Klimareporting II: Wie erheben Versicherer ihre Scope 3-Emissionen?

Aus unserer Blogreihe “Net-Zero-Transitionspläne”

Die Scope 3-Emissionen machen etwa zwei Drittel (64%) der Gesamtemissionen bei Versicherungsunternehmen aus, wobei ungefährt die Hälfte auf finanzierte Emissionen entfällt. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse der Klimaberichterstattung von 14 Versicherungsunternehmen. Hierbei dominieren insbesondere die finanzierten Emissionen aus der Branche “Energieerzeugung” (29 %). Von fast allen betrachtenden Versicherern wurden börsennotierte Aktien und Unternehmensanleihen in die Ermittlung der finanzierten Emissionen einbezogen. Einige Versicherer berichten zudem über Emissionen aus Staatsanleihen, Immobilien und Hypotheken. Neben den finanzierten Emissionen berichtet ein Großteil der Versicherer Geschäftsreisen, Abfall, Pendelverkehr sowie Eingekaufte Waren- und Dienstleistungen unter den Scope 3-Emissionen. Angaben zu Emissionen aus Versicherungsverträgen haben lediglich fünf der 14 betrachteten Versicherer gemacht.

Mit unserer Blogreihe “Net-Zero-Transitionspläne” möchten wir Finanzinstitute zu aktuellen Entwicklungen am Markt, Best Practices sowie Tools zum Carbon Accounting informieren. Wie in unserem ersten Beitrag “Regulatorische Anforderungen an Net-Zero-Transitionspläne: CSRD, CRR, CSDDD und EBA-Leitlinien zum ESG-Risikomanagement" erläutert, beziehen sich zahlreiche regulatorische Anforderungen auf die Erstellung von Net-Zero-Transitionsplänen. Große Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind dabei die Datenverfügbarkeit sowie die Methoden zur Berechnung der finanzierten und versicherten Emissionen (Scope 3). Anknüpfend an den letzten Beitrag unserer Blogserie “Klimareporting I: Wie erheben Banken ihre Scope-3-Emissionen?” stellen wir im Folgenden eine Analyse der im Jahr 2023 veröffentlichten Scope 3-Emissionen von Versicherungen dar.

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Methodischer Ansatz für die Analyse europäischer Versicherer

Für die Analyse wurden 14 Erst- und Rückversicherer aus acht europäischen Ländern untersucht. Die Datengrundlage stützt sich auf die öffentlich zugänglichen nichtfinanziellen Erklärungen der Versicherungsunternehmen aus dem Geschäftsjahr 2023. Die Analyse basiert auf den Angaben der Versicherer entweder in CO2 Äquivalenten (11 Versicherer) oder in CO2 (3 Versicherer).

Offenlegung von Scope 3-Emissionen in verschiedenen Kategorien

Die folgende Grafik illustriert den Umfang der Berichterstattung basierend auf den im GHG Protokoll definierten 15 Scope 3-Kategorien. Die Zuordnung zu den jeweiligen Kategorien erfolgte entweder auf den eindeutigen Angaben der Unternehmen oder, falls diese unzureichend waren, auf einer Kategorisierung der Informationen durch PwC. Einige Versicherer geben an, weitere Kategorien gemessen zu haben, sie jedoch aufgrund mangelnder Datenqualität nicht in die Berichterstattung einbezogen zu haben.

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Die von Versicherern am häufigsten berichteten Scope 3-Kategorien umfassen: ·

  • Kategorie 1: Eingekaufte Waren- und Dienstleistungen (z.B. Nutzung von Cloud-Diensten, Papierverbrauch) 
  • Kategorie 2: Anlagegüter (z.B. IT-Nutzung) 
  • Kategorie 3: Brennstoff- und energiebezogene Aktivitäten, die nicht in Scope 1 oder Scope 2 enthalten sind (z.B. kraftstoff- und energiebezogenen Emissionen) 
  • Kategorie 5: Abfall aus betrieblichen Tätigkeiten 
  • Kategorie 6: Geschäftsreisen 
  • Kategorie 7: Pendeln der Mitarbeiter 
  • Kategorie 13: Nachgelagerte geleaste Vermögenswerte 
  • Kategorie 15: Investitionen

Finanzierte Emissionen: PCAF-Standard und darüber hinaus

Alle betrachteten Versicherer machen Angaben zu ihren finanzierten Emissionen. Dabei berichten elf gemäß dem PCAF-Standard, während drei Versicherer keine Angaben machen.

