COP 16: Finanzsektor im Fokus
Weichenstellung für eine naturpositive Wirtschaft.
Die durch den Rückgang an Biodiversität und den Kollaps von Ökosystemen entstehende Ressourcenknappheit stellt laut dem Global Risks Report 2024 des Weltwirtschaftsforums eines der drei größten globalen Risiken der nächsten Dekade dar. Im Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) hat sich die internationale Staatengemeinschaft daher auf internationale Ziele zum Biodiversitätsschutz geeinigt. Auf der aktuell in Kolumbien stattfindenden 16. Conference of the Parties (COP16) des internationalen Abkommens zum Schutz der biologischen Vielfalt geht es um die Überprüfung der Fortschritte.
Finanzinstitute sollten aufhorchen, denn von der Konferenz werden konkrete Maßnahmen erwartet, um weitere Fortschritte im Umgang mit Biodiversitätsrisiken zu erzielen – welche auch vom Gesetzgeber und der Aufsicht gefordert werden.
Die Agenda der COP 16
Analog zu den internationalen Klimakonferenzen finden auch zum Biodiversitätsschutz regelmäßige Gipfeltreffen statt. Die 16. Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP16) ist das erste Treffen seit der Verabschiedung des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) auf der vorherigen COP 15 im Dezember 2022. Die globale Staatengemeinschaft hat in dem GBF konkrete Ziele vereinbart, um die Biodiversität zu schützen und wiederherzustellen, d.h. ein sogenanntes “naturpositives” Wirtschaften zu erreichen. Diese Ziele sollen in nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionsplänen (NBSAPs) umgesetzt werden. Ein zentraler Tagesordnungspunkt der COP16 ist daher die Überprüfung der vorliegenden NBSAPs. Bis Konferenzbeginn haben allerdings nur wenige der 196 Vertragsstaaten bereits einen NBSAP vorgelegt. Deutschland zählt leider nicht dazu, denn die Bundesregierung konnte sich im Gegensatz zu 35 anderen Vertragsstaaten aufgrund der Budgetstreitigkeiten nicht rechtzeitig auf einen finalen NBSAP einigen. Es besteht also erheblicher Handlungsbedarf, um die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems zu erhalten.
Ein weiterer zentraler Programmpunkt der COP16 ist die Ressourcenmobilisierung für den Biodiversitätsschutz. Die diesjährige Konferenz erarbeitet in diesem Zusammenhang Leitlinien für den Globalen Umweltfonds (GEF) und überprüft den Fortschritt des GBF-Fonds, der unter anderem darauf abzielt, Länder bei der nationalen Planung und dem Management von Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz zu unterstützen.
Die Rolle privater Finanzierung für Natur und Biodiversität ist im Global Biodiversity Framework von zentraler Bedeutung, da staatliche Mittel allein nicht ausreichen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Im Vorfeld der COP 16 haben Banken weltweit Initiativen ergriffen, um den Biodiversitätsschutz zu unterstützen. Auf der COP 16 stellen private Initiativen sowie internationale Organisationen ihre Projekte und Strategien zum Biodiversitätsschutz vor. Ein Beispiel hierfür ist der Pavillon von der United Nations Environment Programme Finance Initiative (UNEP FI), der Finance for Biodiversity (FfB) Foundation und dem United Nations Development Programme (UNDP). Außerdem widmet die Konferenz heute, am 28. Oktober, einen Tag dem Thema Finance and Biodiversity.
Biodiversität und Ökosysteme sind kritische Infrastruktur
Die Natur stellt mit ihren Ökosystemdienstleistungen die Grundlage für unser Wirtschaftssystem und sollte daher vom Finanzsektor als kritische Infrastruktur betrachtet werden. Die makroökonomischen Auswirkungen sind evident, die Weltbank warnt, dass u.a. der Verlust von natürlicher Bestäubung, Nahrungsversorgung aus der Meeresfischerei und Holz aus heimischen Wäldern bis 2030 zu einem Rückgang des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,7 Billionen USD jährlich führen könnte.
