Der Einkauf als Treiber der Dekarbonisierung – von der Erwartung zur Realität
Im Spannungsfeld zwischen Kosten, Resilienz und Dekarbonisierung – auf dem Weg zur “Netto-Null” gewinnt die Reduzierung der Upstream Emissionen immer höhere Priorität
Der Marktstandard zur Entwicklung von wissenschaftsbasierten Klimazielen, SBTi (Science-Based Targets Initiative, SBTi Monitoring Report 2022), hat allein in 2022 ein Wachstum von 87 % gemeldet. Doch viele Marktakteure wissen Stand heute noch nicht, wie sie ihren Weg zur Zielerreichung gestalten können – wir können Unternehmen dabei unterstützen aufzuzeigen, wie die Transformation gelingen kann. Die (pragmatische) Arbeit mit den Lieferanten ist dabei wohl der wichtigste Hebel zur Reduzierung von Upstream Emissionen.
1. Warum ist das Lieferantenmanagement so essenziell?
War die Entwicklung von Klimazielen in den letzten Jahren weitestgehend durch freiwillige Ambitionen von Unternehmen, von Verbrauchern und durch Wettbewerbsdruck getrieben, so kommt nun auch die Regulatorik ins Spiel. Die CSRD (Finale Version der Corporate Sustainability Reporting Directive, 07/2023) verpflichtet Unternehmen darüber zu berichten, ob sie Klimaziele für die Reduzierung der THG-Emissionen in Scope 1-3 festgelegt haben und ob diese auch fundiert sind (1,5°C). Eine bedeutende Rolle in der Nachhaltigkeitstransformation spielen dabei die sogenannten Scope 3 Emissionen, die im Schnitt etwa 80 % des Gesamtfußabdruckes ausmachen (CDP Report 2020) und für die eine Reduktion nach SBTiVorgaben etwa eine Minderung von 25 % bis 2030 bedeutet. Hier bleiben Unternehmen lediglich noch 6 Jahre, um Emissionen in ihren Lieferketten aktiv zu reduzieren. Da Scope 3 Emissionen außerhalb der direkten Kontrolle des bilanzierenden Unternehmens liegen, stellt die Erfassung und Reduktion dieser Emissionen oft eine große Herausforderung dar. Hybride THG-Accounting Modelle, die ausgaben- und gewichtsbasierte Ansätze mit Product Carbon Footprint-Berechnungen kombinieren, gewinnen daher zunehmend an Bedeutung und können bei einem dekarbonisierungsgetriebenen Lieferantenmanagement nicht nur unterstützen, sondern bilden die Basis für die transparente Berichterstattung.
Abbildung 1 Anteil der Scope 3 Upstream Emissionen (Cradle-to-Gate) mit einem durchschnittlichen Anteil von 80% an den Gesamtemissionen. (CDP Report 2020)
2. Wie kann der Einkauf sich bestmöglich für die Zukunft aufstellen und Lieferanten in diese Entwicklung miteinbeziehen?
Die Ableitung des Dekarbonisierungszieles ist der erste Schritt, mit dem jedoch noch kein Gramm CO2 verringert wurde. In der “neuen Einkaufswelt” bewegt sich der Einkäufer im Spannungsfeld zwischen Kosten, Resilienz der Supply Chain und der Dekarbonisierung, um den entscheidenden Wertbeitrag zu generieren. Die noch stärkere Einbeziehung der Lieferanten wird somit zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor für Unternehmen.
Maßnahmen können sowohl Produkt-, Prozess als auch Energiegetrieben sein. Die Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion des Lieferanten kann z.B. positiv auf Kosten und CO2 Reduktion einzahlen. Produktgetriebene Maßnahmen, z.B. durch eine Simplifizierung des Designs, haben sowohl Kosten- als auch Dekarbonisierungspotential. Eine resiliente Lieferkette wird insbesondere durch prozessgetriebene Maßnahmen gestärkt, wie eine Optimierung der Logistik. Wie in einem klassischen Kostenreduktionsprojekt gilt hier noch stärker – ein interdisziplinäres Team ist der Schlüssel zum Erfolg und der Einkauf ist der Treiber des Prozesses.
Abbildung 2 Dekarbonisierungsmaßnahmen müssen im Einklang mit Kosten und einer resilienten Lieferkette geplant werden.
