allem für größere Liegenschaften mit oftmals ungenutzten Arealen sinnvoll. Durch eine entsprechende Gestaltung und Nutzung dieser, sowie unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten kann dies zu einer verbesserten Biodiversität beitragen. Schon heute ist ein klarer Trend erkennbar, dass biodiversitätsfördernde Maßnahmen eine Immobilie aufwerten und ein Wertsteigerungspotenzial beinhalten, wie zum Beispiel eine höhere Nachfrage nach nachhaltigen Büroflächen mit Grünflächen und-anlagen beweist.
Für die Zukunft gilt es vor allem auch den Bestand an natürlichen Ressourcen aufrechtzuerhalten und zu verbessern, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Hierzu müssen die Akteure der Immobilienwirtschaft jedoch jetzt Handeln und nach nachhaltigen Lösungen zur Transformation der Immobilienwirtschaft suchen. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die regulatorischen Anforderungen an den Sektor steigen und damit den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Bau- und Immobilienbranche fördern werden.
Weiterführende Links:
- Studie PwC und WWF (2023): Von Net Zero zu Nature Positive - warum sich der deutsche Finanzsektor mit Biodiversität beschäftigen sollte
- Studie NABU und BCG (2020): Wirtschaften im Einklang mit der Natur - Handlungswege zur Sicherung der Biodiversität
- Net Zero Transformation
- Net Zero Economy Index 2023
- PwCs Nachhaltigkeitsberatung
- Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche
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