Die durch den Rückgang an Biodiversität und den Kollaps von Ökosystemen entstehende Ressourcenknappheit stellt laut dem Global Risks Report 2024 des Weltwirtschaftsforums eines der drei größten globalen Risiken der nächsten Dekade dar. Finanzinstitute sind zwar im geringen Maße in ihren direkten Geschäftstätigkeiten und Lieferketten auf natürliche Ressourcen angewiesen, allerdings können ihre Geschäftspartner erhebliche naturbedingte Risiken aufweisen, mit den entsprechenden Konsequenzen für die Finanzierer. Die europäische Zentralbank hat kürzlich verlautet, dass 75% der Unternehmenskredite in der EU an Unternehmen vergeben werden, die stark auf eine oder mehrere Ökosystemleistungen angewiesen sind. Unternehmen und Finanzinstitute müssen daher ihre Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Natur verstehen, nachhaltige und naturpositive Geschäftsstrategien entwickeln sowie Resilienz gegenüber potenziellen Risiken schaffen.
PwC (2023): Managing nature risks: From understanding to action
Die Rolle des Finanzsektors im Biodiversitätsschutz
Zur Erreichung der Ziele des GBF besteht laut Berechnungen der UNEP FI ein Finanzierungsdefizit von etwa 700 Mrd. USD jährlich. Wie die UNEP FI sowie die FfB Foundation erklären, erwarten viele Finanzinstitute von der COP 16 stärkere Policy Signale, um private Finanzmittel an für eine Net-Zero und naturpositive Transformation zu mobilisieren. Es bedarf klarer Leitlinien zur Messung und Offenlegung naturbezogener Risiken, sowie der Auswirkungen und Abhängigkeiten von Unternehmen bezogen auf Biodiversität und Ökosystemleistungen, um messbare Fortschritte zu erzielen und Finanzströme entsprechend zu lenken. Regierungen sollten zudem wirtschaftliche Anreize und Instrumente für privat-öffentliche Mischfinanzierungen (Blended Finance) entwickeln, um private Investitionen in naturpositive Projekte zu fördern. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Sektoren ist notwendig, um die Finanzierungslücke für Biodiversität zu schließen.
Der Klima- und der Biodiversitätsschutz hängen unmittelbar zusammen, denn Biodiversitätsmaßnahmen zahlen auch auf die Verringerung der CO2-Emissionen ein. Auch in der Erklärung „2024 Global Investor Statement to Governments on the Climate Crisis“, dem bisher umfassendsten Aufruf von Investoren zu Klimaschutzmaßnahmen, werden Maßnahmen zum Biodiversitäts- und Naturschutz gefordert. 534 Finanzinstitute, die gemeinsam mehr als 29 Billionen USD an Vermögenswerten verwalten, haben bereits unterzeichnet und drängen auf Maßnahmen, um die für die Transformation zu einer klimaresilienten, naturpositiven, CO2-neutralen Wirtschaft notwendigen privaten Investitionen zu erleichtern. In Bezug zu Biodiversität sprechen sich die Investoren für die folgenden Maßnahmen aus:
- Umsetzung der NBSAPs im Einklang mit dem GBF
- Bekämpfung und Umkehrung von Wasserknappheit & Verschmutzung, Zerstörung von Wäldern und anderen natürlichen Ökosystemen
- Erhöhung der Klimafinanzierung für naturbasierte Lösungen und Wasserlösungen
- Stärkung der naturbezogenen Offenlegungen im Finanzsektor mithilfe der TNFD
Regulatorische Vorgaben und Umsetzung
Die EU hat einige regulatorische Maßnahmen zum Biodiversitätsschütz auf den Weg gebracht. Relevanz für den Finanzsektor hat insbesondere die ab nächstem Jahr schrittweise in Kraft tretende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie die bereits geltende EU-Taxonomieverordnung und die Offenlegungsverordnung. In den letzten zwei Jahren haben Finanzinstitute entsprechend begonnen, Natur- und Biodiversitätskriterien in ihr Risikomanagement zu integrieren und ihre Risiken und Auswirkungen offenzulegen. In Deutschland hat sich etwa die Hälfte der Finanzinstitute bereits Biodiversitätsziele gesetzt oder ist gerade dabei, welche zu entwickeln.
