Vergleichbarkeit in der EU-Taxonomie-Berichterstattung: Eine Analyse der Versicherungsbranche (Underwriting)

Kann das erste Berichtsjahr zur Taxonomiekonformität die angestrebte Vergleichbarkeit für das Underwritinggeschäft in Bezug auf Nachhaltigkeit herstellen?

Versicherer müssen ab dem Geschäftsjahr 2023 Angaben zur Taxonomiekonformität ihrer Underwriting-Tätigkeit machen – im Hinblick auf das Klimaziel Anpassung an den Klimawandel. Die Veröffentlichungen zum ersten Berichtsjahr lassen allerdings nur bedingt einen Vergleich zu, da sich die Methodik in Bezug auf verschiedene KPIs zwischen den Versicherern stark unterscheidet. Vor allem der Gesetzgeber ist gefragt, um regulatorischen Spielraum zu verringern und die Bedeutung der Kennzahl zu verbessern. 

Hintergrund

Für das Geschäftsjahr 2023 waren viele Versicherungsunternehmen erstmalig dazu verpflichtet, Angaben zur EU-Taxonomie-Konformität in Bezug auf ihre Underwriting-Tätigkeit zu veröffentlichen. Das Ziel der EU-Taxonomie insgesamt ist es, ein gemeinsames Klassifizierungssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten zu schaffen. Dadurch soll eine klare Definition und Transparenz darüber geschaffen werden, welche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten und somit zur Erreichung von Umweltzielen beitragen. Die Taxonomie soll es Unternehmen, Investoren und anderen Akteuren ermöglichen, Investitionen gezielter in nachhaltige Projekte zu lenken und "Greenwashing" zu verhindern.

In Bezug auf Versicherungsunternehmen und deren Underwriting-Aktivitäten muss offengelegt werden, wie viele Prämien im Nicht-Leben Bereich einen wesentlichen Beitrag zum Klimaziel „Anpassung an den Klimawandel“ liefern. Dabei müssen Versicherer ihr Portfolio auf Basis der von der Regulierung vorgegebenen Kriterien (Technical Screening Criteria, TSC) untersuchen.

Für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 wurden bereits KPIs zur Taxonomie-Fähigkeit durch die Versicherer veröffentlicht. Auf Grund unterschiedlicher Berechnungsansätze wiesen diese bereits große Diskrepanzen auf und waren kaum vergleichbar. In diesem Sinne stellt sich nun die Frage: Kann das erste Berichtsjahr zur Taxonomie-Konformität die angestrebte Vergleichbarkeit herstellen und die Relevanz der Kennzahl sicherstellen?

Benchmarking

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Auffällig ist, dass der Anteil der taxonomiekonformen Prämien (pink) insgesamt sehr gering ist, so bewegen sich die KPIs zwischen ca. 1 % - 14 %. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Veröffentlichung der FAQs der EU-Kommission (Draft Commission Notice) aus Dezember 2023, in der klargestellt wurde, dass nur derjenige Anteil der Prämie als konform betrachtet werden darf, welcher einen expliziten Klimaanteil enthält. Dabei werden unterschiedliche Methoden genutzt, um diesen Klimaanteil zu bestimmen – von historischen Schadendaten über Risikomodelle bis hin zu Methoden aus dem Pricing.

Der Ansatz des „Prämiensplits“ wurde für die Taxonomie-Fähigkeit in den vergangenen beiden Berichtsperioden nicht gefordert – und auch für die aktuelle Berichterstattung ließ der Gesetzgeber hier Interpretationsspielraum. Die Folge: Während die Taxonomie-Konformität sich in einer vergleichsweise kleinen Spannweite bewegt, variiert die Taxonomie-Fähigkeit enorm und bewegt sich zwischen 6% bis hin zu knapp 80%. Grund dafür ist, dass die Versicherer aufgrund des Interpretationsspielraums unterschiedliche Ansätze gewählt haben: Teilweise wurde äquivalent zur Taxonomie-Konformität der Prämiensplit angewendet, teilweise wurde aber auch die gesamte Prämie in Zusammenhang mit Produkten mit Klimabezug ausgewiesen haben. Auch der Ansatz, wonach pauschal alle Prämien der acht regulatorisch taxonomiefähigen Lines of Business (LoBs) herangezogen werden können, wurde vereinzelnd von Versicherern gewählt. Dadurch ist weder der KPI zur Taxonomie-Fähigkeit noch der KPI zur Residualgröße zwischen Fähigkeit und Konformität vergleichbar – zumindest nicht ohne entsprechende qualitative Angaben in den Berichten. Wenngleich das Vorgehen für die Taxonomie-Fähigkeit nicht zweifelsfrei abschließend geklärt ist, ist im Sinne der Vergleichbarkeit zu empfehlen, einen konsistenten Ansatz innerhalb der Versicherungsbranche zu wählen. Dabei sprechen viele Argumente für die analoge Anwendung des Prämiensplits auch für die Taxonomie-Fähigkeit.