Die Berichterstattung gemäß PCAF kategorisiert die Treibhausgasemissionen von Investitionen in sieben verschiedene Anlageklassen. Ein Großteil der Versicherer, also 13 von 14, gibt Auskunft über Emissionen aus börsennotierten Aktien und Unternehmensanleihen, während ein Versicherer keine Angaben zu einbezogenen Assetklassen gemacht hat. Weitere Anlageklassen werden teilweise oder gar nicht berücksichtigt, wie beispielsweise “Kraftfahrzeugdarlehen”. Hierzu gibt ein Versicherer an, dass er sich derzeit in der Implementierungsphase und Datenerhebung befindet, weshalb noch keine Aussagen getroffen werden können.

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Emissionsintensitäten der finanzierten Emissionen

Die meisten Versicherer geben absolute Emissionen und Emissionsintensitäten an. Die Emissionsintensitäten normieren die Emissionen mit dem Anlagevolumen und ermöglichen die Vergleichbarkeit der Emissionen zwischen Versicherern pro Anlageklassen. Die nachstehenden Grafiken zeigen die absoluten finanzierten Emissionen und Emissionsintensitäten, aufgeschlüsselt nach Anlageklassen. Wir unterscheiden zwischen Unternehmensanleihen und Aktien (“Corporates”), Staatsanleihen („Public Debt“) und Immobilien („Real Estate“).

Zwei der betrachteten Versicherer (Versicherer 9 und 11) haben keine Angaben zu den absoluten Emissionen ihres Anlageportfolios gemacht und nur Emissionsintensitäten angegeben. Die übrigen Versicherer haben mindestens für eine der genannten Anlageklassen absolute Emissionswerte angegeben, die nachfolgend in Millionen Tonnen CO2e dargestellt sind. Für einen Versicherer (Versicherer 2) war eine Aufschlüsselung nach Anlageklassen nicht möglich, da der Wert als aggregiertes „Total“ angegeben wurde.

Die Mehrheit der betrachteten Versicherer (acht Versicherer) hat aufgrund der Datenqualität nur Scope 1- und 2-Emissionen ihrer Beteiligungsunternehmen berücksichtigt. Zwei Versicherer haben Angaben zu den finanzierten Emissionen aus den Scope 3-Emissionen gemacht. Bei drei Versicherern wurden keine spezifischen Angaben zum Umfang der berücksichtigten Emissionen gemacht.

Besonders hervorzuheben sind die absoluten Emissionswerte eines Versicherers (Versicherer 1), der mit 20 Millionen Tonnen CO2e für „Corporates“ und 37 Millionen Tonnen CO2e für Staatsanleihen die Liste anführt. Im Gegensatz dazu verzeichnen zwei Versicherer (Versicherer 10 und 13) extrem niedrige Emissionswerte von lediglich 0.003 bis 0.03 Millionen Tonnen CO2e für „Corporates“ und 0.007 Millionen Tonnen CO2e für Staatsanleihen. Ein Versicherer (Versicherer 9) hat lediglich Angaben in Intensitätswerten gemacht.

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Da die finanzierten Emissionen vor allem vom Anlagevolumen abhängen, haben wir einen normierten Vergleich der Emission vorgenommen und die Emissionsintensitäten bzw. den CO2-Fußabdruck verglichen. 13 von 14 Versicherern haben Angaben zu ihren Emissionsintensitäten gemacht. Für Corporates und Staatsanleihen haben neun Versicherer das Verhältnis der absoluten Emissionen zum Anlagevolumen ermittelt (t CO2e / € Million investiert), während vier die absoluten Emissionen im Verhältnis zum Umsatz der Beteiligungsunternehmen (t CO2e / Million US $ / € Umsatz). oder zum Bruttosozialprodukt der zugrunde liegenden Staaten angegeben haben. Einige Versicherer haben zusätzlich noch alternative Metriken wie den WACI (weighted average carbon intensity) veröffentlicht.

