Finanzunternehmen unterschätzen Biodiversität- und Naturschutz

PwC & WWF Studie zum aktuellen Umsetzungsstand von Biodiversität- und Ökosystemschutz im deutschen Finanzsektor

Mehr als die Hälfte des globalen BIPs in Höhe von rund 44 Billionen Dollar ist nach Angaben des World Economic Forums (WEF) durch Naturrisiken gefährdet. Diese alarmierende Tatsache verdeutlicht, wie eng unser wirtschaftliches Wohlergehen mit der Gesundheit unserer natürlichen Umwelt verbunden ist. Der Verlust von Ökosystemleistungen wie Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit sowie Luft- und Wasserreinigung könnte ab dem Jahr 2030 jährliche Kosten von mehr als 2,7 Billionen Dollar verursachen. Dies würde einem Rückgang der globalen Wirtschaftsleistungen von etwa 2,3% entsprechen (Worldbank).  

Doch haben Finanzunternehmen die entsprechenden Risiken und auch damit einhergehenden Chancen bereits ausreichend erkannt? Sind Biodiversitätsaspekte bereits in strategische Ziele integriert? Wir haben nachgefragt und unsere Umfrage in Kooperation mit dem WWF Deutschland „Natur- und Biodiversitätsschutz im deutschen Finanzsektor – eine Bestandsaufnahme“ liefert Antworten.  

PwC Deutschland und WWF Deutschland haben eine gemeinsame Umfrage zum Umsetzungsstand von Biodiversitäts- und Naturschutz im deutschen Finanzsektor durchgeführt, an der sich 52 Finanzinstitute (Banken, Asset Owner (Versicherungen, Pensionskassen) und Asset Manager) beteiligt haben und die zu gemischten Ergebnissen kommt. So verstehen immer mehr Finanzinstitute (73%) den Klima-/ Biodiversitätsnexus, d.h. dass man mit Biodiversitätsmaßnahmen CO2-Emissionen einsparen kann und dass die Klimaziele ohne Naturschutzmaßnahmen nicht erreichbar sind. Als zweithäufigster Grund, sich mit Biodiversitätsaspekten auseinanderzusetzen, nennen Finanzinstitute, dass über die Hälfte des globalen BIPs (65%) von naturbasierten Ressourcen abhängig ist – hier wird die systemische Relevanz des Themas also erkannt. Auf der anderen Seite stufen aber 73% der Befragten die Bedeutung von Biodiversität im deutschen Finanzsektor als “eher gering ein”.

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Noch keine strategische Relevanz 

Diese Wahrnehmung spiegelt sich auch in der geringen strategischen Bedeutung von Biodiversitäts- und Ökosystemschutz für Finanzunternehmen. Biodiversitätsdaten werden überwiegend für das externe Reporting (33%) und für das Risikomanagement (31%) genutzt, und nur ein kleiner Anteil der befragten Unternehmen nutzt Daten für einen Steuerungsrahmen zur Reduktion von negativen Auswirkungen (19%) oder die Erstellung von Net-Zero Transitionsplänen (12%).  
 
Dazu passt, dass regulatorische und rechtliche Risiken (63%, Top 2), zusammen mit Reputationsrisiken (60%, Top 2), am höchsten gewichtet werden, wobei akute und chronische physische Risiken (34%, Top 2) aktuell noch unterschätzt werden

Chancen noch nicht ausreichend erkannt 

Die Chancen, die mit einer naturpositiven Wirtschaft einhergehen, bspw. die Finanzierung neuer Technologien und Geschäftsmodelle, die für den Naturschutz und die Wiederherstellung benötigt werden, werden noch nicht ausreichend wahrgenommen. So sehen die Befragten die verbesserte Risikoresilienz (39%) als größten Vorteil der Befassung mit Biodiversitätsaspekten und nicht etwa die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch das Angebot innovativer Produktlösungen (15%). Auch schätzen die Befragten das Interesse von Geschäfts- und Privatkund:innen an Produkten mit Biodiversitätskriterien als gering ein. 

Die Umfrage ergab auch, dass aktuell der Ausschluss bestimmter Sektoren und Aktivitäten von der Finanzierung und von Investment- und Versicherungsprodukten als favorisierte operative Strategie im Bereich Biodiversität und Ökosystemschutz angewandt wird (100%, N=5). Um dem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken, bedarf es jedoch zusätzlich er Maßnahmen zur Reduzierung wie die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und zur Wiederherstellung (z.B. Finanzierung von Aufforstung). Außerdem sind Engagementstrategien der Finanzunternehmen mit den finanzierten Industrieunternehmen von großer Bedeutung.