Insbesondere öffentliche Entwicklungsbanken haben bereits durch Investitionen und weitere Fördermaßnahmen zum Biodiversitätsschutz beigetragen. Aber auch Initiativen wie die FfB Foundation, die 177 Finanzinstitute zu ihren Mitgliedern zählt, haben sich dazu verpflichtet, Ziele für ihre Auswirkungen auf die Biodiversität und Ökosysteme festzulegen und transparent darüber zu berichten. Dies beinhaltet die Bewertung, wie ihre Investitionen natürliche Ökosysteme beeinflussen, sowie die Integration von Biodiversitätskriterien in das Portfoliomanagement. Das Rahmenwerk der Taskforce on Nature-Related Financial Disclosures (TNFD) bietet hierfür eine strukturierte Methode und unterstützt Finanzinstitute dabei, Biodiversitätskriterien in ihr Risikomanagement und ihre strategische Planung einzubinden. Ein effektives Nature-Reporting ist nicht nur entscheidend für die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen und die Erfüllung der Erwartungen von Stakeholdern, sondern trägt auch zur langfristigen Wertschöpfung und Risikominderung bei.
Neben den regulatorischen Vorgaben hat die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA ein Papier zum ESG-Risikomanagement veröffentlicht, das bisher nur in Entwurfform vorliegt. Es verlangt von Banken szenariobasierte Analysen von Biodiversitätsrisiken sowie die Integration von Biodiversitätsfaktoren in ihre Net Zero-Transitionspläne.
Eine aktuelle Studie von PwC und WWF zeigt, dass die Mehrheit der Finanzinstitute in Deutschland dieser Herausforderung bisher kaum gewachsen sind. Der aktuelle Wissensstand zum Thema sowie zu entsprechenden Tools und Handlungsempfehlungen ist allgemein sehr gering, die Quantifizierung stellt sich als große Hürde dar. Biodiversitätsdaten werden noch nicht für strategische Steuerungszwecke eingesetzt. Einige Finanzinstitute haben jedoch bereits mit Zielsetzungen und der Implementierung von naturbezogenen Strategien begonnen. Nicht zuletzt aufgrund der regulatorischen Vorgaben und aufsichtsrechtlichen Erwartungen ist davon auszugehen, dass immer mehr Finanzinstitute diesen Weg gehen werden.
Fazit: es besteht Handlungsbedarf
Es sind politische Maßnahmen notwendig, um den Biodiversitäts- und Naturschutz stärker zu berücksichtigen und die damit verbundenen Risiken, auch in Deutschland, zu erkennen. Die bevorstehende COP 16 bietet eine wichtige Gelegenheit, um den unzureichenden Fortschritt der nationalen Strategien hervorzuheben und die für die Umsetzung des GBF nötigen Ressourcen zu mobilisieren.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des GBF ist die Einbindung des Finanzsektors unabdingbar. Finanzinstitute sollten naturpositive, innovative Finanzprodukte und -dienstleistungen entwickeln, ihre Geschäftsstrategien auf Nachhaltigkeit ausrichten, und Rahmenwerke wie die TNFD nutzen, um naturbezogene Risiken und Chancen transparent offenzulegen. Durch die Bereitstellung von Finanzierungen für naturpositive Projekte positionieren sich Finanzinstitute als Vorreiter einer nachhaltigen Wirtschaft und schaffen gleichzeitig die Grundlage für eine langfristige Wertschöpfung.
Weiterführende Links:
- PwC & WWF Studie (2024): Natur- und Biodiversitätsschutz im deutschen Finanzsektor – eine Bestandsaufnahme
- PwC & WWF Studie (2022): Von Net Zero zu Nature Positive – warum sich der deutsche Finanzsektor jetzt mit Biodiversität beschäftigen sollte
- Sustainable Finance Webcast: Management von Biodiversitätsrisiken und -chancen
- PwC Center for Nature Positive Business
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