Für Immobilien machen sechs Versicherer Angaben zur Emissionsintensität, wobei drei Versicherer mit dem Anlagevolumen normieren. Bei zwei weiteren Versicherern werden die Emissionen in Kilogramm CO2-Äquivalente pro Quadratmeter Fläche angegeben. Ein anderer Versicherer gibt seine Emissionsintensitäten für Immobilien ausschließlich in aggregierter Formmit Infrastruktur- und anderen Investments an. Drei Versicherer machen keine Angabe zu Immobilien.

Für die Vergleichbarkeit berücksichtigt die grafische Darstellung ausschließlich Emissionsintensitäten, die in t CO2e pro investierter Million Euro angegeben sind.

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Für Aktien und Unternehmensanleihen ergibt sich in 2023 eine Intensität zwischen 50 und 110 t CO2e/million € invested. Für Staatsanleihen sind die Emissionsintensitäten höher und volatiler. Für Immobilien generell niedriger, jedoch gibt es einen Ausreißer mit einer Emissionsintensität des Immobilienportfolios von 132 t CO2e/ € Million investiert. Zwei Versicherer geben ihre finanzierten Emissionen ausschließlich als „Total“ mit Emissionen zwischen 68 und 70 t CO2e / € Million investiert an. Drei weitere Versicherer geben zusätzlich zu ihren Assetklassen Auskunft über ihre „Total“ Emissionen, während die verbleibenden keine Angabe tätigen.

Sektoranalyse der finanzierten Emissionen: Ein Blick auf NACE-Codes

Alternativ kann die Darstellung der finanzierten Emissionen gemäß PCAF-Standard basierend auf Industriesektoren erfolgen. Dabei sollten die absoluten Emissionen insbesondere für emissionsintensive Sektoren wie Energie, Strom, Zement, Stahl und die Automobilindustrie aufgeschlüsselt werden. Lediglich vier Versicherer haben Angaben zu den finanzierten Sektoren gemacht. Alle diese Versicherer gaben den Sektor „Energieerzeugung“ (NACE D35) an. Jeweils zwei Versicherer machten Angaben zu den Sektoren „Landwirtschaft“ (NACE A01) und „Immobilien“ (NACE L68). Weitere genannte Sektoren sind „Automobil“ (NACE G45), „Eisen“ (NACE G46.7) und „Aluminium“ (NACE C24.42).

Versicherte Emissionen werden noch kaum berichtet

Gemäß dem PCAF-Standard ist die Berichterstattung über die versicherten Emissionen optional. Lediglich fünf der betrachteten Versicherer berichten über die Emissionen ihrer versicherten Aktivitäten. Vier von ihnen haben den PCAF-Standard angewandt, der bisher kommerzielle Versicherungsverträge sowie private Kfz-Verträge umfasst. Ein am 3. Dezember 2024 veröffentlichter Konsultationsentwurf zur Erweiterung des PCAF-Standards umfasst zudem das Vertragsrückversicherungsgeschäft und projektbezogene Versicherungsverträge. Die finale Fassung wird nächstes Jahr erwartet. Ein Versicherer verwendet eine alternative Methode zur Emissionsbewertung und konzentriert sich bei der Quantifizierung auf Versicherungsverträge im Zusammenhang mit Öl, Gas und thermischer Kohle.

Ziele und Maßnahmen: Own Operations

Von den 14 betrachteten Versicherern haben zehn Ziele zur Emissionsreduktion für ihren Geschäftsbetrieb formuliert, wobei der Fokus auf der Reduktion der Scope 1- und 2-Emissionen liegt. Bei der Zielsetzung werden sowohl Klimaneutralität und als auch Netto-Null Ziele verfolgt.