Verschiedene Ambitionsniveaus

Die Studie zeigt ein sehr unterschiedliches Ambitionsniveau im deutschen Finanzsektor. Auf der einen Seite haben sich 13% der befragten Unternehmen bereits Biodiversitätsziele gesetzt bzw. befinden sich in der Entwicklungsphase (27%). Auf der anderen Seite hat jedes zweite Unternehmen bislang keine Biodiversitätsziele formuliert und plant dies aktuell auch nicht.

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Ähnliche Werte sind auch im Rahmen von dem Vorhandensein/ der Erstellung von Biodiversitätspolicies zu erkennen.  

Diese Zweiteilung könnte auch Rückschlüsse auf die bevorstehende Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) geben, denn wenn ein Unternehmen das Thema Biodiversität als wesentlich für sein Geschäftsmodell einordnet, muss es nach dem European Sustainability Reporting Standard zu Biodiversität (ESRS E4) berichten und die entsprechenden Offenlegungsanforderungen. u.a. Ziele, Policy, Maßnahmen erfüllen. Ein Großteil der befragten Unternehmen befindet sich aktuell jedoch noch in der Umsetzung (63%) oder haben sich zum Teil auch noch gar nicht mit dem ESRS E4 auseinandergesetzt (13%).  

Ebenso zeigt die Studie auf, dass bei der Umsetzung von Prozessen zum Umgang mit Risiken und Chancen, Abhängigkeiten und Auswirkungen im Zusammenhang mit Biodiversität die meisten Unternehmen noch ganz am Anfang stehen. Erst 15% der Befragten haben entsprechenden Prozesse etabliert.

Im Rahmen der Umsetzung des ESRS E4 wird die Anwendung des LEAP-Ansatzes (Locate (L), Evaluate (E), Assess (A), Prepare (P)) der Task Force on Nature-related Disclosure (TNFD) als Managementframework empfohlen. Auch hier haben wir nachgefragt, wie weit die Finanzunternehmen mit der Umsetzung sind und die Umsetzung steht noch ganz am Anfang bzw. wird aktuell noch gar nicht angegangen.  

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Als größte Herausforderung bei dem Thema nennen die Befragten die Quantifizierung von Biodiversität und Ökosystemen (75%), sowie eine fehlende Dateninfrastruktur (69%). Jedoch gab es im letzten Jahr einige Initiative zur Unterstützung von Unternehmen bei der Zielsetzung und Datenbeschaffung, darunter die TNFD, die UNEP FI Nature Target Setting Guidance, die eng mit dem Science Based Targets Network (SBTN) abgestimmt ist, PBAF mit einer Methode zur Messung eines Biodiversitätsfußabdrucks oder Align. Es ist ratsam für Finanzunternehmen sich an solchen Initiativen zu beteiligen oder sich zumindest näher zu informieren, um weiteres Know-How aufzubauen.

Denn der allgemeine Wissensstand zum Thema ist nach wie vor bei Finanzunternehmen eher gering ausgeprägt. In keiner der von uns abgefragten Kategorien zum Thema Wissensstand erreichen Finanzinstitute die Note sehr gut oder gut (skalierte Abfrage von 1 bis 6, wobei 6 am schlechtesten bewertet ist). Der Wissensstand bei den teilnehmenden Unternehmen ist in Bezug auf die Regulatorik am höchsten mit einem Wert von 3,1 und am geringsten mit einer Note von 4,3 in Bezug auf vorhandene Tools bzw. Standards zur Erfassung von Biodiversitäts- und Ökosystemaspekten.  

Unsere Studie zeigt, dass obwohl der Klima-Biodiversitäts-Nexus, sowie die Relevanz und Abhängigkeiten unserer Wirtschaft von Biodiversität zunehmend verstanden wird, dieses Wissen jedoch größtenteils noch nicht in strategische Ziele umgesetzt wird und die Prozesse in Unternehmen zum Umgang mit naturbezogenen Risiken, Chancen, Abhängigkeiten und Auswirkungen noch am Anfang stehen. Vor dem deutschen Finanzsektor liegt also noch einiges an Arbeit, um die entsprechenden Risiken zu anzugehen und die Chancen zu ergreifen und zu einer naturpositiven Transformation der Wirtschaft beizutragen.  

Auf Regierungsebene trifft man sich im Oktober dieses Jahres auf der COP16 zur biologischen Vielfalt in Kolumbien, um den Fortschritt bei der Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategien (National Biodiversity Strategies and Action Plans, NBASPs) zu überprüfen sowie Maßnahmen zur Verringerung der Finanzierungslücke für Biodiversität zu ergreifen.   Positiv stimmt, dass in diesen Tagen das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur von der EU verabschiedet wurde, welches die in der COP15 beschlossenen internationalen Ziele für die EU in eine Rechtsform gießt.

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Dann lesen Sie die kompletten Studienergebnisse hier.  

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Angela McClellan

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