Die finalen Empfehlungen der Task Force on Nature-Related Disclosures (TNFD) zum Umgang mit naturbezogenen Risiken und Chancen

Störungen von Lieferketten, Bedrohungen für kritische Rohstoffe und erhöhtes Kreditrisiko – dies sind wesentliche negative Auswirkungen und Risiken eines stetig schwindenden Naturkapitals.

Das Weltwirtschaftsforum hat in seinem diesjährigen Global Risk Report den Biodiversitätsverlust und den Zusammenbruch von Ökosystemen im nächsten Jahrzehnt als eine der fünf größten Risiken aufgeführt.

Trotz der hohen Risiken, welche mit stetig schwindendem Naturkapital verbunden sind, stehen die meisten Unternehmen und Finanzinstitute im Umgang mit Biodiversitätsrisiken jedoch erst am Anfang. Sie verstehen ihre naturbezogenen Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken – aber auch Chancen – noch nicht ausreichend und berücksichtigen den Naturschutz bislang nur unzureichend in ihren Strategien und Kapitalallokationsentscheidungen. Die Task Force on Nature-Related Disclosures (TNFD) hat daher eine Reihe von Offenlegungsempfehlungen und Leitlinien für die Wirtschaft und das Finanzwesen entwickelt, die es Unternehmen ermöglichen sollen, die Natur in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und eine Verlagerung der globalen Finanzströme weg von naturschädlichen und hin zu naturfördernden Ergebnissen zu unterstützen. Doch wie können die TNFD-Empfehlungen Finanzinstitute und Unternehmen konkret unterstützen?

Wachsende Aufmerksamkeit für naturbedingte Risiken

Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden betrachten den Verlust biologischer Vielfalt mittlerweile als systemisches Risiko und betonen die Notwendigkeit, wirtschaftliche und finanzielle Risiken im Zusammenhang mit dem Naturverlust zu bewerten und zu managen. Das Network for Greening the Financial System (NGFS) der Zentralbanken hat in einer aktuellen Publikation ein Rahmenwerk für naturbezogene Finanzrisiken vorgelegt und auch die OECD hat ein Rahmenwerk zum Risikomanagement erarbeitet. Die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA hat bereits betont, dass sie Naturrisiken im Vergleich zu Klimarisiken als noch größere Risiken betrachtet.

Auch auf internationaler Ebene werden die Bemühungen intensiviert, dem Verlust an Biodiversität und intakten Ökosystemen entgegenzuwirken. Im Dezember 2022 haben nahezu 200 Regierungen ehrgeizige Ziele im Rahmen des Kunming-Montreal Global Biodiversity Frameworks (GBF) zur Eindämmung und Umkehr des Naturverlusts bis 2030 festgelegt. Ziel 15 des GBF fordert Unternehmen auf, ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Biodiversität zu überwachen, zu bewerten und transparent offenzulegen.

Was können Unternehmen von der TNFD erwarten?

Nach zweijähriger Arbeit und zahlreichen Konsultationsrunden hat die Marktinitiative TNFD mit ihren Mitgliedern aus Finanzinstituten, Industrieunternehmen, Regierungen, Aufsichtsbehörden sowie Thinktanks nun ihr finales Rahmenwerk mit Empfehlungen für das Management und die Offenlegung von naturbezogenen Risiken veröffentlicht.

Die Empfehlungen der TNFD bieten Unternehmen jeglicher Größe eine Risikomanagement- und Offenlegungsstruktur für naturbezogene Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen. Die Empfehlungen sind wissenschaftsbasiert und auf umfangreichen Marktkonsultationen und Praxistests aufgebaut. Sie orientieren sich an den bewährten Standards der Taskforce on Climate-Related Disclosures (TCFD) und der Global Reporting Initiative (GRI) und sind mit den Standards des International Sustainability Standards Board (ISSB) und den globalen politischen Zielen und Vorgaben des GBF kompatibel.

Die vier Säulen der Offenlegungen

Die empfohlenen Offenlegungen für alle Sektoren basieren auf den folgenden vier Säulen:

  • Governance: Offenlegung der Governance der Organisation in Bezug auf naturbedingte Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen
  • Strategie: Offenlegung von Auswirkungen naturbedingter Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen auf das Geschäftsmodell, die Strategie und die Finanzplanung der Organisation (sofern die Informationen wesentlich sind)
  • Risiko- und Impactmanagement: Offenlegung des Prozesses, mit dem die Organisation naturbedingte Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen identifiziert, bewertet, priorisiert und überwacht
  • Kennzahlen und Ziele: Offenlegung der Kennzahlen und Ziele, die zur Bewertung und Steuerung wesentlicher naturbedingter Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen verwendet werden

Begleitende Leitlinien für den Einstieg

Um sicherzustellen, dass die offengelegten Informationen für die Nutzer:innen einheitlich, vergleichbar und relevant sind, hat die TNFD zusätzliche Leitlinien veröffentlicht, die folgende Themengebiete abdecken:

  • Wie man mit TNFD beginnen kann - mit praktischen Schritten, Überlegungen und Erkenntnissen aus Case Studies
  • Die Identifizierung und Bewertung von naturbezogenen Themen, der auf bestehenden marktführenden Rahmenbedingungen, Tools und Datensätzen aufbaut und diese integriert (LEAP-Ansatz)
  • Bestimmte Sektoren und Ökosystemarten (Biome)
  • Szenarioanalysen
  • Die Einbindung von indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften und betroffenen Interessengruppen

Praxisnahe Empfehlungen

Die TNFD-Empfehlungen umfassen einen klaren Rahmen, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und globalen politischen Zielen basiert. Ein wichtiger Bestandteil der TNFD-Empfehlungen ist der LEAP-Ansatz (Locate, Evaluate, Assess, Prepare), der Unternehmen praktische Handlungsanleitungen gibt, um ihre naturbezogenen Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chance zu identifizieren und zu bewerten:

  • Locate: Die Wechselwirkung mit der Natur lokalisieren
  • Evaluate: Entsprechende Abhängigkeiten und Auswirkungen bewerten
  • Assess: Entsprechende Risiken und Chancen bewerten
  • Prepare: Sich auf das Management entsprechender Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen vorbereiten und öffentlich Bericht erstatten

Die TNFD-Empfehlungen sind praxisnah und darauf ausgerichtet, Naturrisiken in die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu integrieren. Auch Wechselwirkungen mit der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit werden berücksichtigt, indem Unternehmen aufgefordert werden, sich mit den lokalen Stakeholdern, bspw. indigenen Völkern, auseinanderzusetzen.

Ein Kritikpunkt seitens Expert:innen ist die mangelnde Standardisierung der Kernindikatoren. Im Gegensatz zur TCFD macht die TNFD hier keine standardisierten Vorgaben.

Herausforderungen beim Management von Naturrisiken

Eine der größten Herausforderungen bei der Berücksichtigung von Naturrisiken liegt darin, dass Ökosysteme ortsgebunden und vielfältig sind. Unternehmen müssen auch standortspezifische Informationen zur Nahe zu biodiversitätsvulnerablen Gebieten (Biodiversity Hotspots) bereitstellen, die oftmals noch nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus stehen Wertschöpfungsketten im Vordergrund, da die größten naturbezogenen Auswirkungen oft in den vorgelagerten Lieferketten auftreten.

Im Fall von Finanzinstituten hängt die Offenlegung von Naturrisiken stark von der Berichterstattung der einzelnen Portfoliounternehmen ab. Dies kann eine Herausforderung darstellen, da die Qualität und Vollständigkeit der Berichte variieren können.

Welche Chancen birgt die TNFD?

Die TNFD-Empfehlungen setzen ein Zeichen, indem sie Naturrisiken den gleichen Stellenwert wie Klima-, aber auch Finanz- und Betriebsrisiken geben. Dies hilft dabei, Naturverlust nicht mehr als isoliertes Umweltproblem zu betrachten, sondern als integrierten Bestandteil des Risikomanagements.

Die Empfehlungen der TNFD unterstützen die Ziele des Globalen Rahmenabkommens zur Biodiversität (GBF) und tragen zur Realisierung und Umsetzung dieser Ziele bei. Dies stärkt die globale Anstrengung zum Biodiversitätserhalt.

Auch wurden die TNFD-Empfehlungen von europäischen regulatorischen Rahmenwerken anerkannt. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) nennt die TNFD ausdrücklich als Rahmenwerk und rät dazu, dem LEAP-Ansatz zu folgen. Dies fördert die Verbreitung und Umsetzung der TNFD-Empfehlungen.

Die TNFD-Empfehlungen bieten außerdem eine solide Grundlage für die Entwicklung internationaler Biodiversitätsstandards, die wichtig sind, um entsprechende Risiken für das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem zu bewältigen, wie bspw. Professor Sir Partha Dasgupta der Cambridge Universität betont.

Fazit

Insgesamt bieten die Empfehlungen der TNFD eine wegweisende Perspektive auf die Integration von Naturrisiken in das Risikomanagement und die Berichterstattung von Unternehmen und Finanzinstituten. Auch wenn noch Herausforderungen bestehen, ist es entscheidend für die Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit unseres globalen Wirtschafts- und Finanzsystems, dass Unternehmen und Finanzinstitute Naturverlust als systemisches Risiko anerkennen und den Naturschutz in ihre Geschäftsstrategie integrieren. Indem wir Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen als wesentliche Faktoren anerkennen, können wir nicht nur entsprechende Risiken mindern, sondern auch die Chancen nutzen, die eine nachhaltige Wirtschaft bietet.

Weiterführende Links:

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