Der Wettbewerbs-Kompass der EU: Wie Europa seine Zukunft gestaltet

Wie kann Europa seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit stärken und gleichzeitig seine Klimaziele erreichen?

Der neue Wettbewerbskompass der Europäischen Kommission skizziert einen ambitionierten Fahrplan. Erfahren Sie, wie regulatorische Hürden beseitigt und die Industrie unterstützt werden sollen. Welche Maßnahmen plant die EU, um die Energiewende zu finanzieren und hohe Energiepreise zu bewältigen? Erfahren Sie, wie der Finanzsektor von diesen strategischen Ansätzen profitieren kann.

Der „Wettbewerbskompass“ der Europäischen Kommission ist ein umfassender strategischer Rahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der EU. Er wurde am 29.01.2025 durch die Kommissionpräsidentin von der Leyen vorgestellt und repräsentiert die erste große Initiative ihrer zweiten Amtszeit. Basierend auf den Anforderungen des Draghi-Berichts, sollen durch den Fahrplan bestehende Hindernisse und strukturelle Schwächen angegangen werden. Der Kompass beinhaltet drei Handlungsschwerpunkte:

  • Die Innovationslücke schließen 
  • Ein gemeinsamer Fahrplan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit 
  • Verringerung übermäßiger Abhängigkeiten und Stärkung der Sicherheit 

Fünf horizontale Faktoren sollen bei der Erreichung der Prioritäten unterstützen und sektorübergreifend Wettbewerbsfähigkeit stärken:

  • Vereinfachung 
  • Abbau von Hindernissen für den Binnenmarkt 
  • Die Wettbewerbsfähigkeit finanzieren 
  • Kompetenzen und hochwertige Arbeitsplätze fördern 
  • Bessere Koordinierung der politischen Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene 

Die Bedeutung von Innovation und die Notwendigkeit, die Innovationslücke zu schließen sowie Abhängigkeiten zu reduzieren werden betont. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit hervorgehoben, die Wirtschaft zu dekarbonisieren und grüne Produktionsmethoden zu fördern.

Diese nachhaltigen Ansätze sollen die EU als führenden Standort für grüne Technologien und Kreislaufwirtschaftsmodelle etablieren. Der Kompass fordert Investitionen in die Modernisierung der Energieinfrastruktur, um hohe Energiepreise zu bewältigen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Weitere zentrale Elemente sind die Förderung von Kompetenzen und hochwertigen Arbeitsplätzen, die Vereinfachung des regulatorischen Umfelds und die vollständige Nutzung des Binnenmarktes.

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Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit vereinen

Die Klimaziele der Europäischen Union bleiben erhalten: Bis 2050 soll die Wirtschaft des Kontinents vollständig dekarbonisiert sein. Dieses Vorhaben bietet die Chance, die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu stärken und nachhaltiges Wachstum zu fördern. Mit klaren und vorausschauenden politischen Maßnahmen sollen Unternehmen und Investoren die notwendige Sicherheit erhalten, um in eine grüne Zukunft zu investieren.

Ein zentraler Baustein auf diesem Weg ist der "Clean Industrial Deal". Diese Initiative zielt darauf ab, Europa zu einem attraktiven Standort für energieintensive Industrien zu machen, wobei grüne Technologien und innovative, kreislauforientierte Geschäftsmodelle im Vordergrund stehen. Der geplante "Circular Economy Act" soll Investitionen in Recyclingkapazitäten ankurbeln und die Nutzung von Sekundärmaterialien vorantreiben. Diese Ansätze sollen dazu beitragen, die Dekarbonisierungsziele zu erreichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Hohe und schwankende Energiepreise stellen jedoch eine erhebliche Herausforderung dar, sowohl für Unternehmen als auch für private Haushalte in Europa. Um diese Problematik zu bewältigen, wird der "Affordable Energy Action Plan" ins Leben gerufen. Dieser Plan soll den Zugang zu kostengünstiger Energie verbessern und die Vorteile einer stärkeren Marktintegration ausschöpfen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wandel der europäischen Industrielandschaft. Sektoren wie Stahl, Metall und Chemikalien stehen im Fokus und benötigen gezielte Maßnahmen, um den Übergang zu einer grüneren Produktion zu schaffen. Hier sollen staatliche Fördermittel eingesetzt werden.

Der Weg Europas zur Dekarbonisierung ist zweifellos komplex, bietet jedoch enorme Chancen für nachhaltiges Wachstum und Innovation. Durch strategische politische Entscheidungen und internationale Zusammenarbeit kann Europa eine führende Rolle im globalen Kampf gegen den Klimawandel einnehmen und gleichzeitig seine wirtschaftliche Stärke bewahren. Es bleibt spannend zu beobachten, wie diese ehrgeizigen Pläne umgesetzt werden und welche positiven Veränderungen sie mit sich bringen werden.