Weitere Unterschiede in den Berechnungsansätzen lassen sich in dem KPI zu „davon rückversichert“ (bzw. „Retrozession“ bei Rückversicherern) erkennen: Während vereinzelt keine Angaben gemacht wurden, wurde dieser KPI bei mehreren Versicherern in gleicher Höhe ausgewiesen wie der KPI zur Taxonomie-Konformität. Daraus kann jedoch in der Regel nicht die Aussage abgeleitet werden, dass alle Risiken, welche in Verbindung mit taxonomiekonformen Produkten stehen, auch rückgedeckt sind. Nur ca. die Hälfte der Versicherer weisen bei dem KPI einen Anteil der Taxonomie-Konformität aus.

Entscheidend bei diesen Unterschieden zwischen den Versicherern ist ausreichende Transparenz in den qualitativen Angaben der Berichterstattung. Dadurch wird trotz der gegebenen Interpretationsspielräume eine gewisse Vergleichbarkeit gewährleistet und die bessere Einwertung der Ergebnisse ermöglicht. Auch in dieser Hinsicht gibt es im ersten Berichtsjahr Unterschiede zwischen den Versicherern, da Art und Umfang der qualitativen Erläuterungen noch variieren.

Ein weiterer Aspekt, der dem grundsätzlichen Design der KPI geschuldet ist, aber dennoch beim Vergleich der KPIs einzuwerten ist, ist die unterschiedliche Zusammensetzung von Zähler und Nenner bei der Taxonomie-Konformität: Während im Nenner des KPIs alle Nicht-Leben LoBs herangezogen werden, fließen in den Zähler des KPIs nur die (taxonomiekonformen Klima-)Anteile der LoBs ein, welche gemäß regulatorischer Vorgabe taxonomiefähig sein können. Somit werden Versicherungsunternehmen mit einem hohen Anteil an bspw. der allgemeinen Haftpflicht oder Rechtsschutz, die keinen Klimaanteil enthalten, regelmäßig geringe KPIs haben. Dies resultiert daraus, dass ihr gesamtes Nicht-Leben-Geschäft in den Nenner einfließt, aber niemals Teil des Zählers werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Versicherer, die beispielsweise im Vergleich weniger Sachversicherung und mehr Rechtschutzversicherung anbieten, per Definition eine geringere Taxonomie-Fähigkeit und damit auch potenziell eine geringere Taxonomie-Konformität aufweisen.

Ausblick

Im Hinblick auf die zu Beginn gestellte Frage, ob das erste Berichtsjahr zur Taxonomie-Konformität die angestrebte Vergleichbarkeit herstellen kann, welche Versicherer in Bezug auf ihre Underwriting-Aktivitäten nachhaltiger agieren als andere, lässt sich wie folgt resümieren: Obwohl nicht alle KPIs in den Berichtstabellen ohne Weiteres vergleichbar sind, lässt der KPI zur Taxonomie-Konformität doch einen guten ersten Rückschluss auf den Beitrag eines Versicherungsportfolios zur Verbesserung der Klimaresilienz zu. Qualitative Angaben werden allerdings auch weiterhin nötig sein, um die KPIs vergleichen zu können. Neben der noch abzuwartenden externen Wirkung („Investitionslenkung“) dieser Veröffentlichungen, ist aber auch folgender Aspekt nicht zu unterschätzen: Es zeigt sich, dass die Erstellung der KPIs bei Versicherern zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Klimarisiken im eigenen Portfolio und damit zu einem besseren Verständnis geführt hat. Zudem ist die Berücksichtigung der Taxonomie-Konformität in der zukünftigen Produktentwicklung ein positiver Aspekt – diesen Rückschluss lassen jedenfalls mehrere qualitative Angaben in den Berichten der Branche zu. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Relevanz der Taxonomie-Berichterstattung entwickelt, da absehbar ist, dass sich sowohl die Datenqualität als auch die Vergleichbarkeit durch eine Harmonisierung in der Auslegung stetig erhöhen wird.

In Kürze erscheint die „ Taxonomy Reporting Study 2024“ von PwC mit einer Analyse der Taxonomieberichtsdaten des gesamten Finanzsektors sowie von Unternehmen der Realwirtschaft innerhalb der EU. 

 

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Christoph Schellhas

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