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Drei Versicherer planen, bis 2030 oder 2040 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, während zwei dies bis 2050 anstreben. Ein Versicherer erwähnt explizit, zur Zielerreichung Emissionszertifikate zu verwenden. Ein weiterer Versicherer plant, bis 2030 klimaneutral zu werden. Die restlichen vier streben eine Emissionsreduktion von 35 % bis 80 % im Vergleich zu 2019 bis 2030 an. Maßnahmen zur Emissionsreduktion umfassen den Wechsel zu Elektrofahrzeugen (fünf Versicherer), die Umstellung auf Grünstrom (sechs Versicherer) und die Reduktion von Geschäftsreisen (drei Versicherer).

Netto-Null bis 2050 in der Kapitalanlage

Alle untersuchten Versicherer haben sich zur Reduzierung ihrer finanzierten Emissionen verpflichtet. Neun von ihnen planen, bis 2050 Netto-Null in der Kapitalanlage zu erreichen. Zwei Versicherer streben an, Klimaneutralität in ihrer Kapitalanlage zu erreichen. Die restlichen Versicherer haben zwar kein eindeutiges Ziel bis 2050 veröffentlicht, sich jedoch zur Dekarbonisierung verpflichtet. Ambitionierte Zwischenziele wurden bereits von sieben Versicherern definiert, wie etwa die Reduzierung der Emissionsintensität des Kapitalanlageportfolios um 45 bis 50 % bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 2019. Zu den umgesetzten Maßnahmen gehören spezifische Ausschlusskriterien für Investitionen in kohlenstoffintensive Industrien sowie die aktive Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien.

Netto-Null-Ambition im Versicherungsportfolio

Fünf Versicherer haben sich vorgenommen, Netto-Null im Versicherungsportfolio bis 2050 zu erreichen. Dieses langfristige Ziel wird durch Zwischenziele unterstützt, wie z.B. eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 35 bis 50 % bis 2025 oder um 60 bis 70 % bis 2030 im Vergleich zu einem Basisjahr (häufig 2019). Im kommerziellen Portfolio streben zwei der fünf Versicherer eine Emissionsreduktion um 20 bis 45 % bis 2030 an. Vier Versicherer planen die Verringerung der Emissionen aus fossilen Brennstoffen, insbesondere aus thermischer Kohle, mit Plänen bis 2030 in OECD-Ländern und bis 2040 weltweit sowie Netto-Null bis 2050. Im privaten Kfz-Versicherungsportfolio wird von drei Versicherern eine Reduktion der Emissionsintensität um 20 % bis 2030 angestrebt. Versicherer zeigen zudem ein verstärktes Engagement für nachhaltige Praktiken, wie die Entwicklung umweltfreundlicher Schadensregulierungsmethoden bis 2026.

Fazit: Herausforderungen und Chancen in der Scope 3-Berichterstattung von Versicherern

Die Analyse der Erhebung der Scope 3-Emissionen durch Versicherer hat gezeigt, dass diese Emissionen etwa 64 % der Gesamtemissionen der Versicherer ausmachen. Ein bedeutender Teil entfällt auf finanzierte Emissionen, welche hauptsächlich von der Energieerzeugung dominiert werden. Die Analyse von 14 europäischen Versicherern zeigt auch, dass die Berichterstattung über Scope 3-Emissionen durch Datenlücken und methodische Herausforderungen geprägt ist. Obwohl die meisten Versicherer über finanzierte Emissionen berichten, sind Angaben zu versicherten Emissionen seltener, was auf fehlende Standards in diesem Bereich hinweist.

Trotz dieser Herausforderungen haben viele Versicherer ehrgeizige Klimaziele formuliert, darunter Netto-Null-Ziele bis 2050 und Zwischenziele bis 2030. Zu den Maßnahmen zur Emissionsreduktion gehören Investitionen in erneuerbare Energien und die Einführung spezifischer Ausschlusskriterien für kohlenstoffintensive Unternehmen. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer verbesserten Datenqualität und -verfügbarkeit, um eine transparente Klimaberichterstattung zu ermöglichen. Mit weiteren Fortschritten in der Klimaberichterstattung können sich Versicherer zukunftsorientiert aufstellen, Reputationsgewinne erzielen sowie den Anforderungen der CSRD gerecht werden.

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Christoph Schellhas

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Frankfurt am Main

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