Die Innovationslücke schließen: Strategien zur Förderung europäischer Start-ups und Technologien

Wirtschaftswachstum hängt auch von disruptiven Innovationen und Effizienzsteigerungen ab. Obwohl der Anteil Europas an den weltweiten Patenten mit dem der USA und Chinas vergleichbar ist, wird nur ein Drittel der von EU-Universitäten angemeldeten Patente kommerziell genutzt. Dies liegt unter anderem an der Fragmentierung des Marktes, dem Mangel an Risikokapital und unzureichender Innovationsunterstützung. Diese Faktoren behindern das Wachstum und die Skalierung von Start-ups in Europa erheblich. Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, plant die EU eine Start-up- und Scale-up-Strategie. Zu den geplanten Initiativen gehören die Erhöhung des Risikokapitals und die Unterstützung von Unternehmen, die in innovative Technologien investieren. Außerdem soll in zukunftsweisende Technologien wie Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Quanten- und Biotechnologien investiert werden.

Zusätzlich wird die EU ihre Wettbewerbspolitik anpassen, um Innovationen besser zu fördern. Ein Schwerpunkt liegt auf der konsequenten Umsetzung des Digital Markets Act sowie auf der verstärkten Anwendung von „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI), um die Zusammenarbeit in strategischen Bereichen zu intensivieren.

Wirtschaftliche Sicherheit und Handel

Unter dieses Thema fallen verschiedene Aspekte wie Handelsabkommen, Maßnahmen gegen den Klimawandel und Sicherheitspolitik. Die EU strebt an, Partnerschaften zu stärken und Handelsabkommen voranzutreiben. Gleichzeitig sollen Abhängigkeiten reduziert und Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Sicherheit implementiert werden. Die EU plant, ihre Verteidigungsindustrie zu stärken, um unabhängiger zu werden.

Im Kampf gegen den Klimawandel soll die Widerstandsfähigkeit der EU verbessert werden, u.a. durch die Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse. In diesem Zusammenhang sollen ein europäischer Aktionsplan zur Anpassung an den Klimawandel sowie nachhaltige Wasserstrategien entwickelt werden.

Fünf Schlüsselfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der EU

Ein zentraler Aspekt des Kompasses ist die Vereinfachung von Regulierungen und die Beschleunigung administrativer Verfahren. Im Mittelpunkt steht hierbei die Omnibus-Regulierung, die bedeutende Erleichterungen in den Bereichen der Nachhaltigkeitsberichtserstattung und der Nachhaltigkeits-Due-Diligence vorsieht. Ziel ist es, die Berichtspflichten um mindestens 25% für alle Unternehmen und 35% für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu reduzieren. Ein weiterer entscheidender Schritt in Richtung Vereinfachung ist die Digitalisierung. Durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und standardisierter Datenformate soll der Zugang zu finanziellen Mitteln und die Einhaltung von Vorschriften erleichtert werden.

Der Binnenmarkt ist seit 30 Jahren das Herzstück der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Doch trotz der vielen Vorteile bestehen weiterhin Barrieren, die den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen behindern, insbesondere in Bereichen wie elektronische Kommunikation. Die Kommission plant, diese Hindernisse durch eine moderne Governance und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu beseitigen.

Um die Ziele Europas zu erreichen, sind erhebliche Investitionen erforderlich. Die Kommission plant die Einführung einer „Spar- und Investitionsunion“, um privates Kapital zu mobilisieren und in zukunftsorientierte Wachstumssektoren zu lenken. Hierzu sollen günstige Spar- und Anlageprodukte auf EU-Ebene gefördert werden. Zusätzlich soll ein Europäischer Wettbewerbsfonds strategische Technologien und Fertigungen fördern.

Europas Wettbewerbsfähigkeit beruht auf seinen Menschen. Dafür sind faire Arbeitsbedingungen, angemessene Löhne und Zugang zu bezahlbarer Pflege essenziell. Die Kommission plant eine Roadmap für Qualitätsjobs und bezahlbares Wohnen. Zusätzlich soll Europa attraktiver für Fachkräfte aus Drittländern werden.

Die Europäische Kommission plant die Einführung eines neuen Werkzeuges zur Koordinierung der Wettbewerbsfähigkeit „Competitiveness  Coordination Tool“. Dieses Werkzeug soll EU- und nationale politischen Maßnahmen und Investitionen besser aufeinander abstimmen und gemeinsame Wettbewerbsprioritäten identifizieren. In einem ersten Schritt wird die Kommission Pilotprojekte in ausgewählten Bereichen wie Energie- und Verkehrsinfrastruktur sowie digitale Infrastruktur starten.

Fazit

Europa muss seine Wettbewerbsfähigkeit stärken, um in der globalen Wirtschaft langfristig erfolgreich zu sein. Der Vorschlag setzt auf eine Kombination aus Industriepolitik, Investitionen und Reformen, die alle um eine gemeinsame Vision vereint sind.

Die Klimaziele der EU bleiben erhalten, doch die Strategie zu ihrer Erreichung wird angepasst. Dabei wird der regulatorische Aufwand reduziert, indem umfangreiche Berichterstattungspflichten abgebaut werden. Stattdessen liegt der Fokus verstärkt auf Anreizen und Förderprogrammen zur Finanzierung der Energiewende. Der Competitiveness Compass soll sicherstellen, dass die EU gleichzeitig wettbewerbsfähig bleibt und sich weiter in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft transformiert. Dieser Kurs bietet für Finanzinstitute viele Chancen. 

Weiterführende Links:

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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