3. Wie können schnelle Ergebnisse und langfristige strategische Ziele miteinander vereinbart werden?
Das Vorgehen für die Upstream Dekarbonisierung kann in drei wesentliche Schritte unterteilt werden:
- Bewertung und Ausgangslage
- Strategie
- Implementierung
Da die Zeit für die Umsetzung jetzt bereits knapp bemessen ist sollten alle drei Schritte parallel und in inkrementellen Schritten geplant werden. Im ersten Schritt werden Grundlagen geschaffen und eine solide THG-Bilanz für Scope 3 Upstream Emissionen sichergestellt. Außerdem sollten wo möglich Product Carbon Footprints in die Berechnung mit einbezogen werden. Für die zukünftige Berichterstattung und die Festlegung eines wissenschaftlichen fundierten Ziels muss zusätzlich über ein Basisjahr für die Berechnung und zukünftige Angabe von Reduktionen entschieden werden. Da die Bereitstellung der entsprechenden Daten oft schon eine enorme Herausforderung darstellt, ist es durchaus anzuraten, schnell in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess hinsichtlich der Datengrundlage für die Scope 3 Berechnung einzusteigen.
Im zweiten Schritt wird ein langfristiger Anker für eine wegweisende Dekarbonisierungsstrategie gesetzt. Hierzu gehören eine Strategie und entsprechende Ziele, wie ein wissenschaftliches Klimaziel (SBTi), eine Netto-Null Strategie und ein Übergangsplan. Außerdem ein Aktionsplan (z.B. CO2 supply chain management), Kontrollmechanismen für die Implementierung (z.B. Strukturen und Prozessorganisation) und eine Berichtserstattung. In vielen Unternehmen geraten hier Strategieansätze zur Kostenreduktion und zur Erreichung von Klimazielen in Konflikt. Umso wichtiger ist ein frühzeitiger Austausch der wesentlichen Entscheidungsträger, um eine strategische Richtung vorzugeben, die beide Bestrebungen in Einklang bringt.
Im dritten Schritt wird eine Dekarbonisierungs-Task-Force mit der Implementierung der Strategie beauftragt und aktiviert ausgewählte Lieferanten basierend auf einer Analyse der Emissionsdaten. Eine Maßnahmenliste wird entwickelt, die der gesamten Wertschöpfungskette (WSK) Rechnung trägt, da Emissionstreiber häufig nicht direkt beim Tier 1 Lieferanten zu finden sind. Außerdem ist es in dieser Phase wichtig einen kontinuierlichen Austausch mit den Lieferanten durch Workshops und Events zu pflegen. Hier gilt es, besonders pragmatisch vorzugehen und ausgewählte Lieferanten von Beginn an in den Prozess mit einzubeziehen. In unserem Ansatz planen wir unterschiedliche Events zusammen mit Lieferanten, um gemeinsam an Dekarbonisierungsmaßnahmen zu arbeiten.
4. Ausblick
Die Zeit, dieses komplexe Problem zu lösen, wird immer knapper! Daher ist es umso wichtiger, möglichst pragmatisch vorzugehen. Hierzu haben wir einen Ansatz entwickelt, bei dem wir nach kurzer Vorbereitungsphase direkt in die Umsetzung starten und mit ausgewählten Lieferanten zusammenarbeiten. So erreichen wir einen größtmöglichen Impact ohne große Zeitverzögerung.
Die Dekarbonisierung kann nur gelingen, wenn alle beteiligten Funktionen der Lieferkette mit in das Vorgehen einbezogen werden. Es ist daher unumgänglich ein interdisziplinäres Team aufzusetzen, um alle wesentlichen Funktionen im Unternehmen einzubinden. Hierzu zählen neben dem Einkauf unter anderem die R&D, Qualitätssicherung, Innovationsteams und Teams, welche sich mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigen.
Zusammenfassend sollten das ihre nächsten Schritte sein:
- Schaffen einer ausreichenden Datengrundlage für Scope3 THG-Bilanz
- Klare strategische Dekarbonisierungsziele unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder im Unternehmen ableiten und festlegen
- Eine interdisziplinäre Task Force ins Leben rufen und pragmatisch mit Dekarbonisierung der Lieferkette unter Einbindung der Lieferanten beginnen
Bei der Umsetzung dieser komplexen Herausforderung stehen wir Ihnen mit unserem multifunktionalen Team aus Dekarbonisierungs-, Einkaufs- und Industrieexpert:innen zur Seite.
Weiterführende Links:
- S& and PwC Study: Unleashing the power of Scope 3 emissions
- Net-Zero-Transformation
- PwC Nachhaltigkeitsberatung
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
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